Kommentar

«Tagesschau» macht Irreführung mit Wörtern mit

Urs P. Gasche © Peter Mosimann

upg /  Für Zuckerrohr, Soja und Mais setzt man massiv Pestizide ein und holzt sogar Urwald ab. Trotzdem sollen Treibstoffe «bio» sein.

«Wer Bio-Treibstoff hört, denkt eventuell sogleich an natürlich, umweltschonend, nachhaltig»: So leitete «Tagesschau»-Moderator Franz Fischlin gestern ein, um über einen Empa-Bericht zu informieren, wonach die «Bio-Treibstoffe» alles andere als grün seien.
Falls «Tagesschau»-Zuschauerinnen und Zuschauer bisher wirklich geglaubt haben sollten, Benzin und Diesel aus Zuckerrohr, Mais oder Soja seien bio im Sinne des Bio-Labels bei Lebensmitteln, dann haben die «Tagesschau» und andere Medien zu dieser Irreführung selber beigetragen.
Denn unbedacht übernahmen sie die Begriffe «Bio-Treibstoffe» oder «Bio-Benzin», die sich PR-Spezialisten der Agrarlobby ausgedacht hatten. Mit dem positiv besetzten «bio» will die Agrarlobby Werbung dafür machen, ihre Produkte zusätzlich zum Autofahren zu verwenden. Der Erfolg der ganzen Kampagne blieb nicht aus: In Deutschland bestehen 7 Prozent der Treibstoffe aus pflanzlichen Produkten. In den USA landen heute bereits 40 Prozent der Mais-Produktion im Tank. Entsprechend sind die Preise gestiegen (siehe «Den Autofahrern sind die Hungernden egal»).

Die Kritik am Begriff «Bio-Treibstoff» wurde schon bald laut. Er ist nicht nur irreführend, sondern bringt auch das «Bio»-Label in Misskredit. Diesen doppelten Effekt – Werbung für Agrartreibstoffe und gleichzeitig Schwächung des Bio-Labels – ist wohl von der Agrarlobby gewollt.

Trotzdem haben Schweizer Zeitungen in den letzten zwei Jahren in 169 Artikeln das Wort «Biotreibstoffe» oder «Bio-Treibstoffe» verwendet und nur in 74 Artikeln den neutralen und korrekten Begriff «Agrartreibstoffe».

Die «Tagesschau» blieb weitgehend beim Begriff «Bio-Treibstoffe» und überraschte gestern die angeblich verdutzten Zuschauerinnen und Zuschauer mit der Schlagzeile «Bio-Treibstoffe verursachen Umweltschäden».
Warum nicht «Agrar-Treibstoffe verursachen Umweltschäden»? Spätestens jetzt, als selbst die «Tagesschau» von der Empa zur Kenntnis nehmen musste, dass Agrartreibstoffe erhebliche Umweltschäden anrichten und alles andere als «bio» sind, wäre doch der Moment gewesen, die Wortwahl endlich zu überdenken.
Aber nein, während des ganzen Beitrags sprach die «Tagesschau» unbeirrt von «Bio-Treibstoffen». Sogar die Empa-Vertreterin Mireille Faist redete von «Bio-Treibstoffen», was die «Tagesschau» als mildernden Umstand anführen könnte.
Ich bin gespannt, ob die «Tagesschau» wenigstens in Zukunft vom «bio» abrückt und die Begriffe Agrartreibstoffe und Agrodiesel verwendet – oder ob sie zur Verfälschung des Qualitätsbegriffs «bio» weiterhin beiträgt.


Siehe auch «Die sprachliche Verluderung in den Medien nimmt zu»


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Eine Meinung zu

  • am 25.09.2012 um 16:15 Uhr
    Permalink

    Lieber upg
    Ich kenne Deine Geduld und Langmut. Bei der de Weck’schen Führungs-"Kultur» brauchst Du sie. Vielleicht geht Dein Wunsch in Erfüllung – so gegen Ende 2014. Herzlichst fcw

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