US-Courthouse Brooklyn

In diesem US-Bundesgericht in Brooklyn findet der Prozess gegen den ehemaligen Vitol-Direktor Javier Aguilar statt. © cc-by Ajay Suresh

USA: Hochrisiko-Prozess für Vitol, Trafigura und Gunvor

Pascal Derungs /  Die drei in der Schweiz ansässigen Rohstoffmultis stehen im Verdacht der aktiven Bestechung. Es drohen empfindliche Strafen.

Vitol, Gunvor und Trafigura sind ins Fadenkreuz des US-Justizministeriums geraten. Der Vorwurf: Aktive Bestechung von ausländischen Regierungsbeamten, um an lukrative Erdöl-Geschäfte zu gelangen. Das berichtete die Westschweizer Investigativ-Plattform Gotham City.

Im Zentrum steht der Prozess in Brooklyn gegen Javier Aguilar, einen ehemaligen, in Texas stationierten Direktor von Vitol. Ihm wird vorgeworfen, Bestechungsgelder an mexikanische und ecuadorianische Beamte gezahlt zu haben. Er bestreite dies rundweg, aber involvierte damalige Vermittler hätten belastende Aussagen über diese dunklen Geschäfte gemacht, berichtet Gotham City. Diese Enthüllungen rückten auch zwei weitere Schweizer Rohstoffkonzerne, Trafigura und Gunvor, in ein schiefes Licht.

Ein historischer Gerichtsfall um Korruption im Rohstoffhandel

«Dies ist der erste grosse Prozess gegen einen Rohstoffhändler seit mehr als einem Jahrzehnt», fasst der Nachrichtendienst Bloomberg zusammen. «Obwohl die Branche seit den Tagen von Marc Rich für Bestechung und braune Umschläge berüchtigt ist, wurden nur wenige Rohstoffhändler je wegen Korruption angeklagt und noch weniger verurteilt.» Eine Reihe von Antikorruptionsuntersuchungen in den USA, Grossbritannien, Brasilien und der Schweiz hätten zwar zu einigen Schuldeingeständnissen geführt, schreibt Bloomberg, «aber Javier Aguilar ist der erste, der vor Gericht gestellt wird.»


Lukrative Erdöldeals gegen versteckte «Gringos»

Javier Aguilar soll laut Anklage zwischen 2015 und 2020 über mehrere Mittelsmänner und Briefkastenfirmen Bestechungsgelder an ecuadorianische und mexikanische Beamte gezahlt haben. Damit habe er es seinem Arbeitgeber Vitol ermöglicht, Ausschreibungen der staatlichen Ölgesellschaften Petroecuador und Pemex zu gewinnen. Um die Illegalität dieser Zahlungen in US-Dollar zu verschleiern, so Gotham City, hätten die Vermittler Codewörter verwendet: «Schuhe», «Medikamente», «Kaffee» oder «Gringos».

Die Strategie der Prozessvermeidung greift diesmal nicht

Bereits im Dezember 2020 habe die Firma Vitol zugegeben, Beamte in Brasilien, Mexiko und Ecuador bestochen zu haben. Gemäss Gotham City erklärte sich der Konzern bereit, 164 Millionen US-Dollar zu zahlen, um die Ermittlungen in den Vereinigten Staaten und Brasilien zu beenden. Javier Aguilar habe damals jegliche Schuld von sich gewiesen und behauptet, als Sündenbock für seinen ehemaligen Vorgesetzten Marc Ducrest vorgeschoben worden zu sein. Zu einer strafrechtlichen Verfolgung sei es damals nicht gekommen, so Gotham City.

Diese Version des ehemaligen Direktors steht jedoch im Widerspruch zu den jüngeren Aussagen mehrerer ehemaliger Vitol-Mittelsmänner. Diese werden vom US-Justizministerium ebenfalls strafrechtlich verfolgt. In der Hoffnung auf Strafmilderung hätten sie Javier Aguilar schwer belastet. Er soll die fraglichen Bestechungsgelder über ein Geflecht von Offshore-Firmenkonten geleitet haben.

Der Fall Vitol scheint nur die Spitze des Eisbergs zu sein

Einer der involvierten Mittelsmänner, Nilsen Arias, habe bei seiner Vernehmung erklärt, nicht nur von Vitol, sondern auch von anderen Handelsfirmen Bestechungsgelder erhalten zu haben, darunter Trafigura und Gunvor. Letztere sollen – angeblich «unwissentlich» – staatliche Ölgesellschaften als Fassade benutzt haben, um die Art der Zahlungen zu verschleiern. Dies berichtete die Wirtschaftsnewsdienst Bloomberg (lesen Sie hier und hier).

Vitol soll Oman Trading International (heute OQ Trading) genutzt haben, das sich im Besitz des Sultanats Oman befindet. Trafigura soll seine Zahlungen über die uruguayische Nationalgesellschaft Ancap abgewickelt haben. Gunvor hingegen soll Unipec, eine Einheit des chinesischen Riesen Sinopec, und das thailändische Unternehmen PTT genutzt haben.

Reumütige Mittelsmänner dienen der Anklage als Kronzeugen

Zwei weitere Vermittler, die Pere-Brüder, bestätigten diese Version. Sie hätten erklärt, dass sie als korrupte Vermittler für diese Handelshäuser in Ecuador gedient hätten, schreibt Gotham City. Allein von Gunvor sollen sie 97 Millionen US-Dollar erhalten haben. Antonio Pere habe alle Aktivitäten in Tagebüchern festgehalten. «Antonio Pere war extrem akribisch. Er rechnete genau, schrieb seine Gespräche auf und zeichnete jede seiner täglichen Aufgaben auf», berichtete die Zeitung Expreso. «Heute sind seine Tagebücher ein detaillierter Bericht über die Ölkorruption in Ecuador.»

Auch verdächtige Zahlungen von Trafigura an Pere wurden enthüllt. Grundlage waren Daten aus den Panama und Pandora Papers und die Recherchen der ecuadorianischen Tageszeitung El Universo sowie der Plattform Connectas.

Unsaubere Geschäfte gab es auch in Venezuela

Laut der Aussage des Mittelsmanns Lionel Hanst vor dem US-Justizministerium habe Vitol nicht nur an ecuadorianische und mexikanische, sondern auch an venezolanische Beamte Bestechungsgelder gezahlt, berichtet Gotham City. Dies sei geschehen, um Verträge mit Citgo Petroleum, einer Tochtergesellschaft der staatlichen Ölgesellschaft PDVSA, zu erhalten.

Das US-Justizministerium hat noch nicht alle Trümpfe auf den Tisch gelegt. In seiner Anklageschrift gegen Aguilar schwärzte es den Namen eines «Mitverschwörers», eines Händlers mit spanischer Staatsangehörigkeit und Wohnsitz in der Schweiz. Auch die Namen zweier in diesen Korruptionsfall verwickelten Unternehmen wurden unkenntlich gemacht: ein «Grosshändler und Vertreiber von Mineralölprodukten mit Sitz in der Schweiz» und «ein Transportunternehmen für Mineralölprodukte mit Sitz in der Schweiz».

Die Schweizer Rohstoffmultis halten sich bedeckt

Auf Anfrage von Gotham City habe ein Trafigura-Sprecher erklärt, dass «Trafigura keine Partei in dieser Angelegenheit ist und sich nicht zu laufenden Gerichtsverfahren äussern wird, an denen andere Parteien beteiligt sind.»

Ein Sprecher von Gunvor habe ausgeführt, dass die Gruppe Schritte unternommen habe, «um den Einsatz von Vermittlern für kommerzielle Entwicklungszwecke insgesamt zu verbieten». Gunvor habe bei den Ermittlungen des Justizministeriums uneingeschränkt kooperiert und werde dies auch weiterhin tun. Doch wie die Zeitung Le Temps berichtete, habe Gunvor bereits 600 Millionen Dollar für eine mögliche Geldstrafe gegen das Unternehmen zurückgelegt.

Vitol habe erklärt, dass es «keinen Kommentar zu diesen laufenden Gerichtsverfahren abzugeben» habe. Auch die Schweizer Bundesanwaltschaft hat eine Untersuchung zu Transaktionen mit Bezug zu Ecuador eingeleitet. Dabei gehe es lediglich um die Frage, ob auf schweizerischem Boden Straftaten begangen worden seien, schreibt Gotham City.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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