US-Bienenhalter verlieren 60 Prozent ihrer Bienenvölker
In den USA kam es im vergangenen Jahr zum grössten je dort verzeichneten Bienensterben: Im Schnitt verloren Imkerinnen und Imker 60 Prozent ihrer Honigbienenvölker, was einem wirtschaftlichen Schaden von rund 600 Millionen Dollar entspricht. Ursache sind vor allem Krankheiten, die von der parasitären Varroamilbe übertragen werden. Diese hat Resistenzen gegen das breit verwendete Mittel Amitraz entwickelt. Für die Imkerinnen und Imker ist das eine bedrohliche Situation.
Ohne ihre Bienen ginge wenig bis nichts im US-Anbau von Mandeln, Gurken, Zwiebeln und vielem mehr. Bestäuben ist in den USA eine Industrie. Grossimker wie Bret Adee karren ihre Bienen mit grossen Trucks durchs ganze Land, um die Bestäubung der wichtigen Kulturen zu gewährleisten. Parasiten und Krankheiten breiten sich in der Massenhaltung jedoch schnell aus.
Auf den nächsten Winter kommt es an
Adee besitzt rund 55’000 Stöcke mit insgesamt zwei Milliarden Bienen und ist besonders betroffen. Über den letzten Winter habe er drei Viertel seiner Bienen verloren, berichtet er dem «Guardian». «Noch eine Saison mit derartig hohen Verlusten und wir sind in einer Todesspirale», sagt er.
Varroamilben sind eine, aber nicht die einzige Bedrohung für Bestäuberbienen. Die Milben allein schaden einem Volk insgesamt wenig, wenn sie keine Krankheiten übertragen. «Varroa hatten wir früher schon», sagt Adee. Aber früher habe er sich geärgert, wenn über den Winter fünf Prozent der Bienen starben. Heute rechnen Bienenhalter in den USA mit 30 Prozent Verlust.
«Eine Frage der Zeit»
Das Mittel Amitraz wird von so gut wie allen Bienenhaltern in den USA flächendeckend eingesetzt, um die Milben abzutöten und die Bienen zu schützen. Eine Studie des US-Agrarministeriums (USDA), die im Januar Hunderte Proben aus 113 Bienenkolonien analysierte, fand eine aussergewöhnlich hohe Zahl an Varroamilben. Ausnahmslos alle untersuchten Tiere waren gegen Amitraz resistent. Die Studie wurde noch nicht von anderen Expert:innen begutachtet. Sollte sich die Analyse bestätigen, ist auch das letzte wirksame Mittel zur Bekämpfung der Milbe in Zukunft wirkungslos.
Diese Entwicklung sei «keine grosse Überraschung», sagt der Wissenschaftler Norman Carreck zum «Guardian». Dass sich auch gegen Amitraz Resistenzen entwickeln würden, sei eine Frage der Zeit gewesen. Seit den 1980er-Jahren haben die Milben Resistenzen gegen mindestens vier breit verwendete chemische Mittel entwickelt.
Neben Resistenzen schaden vor allem Pestizide und Klimawandel
In den analysierten Proben fanden sich ungewöhnliche Mengen von drei Viren, die üblicherweise von der Varroamilbe übertragen werden. Die Studie gebe aber keine Anhaltspunkte für eine höhere Viruslast bei schwächeren Bienenvölkern, sagt Dave Goulson, Bienenexperte von der Universität Sussex, gegenüber dem «Guardian». Bei geschwächten Bienen richteten Viren aber grössere Schäden an.
Über die Gründe, weshalb die Lage aus dem Gleichgewicht gerät, sind sich die Expert:innen weitgehend einig: Zum Milbenbefall und zu Krankheiten kommen weitere Belastungen: ungewöhnliches Wetter, kalte Winter, Lichtverschmutzung, die Klimakrise und Pestizide wie Neonicotinoide, die das Nervensystem von Bienen schädigen. Diese Kombination erhöht die Anfälligkeit für Krankheiten. Virusinfektionen breiten sich rasch aus.
Eine Pestizidanalyse der untersuchten Stöcke ist noch in Arbeit. Aufgrund von Personalkürzungen der US-Regierung konnte das USDA-Team sie nicht selbst durchführen. Expert:innen an der Cornell-Universität arbeiten daran, haben die Ergebnisse aber noch nicht veröffentlicht.
Experten warnen vor Folgen für die US-Landwirtschaft
Wissenschaftler:innen und Organisationen wie «Project Apis m.» warnen vor dramatischen Folgen für die Lebensmittelversorgung. In den USA werden mehr als 100 Kulturpflanzen durch Bienen bestäubt.
Besonders alarmierend sei, dass viele Imkerinnen und Imker ihre Völker wegen der hohen Verluste nicht mehr auffüllen könnten. Für die Bestäubungsleistungen in der Landwirtschaft gebe es keine Alternative zur Bienenhaltung, sagt Danielle Downey, Geschäftsführerin der gemeinnützigen Organisation. Auch Wildbienen und andere Bestäuber sind betroffen, da sich Krankheiten von Honigbienen auf sie übertragen können.
Varroa ist auch in Europa der grösste Bienenkiller
Auf die Bienenvölker in der Schweiz und der EU hat die neu entdeckte Resistenz vorerst kaum Auswirkungen. Amitraz zur Bekämpfung der Varroamilbe ist hier nicht zugelassen. Die Winterverluste nehmen aber auch in Europa zu. Während US-Imkerinnen und -Imker um ihre Existenz fürchten, ist die Zahl der Bienen in der Schweiz jedoch bis mindestens 2022 gestiegen.
Aber auch diesseits des Atlantiks sind Varroamilben die grösste Bedrohung für Bienen. Bekämpft werden sie mit einer grossen Bandbreite an Mitteln und Methoden: Ameisensäure, Milchsäure, Oxalsäure, Thymol, Kampfer, Eukalyptusöl, durch Kälte- und Hitzebehandlung der Brut oder durch Entnahme eines Teils der infizierten Brut. Alle sind mehr oder weniger erfolgreich, um die Milbe einzudämmen. Ganz weg bekommen Imkerinnen und Imker sie kaum.
Züchtung als einzige langfristige Hoffnung
Die Hoffnung ruht auf Bienenarten, die mit den Milben besser umgehen können. Bienenvölkern aus Ostasien, von wo aus sich Varroamilben in den 1980er-Jahren ausgebreitet haben, schadet der Parasit beispielsweise recht wenig. Auch in Europa gibt es Arten, die die Milbe tolerieren. Die Züchtung resistenter Linien durch Einkreuzen gilt als einzige langfristige Bekämpfungsmethode.
Oder man fördert die Auslese der Natur. Einige Bienenzüchter in Grossbritannnen scheinen damit Erfolg zu haben. Sie behandeln ihre Bienen nicht mehr und wählen gezielt schwach befallene Völker, um die Widerstandsfähigkeit zu fördern. Die Bienen sollen dann in der Lage sein, mit Varroamilben befallene Brut zu erkennen und zu zerstören.
Bei einer Befragung gaben rund 6 Prozent von 3000 stichprobenartig befragten Bienenhaltern in Grossbritannien an, dass sie ihre Bienen seit mindestens sechs Jahren nicht mehr gegen Varroabefall behandelt hatten. Alle Befragten hatten Winterverluste zwischen 8 und 30 Prozent, die grösstenteils nicht direkt auf Varroabefall zurückzuführen waren. Die Bienen wurden im Rahmen der Studie aber nicht auf Resistenzen untersucht. Ähnliche Bestrebungen gibt es auch bei Bienenzüchtern in anderen Ländern.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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