Kommentar

Vom Umverteilen des starken Frankens

Hanspeter Guggenbühl © bm

Hanspeter Guggenbühl /  Tiefere Unternehmenssteuern stärken den Franken. Was den einen dient, schadet den andern.

Es war nicht die Tat, sondern die Unterlassung, mit der die Nationalbank am 15. Januar Politik und Wirtschaft «schockierte»: Sie unterliess es, den Mindestkurs der Schweizer Währung weiter zu verteidigen. Als Folge davon erhöhte sich der Wert des Franken gegenüber dem Euro im Durchschnitt um 13 Prozent.

Seither debattieren Leute aus Wirtschaft und Politik über das Unglück, dass die 13-prozentige Aufwertung der Schweiz bringt. Die Mitglieder des Nationalrats nutzten letzte Woche die Gelegenheit, um ihre alten Parteiprogramme neu zu begründen, und die Konjunkturforscher des Bundes korrigierten ihre Wachstumsprognosen nach unten. Etwas vergessen ging und geht dabei, wie sich Unglück und Glück verteilen.

Zu den Verlierern gehören erklärtermassen die Exportwirtschaft und der inländische Tourismus. Dabei ist aber zu differenzieren: Viele Unternehmer wälzen das Unglück auf ihre Angestellten ab, indem sie deren Arbeitszeit bei gleichem Lohn verlängern, sie mit Euros entlöhnen oder in die Arbeitslosigkeit entlassen. Begrenzt leidet auch die Konjunktur: Statt um 2,4 Prozent, so prophezeiten am Donnerstag die Experten des Bundes, werde die Schweizer Wirtschaft 2015 «nur» um 0,9 Prozent wachsen. Weil die Bevölkerung weiter wächst, dürfte sich das BIP pro Kopf auf dem Niveau von 2014 stabilisieren.

Neben Verlierern gibt es die Gewinner. Zu ihnen zählen die Aktienbesitzer; der Schweizer Aktienindex SMI stieg letzte Woche über den Kurs, den der SMI vor der Frankenaufwertung notierte, und er liegt nur noch geringfügig unter dem Tages-Höchststand im Jahr 2007. Ebenfalls profitieren können Importeure – von den Ölverbrauchern über die Autohändler bis hin zu Leuten, die ihre Lebenszeit nutzen, um mit billigem Sprit zum Einkaufen nach Konstanz zu fahren.

Glück erwartet schliesslich die Besitzer von Firmen, die hohe Profite machen (die Tourismusbetriebe in den Berggebieten gehören eher nicht dazu). Denn der starke Franken macht Druck für die vom Bundesrat beantragte Steuerreform III, welche die Steuern auf dem Gewinn der Unternehmen senkt. Aufgewertet wird damit der Wirtschafts- und Finanzstandort Schweiz. Das stärkt den Franken zusätzlich – und dürfte die Umverteilung von Glück und Unglück weiter fördern.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

FrankenMnze

Vor- und Nachteile einer Aufwertung

Ein starker Franken macht alles aus dem Ausland billiger. Dafür werden Schweizer Produkte im Ausland teurer.

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5 Meinungen

  • billo
    am 29.03.2015 um 12:55 Uhr
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    Selten mit so wenig Buchstaben so klare Aussage zum Thema gelesen. Danke!

  • am 29.03.2015 um 14:24 Uhr
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    Auch hier geht es am Ende wiederum darum, dass ein fairer Wettbewerb möglich sein muss und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen und in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt über Grenzen hinweg.
    Mit unterschiedlichen MWSt soziale gerechtigkeit herstellen zu wollen, wird dereinst ein Auslaufmodell sein. Bis es so weit ist, kommt der vollautomatische Steuerausgleichszollbeamte.
    Was die Kaufkraft betrifft, da hat man zwischen Export und Import ein echtes Problem (weil wir ausser Qualität nicht viel haben). Ueber Handel sind wir alle verbunden. Handel ist zentral und ursprünglich. Eingriffe in Preisgefüge sind delikat. Der Markt soll spielen gemäss dem Grundsatz von Angebot und Nachfrage. Nur hört dieses Spiel bei Marktmacht auf und die hat schon gewonnen. Nur wer entscheidet darüber und darunter gibt’s null Diskriminierung, womit wir wieder am Anfang, also beim Ende wären.

  • am 29.03.2015 um 22:10 Uhr
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    Ja klar, steuerparadisische Zustände stärken unsren Franken, bringen Zuwanderung, schwächen die Erwerbsarbeit. Offensichtlich alles Ziele der grössten Partei….
    BR Schneider ist stolz auf die «Lösung» der Kurzarbeit. Diese wird durch Lohnprozente, also durch Abgaben auf Schweizerische Produktion bezahlt. Müsste doch patentiert werden! Die Arbeit verteuern, um Erwerbsarbeit zu sichern. Bei hypothetisch 50% Erwerbsarbeitslosigkeit müsste jeder Lohn (nur bis 130’000 pa) mit sovielen Abgaben belastet werden, dass diese 50% Erwerbslosen unterstützt werden können.
    Die Lösung wäre doch – mindestens vorübergehend – die Lohnabgaben mit Zuschüssen aus dem Etat zu ergänzen.

  • am 30.03.2015 um 02:02 Uhr
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    … «mit dem billigen Sprit nach Konstanz zum einkaufen ? «

    Nix da, wenn sie ein Diesel fahren ist es «drüben» günstiger, also bleibt uns Schweizer nicht mal die Mineralölsteuer ! …

  • am 1.04.2015 um 21:30 Uhr
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    Und das traurige ist: Ein grossteil der Leute, die durch den starken Franken geschädigt werden, begreifen es selber nicht. Oder sie begreifen es erst, wenn es zu spät ist. Wenn sie ihren Job verloren haben und dann merken, dass dieser Verlust durch das billige Shopping in Konstanz bei weitem nicht aufgewogen wird…

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