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Geld in die Crowd investieren © CC Rocío Lara

Crowd-Funding: Spenden oder Investieren?

Heinz Moser /  Die einen wollen ans grosse Geld; die anderen unterstützen Projekte, die ihren Idealen entsprechen - alles mit Crowdfunding

Wer Geld für eigene Projekte braucht, ist heute nicht mehr auf eine Bank angewiesen. Immer mehr Leute suchen sich Unterstützung im Internet. «Crowdfunding» heisst das Stichwort. Wenn viele «kleine» Internetnutzer und -nutzerinnen im Netz Geld für Projekte und neue Produkte zusammenlegen, dann macht auch Kleingeld Mist.

In diesem neuen Markt herrscht Goldgräberstimmung. Nach einer Studie der Hochschule Luzern wurden allein im Jahr 2013 im Rahmen von 720 Kampagnen 11,6 Millionen Franken gesammelt. Und in den grossen Nachbarländern wie Deutschland oder in den USA ist der Boom von Crowdfunding noch weit grösser.

Plattformen, auf denen man sein Geld anlegen kann, sind wie Pilze aus dem Boden geschossen, wobei sie sich an ein sehr unterschiedliches Publikum wenden. Nicht-kommerzielle Spenderinnen und Spender sind ebenso gesucht wie Anlegerinnen und Anleger, die auf das grosse Geld mit Startups setzen.

Kulturförderung in der Crowd

Kulturell orientierte Plattformen wie wemakeit.ch sind in den Bereichen Kunst und Literatur tätig. Hinter letzterer stehen renommierte Kulturförderer wie Migros Kulturprozent, die Stiftung Ernst Göhner, Pro Helvetia oder die Basler Merian Stiftung. Allerdings will niemand reich werden, die oder der für ein Projekt auf wemakeit Geld spendet. Vielmehr will man damit ein ideelles Anliegen unterstützen. Die eingesetzten Summen sind denn auch eher bescheiden, meist in der Grössenordnung von 10–500 Franken. Entsprechend ist der materielle «Gewinn» klein – eigentliche eher eine nette Geste der Anerkennung. So erhalten die Unterstützer und Unterstützerinnen der fünfzig Singfrauen Winterthur, die ihre Lieblingslieder aus dem Osten Europas singen, für ihren Beitrag gratis die mit dem Spendengeld finanzierte CD. Und wer 100 Franken spendet, wird an die CD-Taufe eingeladen. Die Bandbreite der Projekte ist gross: Ferien für benachteiligte Kids können ebenso unterstützt werden wie Fotobände, Animationsfilme oder eine Produktion des schwulen Männerchors schmaz – mit Einladung zur Première, wenn man 240 Franken locker macht.

Etwas breiter als wemakeit sucht 100 Days Spendengelder: Hier sind auch soziale und touristische Projekte dabei. So kann man sich bei einem Montessorischulprojekt in Pokhara, der zweitgrössten Stadt Nepals, engagieren. Entstehen sollen dort ein öffentlicher Laden, eine Imbissecke im Erdgeschoss und eine Schule. Ebenso sucht ein von Blinden gemachtes Radio Unterstützung. Weil die Technik veraltet ist, braucht Radio Blind Power neue Geräte und neue Computersoftware. Schon 17 Unterstützende (auf der Website «Booster» genannt) haben hier 1595 Franken (Stand 2. Juli 2014) gesammelt. Doch der Weg zur angestrebten Unterstützung in der Höhe von 30’000 Franken ist noch weit.

In den letzten Monaten ist die Diversifizierung verschiedener Crowdfunding-Plattformen gewachsen. So will sciencestarter.de Forschungsprojekte fördern, bei Sellaband investieren Fans in Musik und Econeers steht für ökologische Projekte. Erst vor einigen Tagen hat YouTube angekündigt, ebenfalls in den Crowdfunding Markt einzusteigen. Youtube-Nutzende erhalten dann die Möglichkeit, ihre Idole, Stars oder Video-Gurus auf ihren YouTube Kanälen finanziell zu unterstützen.

Mit Crowdinvesting Geld anlegen

Ums Geldverdienen geht es bei Plattformen zum Crowdinvesting, die Startups finanziell unterstützen und Privaten einen einfachen Einstieg in finanzielle Anlagen eröffnen. Was für eine Chance! Man hört doch fast jeden Tag von neuen Apps und Computeranwendungen, die in Hinterhöfen entwickelt werden und den jungen Erfindern sowie Erfinderinnen Millionen in die Kasse spülen. Crowdinvestment verspricht uns, Menschen wie dich und mich mit diesen Genies zusammenzubringen sowie mit einem Mini-Einsatz von ein paar Hundert Franken als «Investor» ein Maximum zu verdienen.

Beim Crowdinvesting geht es denn auch nicht mehr um kulturelle oder soziale Spenden und ein kleines «Bhaltis», sondern um hartes Business. Zahlen aus Deutschland zeigen, wie rasant dieser Markt wächst: Allein in Deutschland buhlen über 20 Webplattformen um Anlegerinnen und Anleger. Die bekanntesten sind Seedmatch und Companisto. Auch in der Schweiz ist Crowdinvesting mittlerweile angekommen, mit Webseiten wie investiere.ch oder c-crowd. Seedmatch allein hat bereits über 17 Millionen Euro eingesammelt, allein 5‘192‘250 Euro im letzten Vierteljahr.

Tolle Ideen – harte Realität

Die kreativen Ideen, die zum Beispiel hinter Seedmatch stehen, verlocken dazu, es mit einer Anlage zu versuchen. Denn schon mit 250 Euro ist man bei vollmundig angepriesenen Startup-Projekten dabei, zum Beispiel:
– MyCleaner: «Die erste Plattform für Online-Buchung und Bereitstellung einer umweltfreundlichen mobilen Fahrzeugreinigung an deinem Wunschort. Nie war individuelle Autowäsche bequemer und preiswerter.»
– KrassFit vermarktet Hindernisläufe in der Natur, im Team und mit hohem Spasspotenzial: Das Startup «bietet seinen Kunden ein sportliches Teamerlebnis am Limit und seinen Investoren ein hochattraktives Geschäftsmodell.»
– Geile Weine hat es mit 200‘000 Euro schon geschafft: Es «ist der erste Webshop, der gezielt junge und moderne Weinkunden anspricht und sich bewusst vom klassischen Weinhandel absetzt.»

Doch die Realität des Geschäftsalltags ist oft härter als die Bilderbuchideen, mit denen geworben wird. Wenn ein Produkt 20 Euro kostet, dann braucht es grosse Mengen, bis nur schon die roten Zahlen aus der Bilanz verschwinden. Und der schönste Businessplan ist Makulatur, wenn ein Startup die Anlaufzeit unterschätzt. Man erhält dann im schlimmsten Fall «Zwischenberichte», wonach die Abweichung zum Soll -90 Prozent beträgt. Garniert wird das Ganze mit wenigen «Erfolgszahlen», wo ein paar Kunden dazu gewonnen wurden. Ein verschreckter Investor : «Keine Ahnung, wo hier ‹schon wieder positive Neuigkeiten› sein sollen.»

Wenig Rechte für Investoren

Ausser Kommentare zu geben und Fragen zu stellen, können Anleger sowie Anlegerinnen jedoch wenig tun, denn für sie sind keine Mitspracherechte vorgesehen. Besonders krass war ein Fall bei der führenden USA-Plattform Kickstarter: Das Startup Oculus, das per Crowdinvestment 2,4 Millionen Dollar sammelte, wurde für 2,4 Milliarden an Facebook verkauft. Davon sahen die Kleinanlegerinnen und -anleger keinen Cent.

Dafür partizipieren sie voll an den Verlusten. So heisst es im Kleingedruckten solcher Plattformen, im schlechtesten Fall müsse mit dem Totalverlust des eingesetzten Risikoinvestments gerechnet werden. Aber auch im besten Fall geht es lange, bis man sein Geld und einen eventuellen Gewinn (wieder) sieht, denn eine Kündigung ist meist erst nach vier bis fünf Jahren möglich.

Crowdinvesting eignet sich, um eine Idee, die man gut findet, mit einem Obulus zu unterstützen – etwa eine umweltfreundliche Autowäsche, wie sie MyCleaner verspricht. Doch reich wird man damit kaum, denn man muss davon ausgehen, dass jedes dritte Start-up innerhalb der ersten drei Jahre wieder aus dem Markt fällt. Von sechs Anlagen zu 500 Euro oder Franken droht also zwei Mal ein Totalverlust. Da ist es keineswegs selbstverständlich, dass die anderen vier nur schon diesen Verlust aufwiegen können.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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Eine Meinung zu

  • am 10.07.2014 um 09:27 Uhr
    Permalink

    Ich finde diese Tendenz bedenklich, und sie hat für mich den Beigeschmack des illegalen «Schneeballsystems".

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