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Mehr als ein Drittel unserer Ernährung ist von bestäubenden Insekten abhängig, von denen es immer weniger gibt. © pxhere

Insektensterben soll 400’000 Todesfälle zur Folge haben

Daniela Gschweng /  Weil bestäubende Insekten fehlen, wird die Ernährung ungesünder. Das kostet viele Menschen vorzeitig das Leben.

Weltweit gibt es rund 200’000 bestäubende Insektenarten, 35 Prozent der menschlichen Ernährung hängt von ihnen ab. Weil bestäubende Insekten immer weniger werden, gehen schon heute 3 bis 5 Prozent der weltweiten Ernte an Obst, Gemüse und Nüssen verloren, schätzt eine Studie der Harvard University.

In Folge verschlechtert sich die Nahrungsmittelversorgung, was viele Menschen das Leben kostet. Jedes Jahr seien weltweit 400’000 vorzeitige Todesfälle auf das Insektensterben zurückzuführen, heisst es in der Studie. Am meisten betroffen sind Länder mit mittlerem Einkommen.

Die Studie, die im Fachmagazin «Environmental Health Perspectives» veröffentlicht wurde, sei die erste, die die menschliche Gesundheit in direkten Zusammenhang mit dem Verlust der Artenvielfalt bringe, sagt der Hauptautor Samuel Myers, der an der TH Cahn School of Public Health der Universität Harvard forscht. Damit schliesse sie eine wichtige Lücke in der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion.

Bestäuberverluste so schlimm wie Krebs und Drogenmissbrauch

Die Forschenden schätzen, dass weltweit 4,7 Prozent der Obsternte, 3,2 Prozent der Gemüseernte und 4,7 Prozent der Produktion an Nüssen verloren gehen. Dazu haben sie Daten aus 156 Ländern ausgewertet. Um abzubilden, wie sich diese Verluste auf die globalen Warenströme und die Ernährung auswirken, nutzten sie ein ökonomisches Modell. Die Ergebnisse kombinierten sie mit Gesundheitsdaten, um die Zahl vorzeitiger Todesfälle abzuschätzen.

Herzkrankheiten, Schlaganfälle, Diabetes und einige Krebsarten nehmen bei schlechterer Ernährung zu oder führen häufiger zum Tod. Die laut den Forschenden eher konservative Schätzung geht von 400’000 vorzeitigen Todesfällen im Jahr aus. Damit beeinflusse der Verlust von Bestäubern die globale Gesundheit im gleichen Mass wie Prostatakrebs oder Drogenmissbrauch, sagt Myers gegenüber dem «Guardian».

In reichen Ländern leiden vor allem die Armen

Am wenigsten betroffen vom schrumpfenden Angebot und dadurch steigenden Preisen sind Menschen in wohlhabenderen Ländern. Nur der ärmere Teil der Bevölkerung kann sich bestimmte Lebensmittel nicht mehr leisten.

Der Verlust von bestäubenden Insekten wirkt sich zwar in den Anbauländern selbst am stärksten aus. In den einkommensschwächsten Ländern sind die gesundheitlichen Folgen jedoch am geringsten. Ernährungsbedingte Herzkrankheiten und Schlaganfälle sind dort seltener.

mortality attributable to insufficient pollination
Durch den Mangel an Bestäubern wird die Ernährung ungesünder. An den Auswirkungen wie Krebs (Cancer), Schlaganfällen (Stroke), Diabetes und coronaren Herzkrankheiten sterben jährlich Tausende einen zu frühen Tod, vor allem in Ländern mittleren Einkommens.

Myers Hypothese, dass der globale Lebensmittelhandel für die Nährstoffversorgung sehr wichtig sei, habe sich damit nicht bestätigt, sagte er in einem Radiointerview. 82 Prozent der Krankheitslast seien auf zu wenige lokale Bestäuber zurückzuführen und nicht auf importierte Lebensmittel.

Am stärksten betroffen sind China, Indien und Russland

Gesundheitlich am stärksten betroffen sind Länder mit mittlerem Einkommen wie China, Indien, Russland und Indonesien. Dort gibt es bereits viele Herzkrankheiten, Schlaganfälle und Krebserkrankungen, die mit falscher Ernährung, Rauchen und Bewegungsmangel in Verbindung gebracht werden. Jetzt kommt das sinkende Angebot gesunder Lebensmittel dazu.  

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In welchen Ländern durch ungenügende Bestäubung gehen am meisten Lebensjahre verloren gehen.

Einige Faktoren hat das Team in Harvard in seiner Studie noch gar nicht mit einbezogen. Zum Beispiel den Mangel an Mikronährstoffen wie Vitamin A und Folsäure oder Armut durch sinkende Erträge. Eine andere wissenschaftliche Arbeit von Myers› Team zeigt zudem, dass Lebensmittel bei steigenden CO2-Konzentrationen in der Luft auch weniger nährstoffreich sind.

Einige Grundnahrungsmittel hängen nicht von Bestäubern ab, sind aber nährstoffärmer

Zum Glück gibt es zahlreiche Lebensmittel, die nicht auf Insekten angewiesen sind und durch Wind bestäubt werden. Dazu gehören die Grundnahrungsmittel Reis, Mais, Weizen und Gerste. Alles also halb so schlimm?

Leider nein, sagt David Goulson von der Universität Sussex, der nicht an der Studie beteiligt war: «Wir konsumieren weltweit zu viele windbestäubte Lebensmittel, die reich an Kohlenhydraten, aber relativ arm an Nährstoffen sind. Das führt zu einer weltweiten Epidemie von Fettleibigkeit und Diabetes», sagt der Biologe. «Wir essen zu wenig Obst und Gemüse, von denen die meisten von Insekten bestäubt werden müssen – man denke nur an Äpfel, Kirschen, Erdbeeren, Kürbisse, Bohnen und Tomaten.»

Viele Auswirkungen schlechter Ernährung wie ernährungsbedingte körperliche Einschränkungen oder den Verlust an Arbeitsleistung habe die Studie gar nicht einbezogen. Beides habe aber grosse Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesundheitssystem. Insofern seien die Effekte der sinkenden Artenvielfalt weit grösser als in der Studie untersucht, sagt Goulson.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

Hunger

Hunger und Fehlernährung weltweit

Alle Menschen auf der Erde können sich nicht so ernähren wie wir. Der Kampf um fruchtbare Böden ist im Gang.

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5 Meinungen

  • am 25.01.2023 um 14:51 Uhr
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    Grüezi Frau Gschwend
    Ich frage mich, was bringen solche Beiträge und solche Forschungsarbeiten. Das wir ein dramatischen Rückgang an Insekten haben ist zumindest mir längst bekannt. Warum China und Russland gemäss der Studie besonders betroffen sind, kann ich aufgrund des Beitrags nur schwer nachvollziehen. Zudem kann ich auf das was in Russland oder China geschieht äusserst wenig Einfluss nehmen. Ganz anders sieht es in meinem direkten Umfeld in der Schweiz und Deutschland aus. Hier wären wir froh, es würde Medial mehr über unsere Erfolge berichtet. Mein Eindruck ist immer öfter, dass es aus einem mir nicht erschliessenden Grund für viele Medienschaffende und offensichtlich auch für viele Leser sehr befriedigend ist, möglich viel zu schreiben und zu lesen über Dinge, die nicht selbst beeinflussbar sind. Könnte es sein, dass man sich selbst beweisen will: Ich kann ja doch nichts tun?

  • am 26.01.2023 um 01:33 Uhr
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    Die Lichtverschmutzung ist ein wesentlicher Faktor beim Insektensterben. Darüber gibt es interessante Studien. Die Insekten werden irritiert und sterben bei den Leuchtkörpern, welche sie anziehen wie das Sonnenlicht. Besonders Lichter mit Blautönen sind dafür verantwortlich. Strassenbeleuchtungen ohne Reflektoren welche die ganze Umgebung beleuchten und nicht nur die Strasse ziehen ebenfalls Unmengen an Insekten an welche dann Qualvoll sterben. Leere Strassen welche Energie fressen mit ihrer Beleuchtung und die Insekten töten. Wie wäre es da mit Sensoren welche das Licht nur dort brennen lassen, wo Fussgänger/innen oder Fahrzeuge sich bewegen? Oder gibt es ein Interesse von jemandem, die Energie welche der Steuerzahler berappen muss, einfach so zu verschleudern? Rötliches Licht würde auch weniger Insekten anziehen und töten.

  • am 26.01.2023 um 14:17 Uhr
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    Die Tragödie des Insektensterbens ist der Artenschwund, die Auswirkung auf die Nahrungskette; Reptilien, Amphibien, Fische, Vögel, Säugetiere finden immer weniger Futter und kommen nicht mehr über den Winter. Die im Artikel genannten Promillezahlen zu irgendwelchen in Simulationsmodellen errechneten zusätzlichen Sterblichkeiten durch ungesunde Ernährung halte ich für einen Husarenritt – von Apfel-, Bohnen-, Tomaten- oder Kürbismangel ist bislang nichts bekannt. Auch werden industriell hergestellte Pflanzen – besonders Tomaten – oft durch speziell hierfür eingesetzte Insektenvölker bestäubt und nicht durch Wildinsekten. Die Kohlenhydratlieferanten der Süßgräser und Pseudogetreide liefern in ungeschälter und unraffinierter Form sehr viele Vitamine und Mineralstoffe; nicht weniger als Gemüse o. Obst, wie der Artikel oberflächlich insinuiert. Der Dinkel bspw. liefert zusätzlich noch sehr hochwertiges Eiweiß. Obst ist auch keine Wunderwaffe; ein Übermaß an Fructose ist für uns nicht gut.

  • am 27.01.2023 um 18:29 Uhr
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    Vielleicht sind 8 Milliarden Menschen zuviel für das Oekosystem Erde. Insbesondere wenn sie soviel Überkonsumieren und soviel giftigen Dreck verursachen. Ungesunden Dreck welcher nur schwer abbaubar ist, wie der Mikroplastik im Meerwasser. Eine Geburtenkontrolle wäre wohl sinnvoll, zudem auch eine verstärkte Bildung betreffend Ernährungsgewohnheiten. In unseren Breitengraden Essen viele um des Genusses willen viel zu viel. Was zuviel gegessen wird, kommt oft unverwertet wieder raus, oder erzeugt Fuselalkohole im Darm sowie Übergewicht. Das Belohnungssystem des Menschen schüttet körpereigene Drogen aus, wenn wir Zucker oder bestimmte Aromen zu uns nehmen. Dies verleitet in einer oft belastenden Welt zu suchtartigem Essen. Zu viele Menschen und Überkonsum scheinen mir ebenfalls dazu bei zu tragen, das eine belastete Umwelt Insekten sterben lässt. Im Tierversuch leben Ratten, welche mit der Nahrung sehr knapp gehalten werden, immens länger als solche welche täglich satt sind.

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