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Wenn wir Klimaschäden, Gesundheitsfolgen, Wasser- und Bodennutzung mitbezahlen würden, wären Lebensmittel im Laden teurer, zeigte Penny 2023. © Penny

Penny-Aktion «Wahre Kosten» schärfte Konsumentenbewusstsein

Daniela Gschweng /  Im Juli 2023 verlangte Penny für neun Produkte den «wahren» Preis. Kunden bezahlten ihn überraschend oft, zeigt die Auswertung.

Bei der «Wahre-Kosten-Aktion» des deutschen Discounters Penny kassierte der Supermarkt im vergangenen Sommer für einmal das, was Lebensmittel tatsächlich kosten würden. Die «Wahren Preise» beinhalteten auch Umwelt-, Gesundheits- und Folgekosten. Produkte wie Würstchen wurden so bis zu doppelt so teuer, Bioprodukte hingegen kaum teurer.

Die einwöchige Aktion, die neun Produkte betraf, erregte grosse Aufmerksamkeit. Nun liegt die Auswertung der Technischen Hochschule Nürnberg und der Universität Greifswald vor, die den «Umweltaufpreis» berechnet hatten. Das überraschendste Ergebnis: Erstaunlich viele Kundinnen und Kunden bezahlten den Aufpreis. Die Verkaufszahlen sanken nicht so stark wie erwartet.

Spende an Bauernhöfe motivierte viele Kunden

Eine grosse Rolle spielte dabei ihre Spendenbereitschaft, fanden die Forschenden, die vor und nach der Aktionswoche insgesamt 2255 Personen befragten. Die Mehreinnahmen von 320’000 Euro und eine 50’000-Euro-Spende des Rewe-Konzerns, zu dem Penny gehört, flossen in ein Projekt zum Erhalt familiengeführter Bauernhöfe im Alpenraum.

83 Prozent der befragten Kund:innen, die die teureren Produkte kauften, gaben an, die Spende habe sie dazu motiviert. 93 Prozent kauften die True-Cost-Artikel, weil sie sie immer kaufen, 86 bezahlten auch aus Nachhaltigkeitsgründen. 523 befragten Personen (85 Prozent) waren die ehrlich bepreisten Artikel zu teuer.

Grosse regionale Unterschiede im Kaufverhalten

Der Preis hatte noch eine andere Steuerungsfunktion. Der Verkaufsrückgang fiel bei den Bioprodukten und einem veganen Produkt geringer aus. Diese hatten einen kleineren «Umweltaufschlag». Wie dieser zustande kommt, hat «Infosperber» hier ausführlich aufgeführt.

Im Osten Deutschlands gingen die Verkaufszahlen um bis zu 70 Prozent zurück, fasst die dpa zusammen, im Westen waren es nur 50 Prozent. Diese regionalen Unterschiede könnten auf verschiedene Faktoren wie Einkommen oder Interesse an Nachhaltigkeit zurückgeführt werden, kommentierten die Forschenden.

Ein voller Erfolg war die Aktion für die beteiligten Forschungseinrichtungen. Vor allem wegen der begleitenden Wissenschaftskommunikation und dem grossen Medieninteresse. Man habe allein in der Kampagnenwoche 1200 Medienartikel gezählt, geben die Forschenden in einer Pressemeldung der TH Nürnberg an.

Befragte bescheinigen «Wahren Kosten» politisches Potenzial

Die Studie zeigte, dass 64 Prozent der Befragten von «Wahre Preise» wussten, obwohl nur ein Drittel von ihnen regelmässig bei Penny einkauft. Rund die Hälfte gab an, dass «Wahre Preise» ihr Bewusstsein für die wahren Kosten von Lebensmitteln geschärft habe. 46 Prozent der Befragten stuften die Aktion als reines Marketing ein.

«Wahre Preise» habe zu einem weitreichenden gesellschaftlichen und politischen Diskurs bezüglich aktueller Probleme im Ernährungssystem geführt, resümierten die Forschenden. Zwei Fünftel der Befragten halten es für möglich, dass die Penny-Aktion politische Auswirkungen hat.

Umweltbedingte Mehrkosten würden jetzt realistischer eingeschätzt, sagt Projektleiter Tobias Gaugler, der sich über die gewonnenen Daten aus dem Projekt freut. Gleichzeitig gebe es bei den Kundinnen und Kunden noch immer keine Unterscheidung zwischen verschiedenen Produkten und deren Umweltfolgekosten. Einfacher gesagt: Es fällt vielen Leuten noch immer schwer, Produkte wie Bio-Joghurt und Wiener Würstchen nach ihrem Umweltauswirkungen zu unterscheiden. Da müsse weiterhin Bildungsarbeit geleistet werden. Wiederholen will Penny die Aktion nicht.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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Eine Meinung zu

  • am 5.03.2024 um 12:12 Uhr
    Permalink

    «Im Osten Deutschlands gingen die Verkaufszahlen um bis zu 70 Prozent zurück…» – ich lese das mit Stolz, denn es ist eine reine Vergackeierung der Konsumenten um schlechtes Gewissen zu schüren. Dafür waren wieder Kohorten an «Forschenden» – vielleicht bedeutet hier die Verwendung des partizipialen Substantivs statt der generischen Maskulinform, dass die Forscher-Tätigkeit nur zeitweilig war, denn die Ermittlung der «wahren» Kosten halte ich für propagandistischen Humbug – und Presseleuten im Einsatz. Penny freut sich über die Werbung. Ein Lenkungseffekt ist nicht vorhanden. Viel Lärm und Geld um nichts also.

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