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Die Seilbahn stammt aus dem Jahr 1951, die Gondeln von 1989. © Téléphérique Vercorin

Ist die neue Höchstspannungsleitung schuld?

Esther Diener-Morscher /  Die alte Seilbahn nach Vercorin VS bockt regelmässig. Die Betreiber geben Swissgrid die Schuld. Ausbaden müssen es die Bewohner.

Seit 1951 gondeln die beiden kleinen «Sardinenbüchsen» der Télépherique zwischen Chalais und Vercorin hin und her. Wer mit dem öffentlichen Verkehr vom Talboden ins Bergdorf reisen will, ist auf die Seilbahn angewiesen. Denn ein Bus fährt werktags nur fünfmal und am Wochenende viermal pro Tag.

Immer wieder lähmen Pannen und Unterbrücke den Betrieb. Letzten November etwa war ein Tragseil defekt. Längst hätten die Betreiber in neue, grössere Gondeln investieren sollen. Doch das Projekt ist wegen Einsprachen schon seit Jahren blockiert.

ÖV-Reisende mussten Taxi nehmen

Ausgerechnet am Wochenende fiel die Seilbahn kürzlich wieder aus. Die Bewohner, die heimkehren wollten, aber auch Ferienhausbesitzer und Hotelgäste standen am Freitagabend in der Talstation in Chalais vor einer stillstehenden Seilbahn und wussten nicht, wie sie nach Vercorin gelangen sollten.

Eilends organisierte die Gemeinde einen Shuttle-Bus. Doch wer erst abends nach der Arbeit oder nach der Schule nach Vercorin anreiste, musste auf ein Taxi umsteigen. Kosten: Mindestens 80 Franken.

Der Ärger im Feriendorf oberhalb von Siders ist gross. Denn die Pannen häufen sich. Nun haben die Betreiber der Seilbahn eine mögliche Ursache dafür gefunden: Seit September kreuzt die neue Unterwalliser Höchstspannungsleitung zwischen Chamoson und Chippis die Seilbahn.

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Die neue Höchstspannungsleitung Chamoson — Chippis ist seit letztem September in Betrieb.

Zumindest sind Fachleute, welche die Seilbahn untersucht haben, der Meinung, dass vieles darauf hindeute, dass die neue Stromleitung schuld an den vielen Störungen sei.

«Die Havarien betrafen verschiedene elektrische Komponenten der Seilbahn, wie die Öffnungsmechanismen der Kabinentüren und die Gegensprechanlagen, mit der Folge, dass die Anlage automatisch abgeschaltet wurde», erklärte Kilian Siggen, Gemeinderat und Präsident der Seilbahn-Gesellschaft Téléphérique Chalais-Vercorin, gegenüber der Unterwalliser Tageszeitung «Le Nouvelliste».

Er räumte ein, dass die Seilbahn zwar veraltet sei. Er stellte aber fest, dass die Probleme just seit der Inbetriebnahme der Höchstspannungsleitung auftreten würden. Die Betreiber wollen nun die Kabinen abschirmen, damit die elektrischen Geräte vor dem Elektrosmog der Leitung geschützt werden.

Ein ähnliches System habe auch die Allmenalp-Bahn in Kandersteg, sagte Siggen. Auch dort sei es zu Störungen gekommen, weil eine Höchstspannungsleitung die Bahn kreuzt. Die alte Seilbahnanlage in Vercorin sei nicht darauf ausgerichtet, eine Höchstspannungsleitung zu kreuzen. Siggen kündet an, dass es Gespräche mit der Leitungsbetreiberin Swissgrid geben werde, will aber Swissgrid «auf keinen Fall die Schuld geben».

Swissgrid wehrt ab

Swissgrid reagierte abwehrend auf solche Vermutungen. Gegenüber «Le Nouvelliste», sagte die Swissgrid-Sprecherin Marie-Claude Debons, dass die 6700 Kilometer Leitungen viele Seilbahnen kreuzen würden. «Wir kennen bisher keinen Fall, wie er von den Verantwortlichen der Seilbahn Chalais — Vercorin gemeldet wurde.»

Nach dem chaotischen Wochenende konnten die Seilbahnbetreiber die Gondeln wieder laufen lassen. Vercorins Bewohner und Feriengäste fürchten sich allerdings bereits vor dem nächsten Unterbruch. Denn die Gespräche mit Swissgrid werden ihnen keine neue Seilbahn bringen.

Hoffnung auf eine zuverlässige ÖV-Verbindung werden sie erst wieder schöpfen, wenn das Bundesamt für Verkehr das Neubau-Projekt genehmigt hat.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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2 Meinungen

  • am 25.01.2023 um 23:18 Uhr
    Permalink

    Die Schuldzuweisungen an die Hochspannungsleitungen bei allen möglichen Effekten und Krankheiten sind so alt wie die Elektrizität selber. Wissenschaftlich gibt es auch heute keine klare Beweislage.

  • am 26.01.2023 um 01:19 Uhr
    Permalink

    Sehr Interessant. Elektromagnetische Felder haben immer eine Wirkung. Solche welche von Vorteil, und auch solche welche von Nachteil sein können. Es wundert mich, das noch kein ETH Messtechniker die wo möglichen Side-Effekte der kreuzenden Leitung untersucht hat. Denn die Spannungen und Ströme pro m2 kann man heute sehr gut messen. Was auch eine Rolle spielen kann, ist die Frequenz mit welcher die imposante Leistung übertragen wird. Unter einer Hochspann-Weitspann Leitung in der Nähe funktioniert mein Handy nicht mehr. Wenn die Luft feucht ist, könnte ich mit den Verlustströmen der Leitung und einer entsprechenden Antennenspule mit Laderegler unter der Leitung dafür kostenlos mein Handy Laden. Elektrizität ist halt überall, sogar in uns drin.

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