Kommentar

Licht ins Dunkel bringt nur eine UBS/CS-PUK

Urs Schnell © zvg

Urs Schnell /  Der Nationalrat hat die Staatsgarantien abgelehnt. Das bleibt wirkungslos. Die eigentliche Arbeit für das Parlament fängt erst an.

Einer der zentralen Punkte nach der Übernahme der CS durch die UBS ist die Frage, was die CS noch wert ist. Und wie sich der Zustand der CS auf die UBS auswirken wird. Wüsste die Öffentlichkeit mehr darüber, könnte seriöser über die Too-big-to-fail-Problematik diskutiert werden. Die UBS ist gegenwärtig daran, mit internen und wohl auch externen Prüfstellen rasch Antworten zu finden. In der Öffentlichkeit hört man nichts darüber. 

Einer der Schwerpunkte ist die Beurteilung der Derivate, in denen die CS engagiert ist. Infosperber hat in einer Artikelreihe auf die Bedeutung dieser Papiere hingewiesen. Gemäss Finanzprofessor Marc Chesney belief sich der Nominalwert der Derivate bei Credit Suisse im Jahr 2017 auf 29,9 Billionen Franken. Diese Zahl überstieg das Bruttoinlandprodukt der Schweiz um das 36-Fache. 

Dieser Wert oder Unwert der CS-Derivate bildet eines der grossen Risiken, welches der Bund mit seiner Staatsgarantie von 109 Milliarden Franken abdecken muss. Wieweit sich Bundesstellen Einblick in die Prüfung der CS gesichert haben, ist nicht bekannt. 

Die Analyse ist eine Herkulesaufgabe. Im Wallstreet-Krisenjahr 2008 hatten die US-Behörden für die analytische Arbeit Blackrock beiziehen müssen, den heute grössten Finanzkonzern der Welt. Nur mithilfe von Blackrock-Topteams waren die US-Behörden imstande, Rettungspläne für die fallenden Investmentbanken Bear Stearns und Citigroup sowie den Finanzversicherungsgiganten AIG zu zimmern.

Die Grossbanken spekulieren mit hoch abstrakten Produkten im Milliardenbereich. Die Geschäfte sind äussert komplex und verlangen modernste Rechenleistungen. Doch sie sind weitgehend intransparent. Ein grosser Teil des Derivatenhandels haben Grossbanken in Schattenbanken ausgelagert, die ausserhalb der nationalen und internationalen Regulierungsvorschriften spekulieren. Kommt eine Bank ins Trudeln, springt der Staat ein. 

Für Bankencrashs wurde in den letzten siebzig Jahren immer irgendwie eine Lösung gefunden. Doch zu welchem Preis? Der letzte Supercrash von 2008 führte zu grossen sozialen Verwerfungen. Viele Länder leiden immer noch darunter. 

PUK jetzt

In der Schweiz fragen sich Politik und Wirtschaft nun, ob die neue UBS das Land nicht überfordern wird. Die Ratlosigkeit liest sich zwischen den Zeilen und macht sich bemerkbar auch in Fernsehen. Damit sind wir bei der Frage nach einer PUK.

Ja, eine PUK braucht es. Sie muss die CS wie den toten Körper eines Ertrunkenen sezieren, um herauszufinden, wie die intransparenten Geschäfte liefen. Gerade bei den Derivaten. Und beim CS-Eigenhandel. Eine PUK muss Zugriff auf die Resultate der laufenden Analyse durch die UBS bekommen. Die PUK muss ihre Untersuchungen so weit treiben, dass sie der Öffentlichkeit anschliessend Auskunft geben kann, ob die exorbitanten Spekulationsgeschäfte überhaupt einen volkswirtschaftlichen Nutzen haben. Oder ob der grösste Teil der Derivategeschäfte – was bereits ziemlich klar ist – nur den Boni-Empfängern und Aktionären nützt. 

Umso dringender stellt sich die Frage, wie eine (Gross-)Bank aussehen soll, damit der Staat sie aus der Vollkasko-Haftung entlassen kann.

Die Bankenlobby wetzt die Messer

Bereits wärmt die Bankenlobby das Uralt-Argument des Wettbewerbsnachteils auf und bringt es unter die Leute. Scharfe Regulierungen würden dem Finanzplatz Schweiz schaden. Andere Banken würden in Mitleidenschaft gezogen und und und. Wie nach 2008 in den USA, Grossbritannien, Frankreich oder Deutschland, als sich besorgte Politiker und Politikerinnen (Merkel war auch dabei) einschüchtern liessen und Angst um ihre Bankenplätze bekamen. 

Eines der schönsten Lobby-Beispiele dazu ist die über Jahre geführte Durchlöcherung des Dodd-Frank-Acts von 2010 durch die US-Grossbanken. Neue Regulierungen sollten ein «Too big to fail» in der Zukunft verunmöglichen. Der Chef von JP Morgan Chase hatte mehr als ein Dutzend Kongressabgeordnete höchstpersönlich kontaktiert, um das gewünschte Gegensteuer zu geben. Und Citicorp schrieb eine wichtige Passage der vermeintlichen Wall-Street-Gesetzgebung gleich selber um. Dies, nachdem die Bank im Sturm 50 Milliarden an Rettungsgeldern bekommen hatte.

Auch in der EU wurden vor fünfzehn Jahren Hunderte von Milliarden an Steuergeldern in die Rettung angeschlagener Banken gepumpt. Dafür sollten im Gegenzug deren hochspekulative Geschäfte gesetzlich eingeschränkt und besteuert werden. Doch die Finanzlobby verhinderte das Vorhaben weitgehend – dank dem Internationalen Bankenverband IIF unter Vorsitz des Schweizers Josef Ackermann

Lief es in der Schweiz bisher anders? Nein. Die Parlamentsprotokolle der entsprechenden Debatten in den letzten Jahren können allesamt nachgelesen werden. Besonders peinlich ist die Lektüre für die FDP. Die gegenwärtigen Kommmunikationsverrenkungen passen dazu. Devise: «Möglichst abwarten und nichts überstürzen.»

Die Schweizer Bankenlobby kann sich freuen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Journalist und Filmemacher Urs Schnell hat sich in den letzten Jahren intensiv mit dem internationalen Bankensystem beschäftigt.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Banken

Die Macht der Grossbanken

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4 Meinungen

  • am 14.04.2023 um 12:05 Uhr
    Permalink

    Wer meint eine PUK bringe Licht in’s Dunkle muss einen sehr grosser Balken vor den Auge haben. Alle Verantwortlichen dieses Debakel’s und der Fusion wissen : Ihnen wird nie was passieren,sie müssen nur dichthalten. Leitsatz in diesen Gilden:»Ich kann mich nicht mehr erinnern.»

    • Portrait_Urs_Schnell
      am 15.04.2023 um 20:20 Uhr
      Permalink

      Es geht in diesem Text nicht um die mögliche strafrechtliche Verfolgung von Einzelpersonen. Es geht um die Schaffung von Transparenz in schattenbankähnlichen Aktivitäten. Eine PUK kann Unterlagen prüfen, die gegenwärtig unter Verschluss stehen. Das ergibt Resultate, die das Parlament als Grundlagen zur Veränderung des gegenwärtigen Too-big-to-fail-Dilemmas dringend braucht.

      • am 16.04.2023 um 13:26 Uhr
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        Herr Schnell.
        Da brauchen sie aber nur die Beteiligungen der Schweizer Grossbanken alleine in der CH FinTech zu recherchieren.

        Das ist überall UBS.
        Ripple, Swissquote …..

  • am 15.04.2023 um 11:44 Uhr
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    Ich weiss nicht, wieviel man nun noch über die Machenschaften der CS herausfinden kann. Vielleicht ist es im Detail gar nicht so wichtig. Es waren ja auch massenpsychologische Effekte, die dazu führten, dass die marode CS genau zu diesem Zeitpunkt kollabierte.

    Zentral wäre, das spekulieren der Grossbanken mit «hoch abstrakten Produkten im Milliardenbereich» zu unterbinden. Vielleicht wäre nicht einmal ein direktes Verbot nötig. Vielleicht würde ein strikter Zwang zur Trennung reichen. Nach dem Motto: Wer realwirtschaftlich nützliche Bankgeschäfte anbieten will, darf mit solchen Schmuddelgeschäften nichts zu tun haben. Und wer solche Schmuddelgeschäfte tätigen will, darf keine Leistungen anbieten, deren Ausfall für die Realwirtschaft existentiell bedrohlich werden könnte.

    Und folgenden Satz hätte man fett und in grosser Schrift herausstreichen können:

    «Oder ob der grösste Teil der Derivategeschäfte – was bereits ziemlich klar ist – nur den Boni-Empfängern und Aktionären nützt.»

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