Flucht ins All: Das abgehobene Credo der Tech-Milliardäre
Die Tech-Milliardäre aus dem Silicon Valley ziehen in der Trump-Regierung die Fäden. Auch wenn Elon Musks Freundschaft mit Donald Trump den Sommer nicht überlebt hat, pilgerten Tech-Bosse wie Jeff Bezos, Mark Zuckerberg (von Facebook) oder Marc Andreessen und Sam Altman (von OpenAI) nach dem Wahlsieg von Donald Trump nach Mar-a-Lago und begannen, ihre wirtschaftliche Dominanz mit dem Einfluss auf die Politik zu verbinden.
Mehr Investitionen, weniger Regulierungen
Die «NZZ» brachte es mit einer Schlagzeile auf den Punkt: «Mehr Investitionen, weniger Regulierung und schon gar keine Wokeness: Amerikas neue KI-Strategie ist der wahr gewordene Traum des Silicon Valley.» Gemeinsam mit Trump sind die Tech-Mogule der Meinung, dass die Märkte durch die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI) entfesselt werden. Staatliche Regulierungen, welche KI einschränken könnten, gelten als Hindernis und werden strikt abgelehnt.
High Tech und Science-Fiction

Welche Ideen die mächtigsten Tech-Mogule dieser Welt vertreten, hat der Wissenschaftsjournalist Adam Becker in seinem neuen Buch beschrieben. Er beleuchtet ihre Träume von einer digitalen Welt, die von der Entwicklung künstlicher Intelligenz angetrieben wird. Schon der Klappentext hört sich wie Science-Fiction an: Techmilliardäre wie Elon Musk, Jeff Bezos, Sam Altman haben entschieden, unsere Zukunft zu bestimmen – und zwar eine, die durch fantastische Technologien verwirklicht wird: Billionen von Menschen, die im Weltraum leben, unsterblich sind und Unterstützung durch superintelligente KIs erhalten. Man kann dies als Spintisieren auf hohem Niveau sehen oder als Vermischung der Realität mit den Fantasien nach dem Vorbild von Science-Fiction Autoren. Adam Beckers Buch zeichnet im Detail nach, was sich hinter der Ideologie der Tech-Bewegung verbirgt.
Die «transhumanistische Vision»
Eine der Schlüsselpersonen des Silicon Valley, wenn es um Zukunftsentwürfe für die Menschheit geht, ist Eliezer Yudkowsky, der Gründer des «Machine Intelligence Research Institute» (MIRI), einem Think-Tank für künstliche Intelligenz. Seine Idee einer «transhumanistischen Zukunft» bedeutet, dass sich die Menschheit mit Hilfe von künstlicher Intelligenz selbst transformiert, um Wege zu finden, die Grenzen des menschlichen Körpers zu umgehen. Krankheit, Alterung und Tod sollen überwunden und Intelligenz sowie andere geistige Fähigkeiten radikal gesteigert werden. Das Ziel liegt dabei buchstäblich in den Sternen. Hier sollen wir über unsere biologischen Grenzen hinauswachsen und das Universum als intergalaktische Zivilisation gestalten.
Entscheidend an dieser Vision ist jener Moment, an welchem die künstliche Intelligenz jene der Menschen zu übertreffen beginnt. Ray Kurzweil, KI-Prophet und Leiter der technischen Entwicklung (Director of Engineering) bei Google, hat diesen Punkt in seinem Buch «Die nächste Stufe der Evolution» die «Singularität» genannt und setzt diese spätestens mit dem Jahr 2045 an. Sobald wir die künstliche Intelligenz so weit entwickelt haben, wird diese die Steuerung selbst übernehmen – und das viel schneller, als wir es denken. Mit Hilfe dieser Artificial general intelligence (AGI) wird die Menschheit alle Probleme, die uns gegenwärtig bedrängen, in kurzer Zeit lösen können. Kurzweil nennt Beispiele wie die Reduktion von Schadstoff- und CO₂-Emissionen bis hin zu KI-gesteuerter Landwirtschaft, die ohne Chemikalien auskommt und günstige, hochwertige Lebensmittel produziert.
Sam Altman, der Boss von OpenAI, ist ganz auf dieser Linie und teilt, wie Becker berichtet, diese Euphorie. Für ihn ist der technologische Fortschritt, den wir in den nächsten 100 Jahren machen, weitaus grösser als alles, was die Menschheit seit der Beherrschung des Feuers und der Erfindung des Rades erreicht hat. Laut Altman übernehmen KI-Systeme alle Dienstleistungen sowie die Fertigung und die Produktion aller Waren. Schon in naher Zukunft werden danach Computerprogramme fast alles erledigen und auch selbst neue wissenschaftliche Entdeckungen hervorbringen.
«Singularität» als Kipppunkt
Doch die Sicht auf eine Welt, in der Milch und Honig fliessen, hat ihre Schattenseiten. Ein Teil der Technoelite sieht die Singularität eher als Tor zur Hölle an. Denn was macht uns so sicher, dass die «Allgemeine künstliche Intelligenz» (AGI), welche die Intelligenz der Menschen zu übertreffen beginnt, unsere Vorstellungen von der Zukunft teilen wird?
Yudkowsky gehört zu jenen, die befürchten, dass die Ziele der AGI nicht mit jenen der Menschen kompatibel sind. Was auch immer sie sind, sagt Yudkowsky, die Menschheit wird ihnen mit ziemlicher Sicherheit im Weg stehen – und die AGI wird uns alle eliminieren, sobald sie einen todsicheren Weg gefunden hat, dies zu tun. Eine superintelligente KI könnte sich zum Beispiel mit einem Teil der Menschen verbünden, die sich gegenseitig umbringen – um zum Schluss die alleinige Kontrolle zu übernehmen. Diese Sorge teilen viele Fachleute: Schon 2023 warnten Hunderte KI-Experten in einem offenen Brief vor der KI-Technologie. Das Risiko eines durch KI verursachten Massensterbens müsse ebenso ernst genommen werden wie die Bedrohung durch Pandemien und Atomkrieg.
Flucht in den Weltraum
Die Ängste der Techmilliardäre widerspiegeln sich in ihren Plänen zur Besiedelung des Weltraums. Jeff Bezos und Elon Musk investieren Milliarden in ihre Weltraumunternehmen. Auf der Website von Blue Origin, dem Unternehmen von Bezos, heisst es dazu: «Blue Origin bedeutet ‘Erde’. Wir stellen uns eine Zukunft vor, in der Millionen von Menschen im Weltraum leben und arbeiten werden, mit einem einzigen Ziel, die Erde, unseren blauen Ursprung, wiederherzustellen und zu erhalten.» Für Elon Musk und sein Unternehmen Space X steht dagegen die Kolonisierung des Mars im Zentrum. Den Roten Planeten zu besiedeln, ist für ihn nichts weniger als ein Rettungsplan für die Menschheit – eine zweite Heimat, wenn Katastrophen wie Asteroiden, Atomkriege oder eine ausser Kontrolle geratene KI das Leben auf der Erde bedrohen. Der bevorzugte Plan von Musk sei es, erst wenige Menschen zum Mars zu bringen, dann aber immer mehr. Bis 2050 sollen es eine Million Menschen sein.
Adam Becker, selbst von seiner Herkunft Astrophysiker, hält solche Pläne für total unrealistisch. In einem Interview mit der deutschen «taz» hält er fest, ein Leben auf dem Mars sei unmöglich. Die Strahlung sei enorm, die Schwerkraft zu niedrig. Es gebe keine Luft und die Oberfläche sei bedeckt mit giftigen Perchloratverbindungen. Sein Fazit: «Unser Planet wäre selbst mit einem so schlimmen Asteroiden wie dem, der vor 66 Millionen Jahren alle Dinosaurier umbrachte, eher bewohnbar als der Mars. Es gibt im Grunde nichts, was der Erde passieren könnte, was sie zu einer schlechteren Option machen würde als den Mars.»
Becker argumentiert dabei ähnlich wie der Medientheoretiker Douglas Rushkoff in seinem Buch «Survival of the Richest»: Rushkoff wirft der Tech-Elite vor, sie plane systematisch die Flucht vor den Konsequenzen ihres eigenen Handelns. Anstatt die von ihr verursachten Probleme zu lösen, investiere sie in Luxusbunker, schwimmende Städte und virtuelle Mars-Kolonien. Rushkoff kritisiert das «Mindset» dieser Elite, ihre technokratische Weltsicht, die davon überzeugt ist, mit genug Geld und Technologie den Gesetzen von Natur, Wirtschaft und Moral entkommen zu können.
Der quasi-religiöse Mythos der Tech-Elite
Doch am Ende geht es, so Becker, weniger um Wissenschaft als um den quasi-religiösen Glauben der Tech-Elite. Dieser bewegt sich nach dem Muster eines binären Algorithmus zwischen zwei Extremen: Entweder führt uns die KI in das Paradies oder in das Verderben. Dieser Glaube ist irrational und lässt keine Grautöne und Differenzierungen zu. Für Adam Becker sind es Phantasien dieser Milliardäre, die sie mit unbegrenzten finanziellen Mitteln verfolgen.
Sein Fazit in der «taz»: «Dass wir als Spezies die globale Erwärmung bekämpfen müssen, bezweifelt fast niemand mehr. Wer oder was hält uns davon ab, den Klimawandel anzugehen? Die Personen, die diese riesigen Unternehmen leiten. Genauso wissen wir, dass wir etwas tun müssen, um die Demokratie zu verteidigen. Was hindert uns daran? Die Milliardäre.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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