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1600 Franken im Monat für die 36 Blechbüchsen: Postfächer in Sessa © cm

Schweizer Post: 45 Franken pro Monat fürs Postfach

Christian Müller /  Wo Briefe oder Pakete verschickt werden, zahlt der Versender. Doch jetzt kassiert die Post auch vom Empfänger, also doppelt.

Die Grundphilosophie ist klar: Wird ein Brief oder ein Paket verschickt, zahlt derjenige, der den Brief oder das Paket verschickt. Nur gerade bei zurückgeschickten (und gewissermassen vorfrankierten) Geschäftsantwortbriefen zahlt der Empfänger: die Firma, der Verein oder die Amtsstelle nämlich, die eine Antwort auf eine vorangegangene Mitteilung haben möchten. Das ist – als Spezialfall – klar geregelt.

Der Normalfall ist, dass die Post den Brief oder das Paket an die Hausadresse des Empfängers bringt. Wer allerdings nicht auf den Briefträger warten will, bis er seine Post anschauen kann, kann sich ein Postfach nehmen. Für die Post ist das ein willkommenes Geschenk, denn die Arbeit, den Brief oder das Paket an die Hausadresse des Empfängers zu bringen, entfällt. Die Hauszustellung der Post ist nämlich ein relativ teurer Teil des ganzen Transportes. Nicht zufällig ist schon vor etlichen Jahren die Vorschrift in Kraft getreten, dass die privaten Briefkästen an der Strasse sein müssen und nicht irgendwo am Haus angebracht oder im Garten des Hauses versteckt sein dürfen.

Schluss mit dem Service public-Denken!

Ein dreistelliger Millionengewinn pro Jahr genügt dem Staatsbetrieb Post, der mehr und mehr nach privatwirtschaftlichen Kriterien organisiert ist und geführt wird, allerdings noch nicht. Denn er hat ein Problem: Der als Folge des Internets rückläufige Briefpost-Umsatz muss irgendwie kompensiert werden, und sei es auch unter Missachtung jeden gesunden Menschenverstandes. Meint zumindest die Post.

Ein Beispiel? In einem Nachbardorf von Luino (Italien) am Lago Maggiore hat Dr. U., ein Deutscher, seit den 1970er Jahren ein Ferienhaus. Da die italienische Post nicht gerade für Schnelligkeit und Zuverlässigkeit berühmt ist, hat er auf der Schweizer Seite der Grenze, im Tessiner Dorf Sessa, ein Postfach. Und dies seit vier Jahrzehnten. Gratis, versteht sich. Denn die Post verdient ja an den Briefen, Paketen und Zeitungen, die frankiert dorthin geschickt werden.

Dieser Tage allerdings erhielt Dr. U. die Mitteilung, sein Postfach koste künftig 552 Franken im Jahr. 554 Franken! Eine Rückfrage bei der Postzentrale in Bern ergab: Ein «Postfach Extra» kostet die ersten drei Monate CHF 147.-, die folgenden drei Monate CHF 135.-, und so weiter. Das ergibt CHF 552.- fürs erste Jahr und immer noch CHF 540.- für die folgenden Jahre. Oder umgerechnet CHF 45.- pro Monat! Für 45 Franken pro Monat kann man sich aber in ländlichen Gegenden eine Garage für sein Auto mieten, entspricht es doch der Verzinsung eines Investments in Höhe von 15’ bis 20’000 Franken.

Die Post kassiert also doppelt, und wie! Nehmen wir an, Dr. U. hat die Süddeutsche Zeitung abonniert. Die Süddeutsche Zeitung zahlt der Post den ganz normalen Preis, ob die Zeitung nun an eine Hausadresse in Sessa oder an ein Postfach in Sessa adressiert ist. Die Kosten des Transportes der Zeitung sind also bezahlt – vom Sender, wie dies eben im Normalfall so ist. Da nun Dr. U. aber ein Postfach hat, zahlt er seinerseits zusätzlich CHF 45.- im Monat oder CHF 1.50 am Tag für die Blechbüchse, deren Einstandspreis bei 10 bis 20 Franken pro Einzelfach liegen dürfte. Sollte er zahlen… Ein Abriss in Reinkultur!

Ein lukratives Geschäft für postnahe Private

Dr. U. wird das Angebot der Post selbstverständlich nicht annehmen. Denn nichts ist einfacher, als seine Post umzuadressieren: entweder an einen anderen Postfach-Inhaber am gleichen Ort oder an einen Dorfbewohner, der nahe der Post wohnt. Mit einem ist er bereits im Gespräch. Und der clevere Tessiner ist seinerseits bereits am Abklären, wie viele Opfer der neusten Post-Abzockerei etwa zu erwarten sind. «Ich stelle gern vor meinem Haus ein Postfach-ähnliches Gestell auf, male es statt hellgrau zum Beispiel gelb an, und alle bisherigen Postfach-Benutzer, die jetzt in absurder Weise zur Kasse gebeten werden sollen, können ihre Adresse auf – zum Beispiel – «Hans Meier c/o Bernardo Galli*» in Sessa abändern. Ich bin schon mit CHF 4.50 pro Monat, also dem zehnten Teil des Posttarifs, mehr als zufrieden.»

Mal sehen, wie lange die Post es sich leisten kann, ihre Dienstleistung doppelt zu verrechnen und einen solch absurden Preis für ein Postfach aufrechtzuerhalten. Bei dessen Einführung stand offensichtlich noch die alte Monopol-Denke Pate, aber gleichzeitig bereits auch die neue, privatwirtschaftliche Gewinn-Philosophie. Die Post hat privatwirtschaftliches Blut geleckt.

(*Name von der Redaktion geändert).


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

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Was alles zum Service public gehört

Wo hören Privatisierungen auf? Was muss unter Kontrolle des Staates bleiben? Wo genügt strenge Regulierung?

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3 Meinungen

  • am 29.12.2012 um 17:25 Uhr
    Permalink

    Und laufen dann verschiedene Adressen auf ein Postfach, wird für jede Adresse Geld verlangt. Die Folge: Ich lasse mir jetzt für die etwa zehn Leute und Firmen, die vorher ein Fach geteilt haben und die Post selber heimschleppten, alle Zusendungen in den Briefkasten zuhause liefern. Das ergibt für die Post einen ziemlichen Mehraufwand, für uns aber ists gratis. Soviel zu der absurden Post-Preispolitik, die hier endich jemand thematisiert hat…

  • am 31.12.2012 um 14:37 Uhr
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    Ich finde die Art und Weise, wie die Post zu Geld kommen will jenseits von Gut und Böse!!!
    Mein Rat: alle Postfachmieter kündigen dieses bei der Post und dann hätte die Post die Rechnubng ohne den Wirt gemacht! Wäre mal gespannt, wo die Post dann wiederum versuch Kasse zu machen.

  • am 14.01.2013 um 15:12 Uhr
    Permalink

    Genau so wie dem Herrn Dr. U. in Luino ging es mir mit einer Wohnung im Ausland und einem seit vielen Jahren Gratis-Postfach im nahen Schweizer Grenzdorf. Auf Antraten der Kundendienstselle der Post habe ich meine Tessiner Adresse auf POSTE RESTANTE umgeändert, was zwar für ein paar Monate etwas kostet aber nachher nichts mehr. Die Post hat natürlich damit viel mehr Arbeit. Ich habe den Vorteil, dass eingeschriebene Sendungen nun einen ganzen Monat auf der Poststellen bleiben, anstatt schon nach 7 Tagen wieder an den Absender zurückzugehen. Das ist sehr angenehm, weil man ja nicht dauernd da ist. Natürlich kann ich die Post nur noch während den Schalteröffnungszeiten abholen. Da die Post ihr Personal knapp hält gibt es manchmal lange Warteschlangen. In Locarno oder auf grösseren Poststellen in Italien gibt es Platznummern. Man kann also auf die Post gehen, einen Zettel ziehen, in der Nähe andere Einkäufe tätigen und, wenn man richtig gepokert hat, gerade zur rechten Zeit an den Schalter eilen.

    Eigentlich wollte ich beim Preisüberwacher eine Meldung erstatten, aber die für die Post umständlichere, für mich letztlich etwa gleichwertige Gratislösung hat mich vor einem solchen ärgerlichen Schritt bisher abgehalten.

    Andreas Speich, 14. Januar 2013

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