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«The Circle» hat Mühe, seine Kommerzflächen im Erdgeschoss zu vermieten. © public-domain yulan/Depositphotos

Gewerbeimmobilien-Krise: Hast Du mal einen Stutz?

Christof Leisinger /  In New York geht der Anteil an einem Bürohaus für einen Dollar über den Tresen, in Nord-Zürich sind die Leerstände hoch wie nie.

«Der jähe Absturz der Aufwertungskönige am Immobilienmarkt» – so oder so ähnlich lauteten die Schlagzeilen nach der jüngsten Pleite des Immobilienjongleurs René Benko mit seiner Signa-Holding.

Er ist kein Einzelfall: In Deutschland haben bereits etliche Immobilienentwickler Insolvenz angemeldet. In den USA werden Anteile an Bürogebäuden selbst in bester Lage von New Yorks Prestige-Stadtteil Manhattan für gerade einmal einen Dollar verscherbelt. Und auch in der Schweiz harzt das Geschäft.

Erhebliche Leerstände bei Bürogebäuden im Zürcher Umland

Das lässt sich nicht nur daran ablesen, dass die Aktien von Immobiliengesellschaften wie PSP Swiss Property, Swiss Prime Site, Allreal oder auch Zug Estates deutlich unter ihren pandemischen Hochs notieren, sondern dass selbst traditionell optimistische Maklergesellschaften wie die CBRE inzwischen von einer gedämpften Nachfrage sprechen. Im Geschäft mit Büros mache sich das verbreitete Arbeiten aus dem Home-Office ebenso negativ bemerkbar, wie die nachlassende Konjunktur oder die Pleite der Credit Suisse.

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Am Zürcher Flughafen stehen sehr viele Büros leer. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Im Zürcher Umland etwa machen sie nicht nur erhebliche Leerstände bei Bürogebäuden aus, sondern sie berichten von den «höchsten jemals gemessenen absoluten und relativen Werten» unter diesem Gesichtspunkt. Das ist bemerkenswert und erinnert an die analoge Krise in den USA. Gestiegene Zinsen, geringere Nachfrage und ein erhebliches Überangebot führten dort zu enormen Wertverlusten. Der Green-Street-Commercial-Property-Price-Index zum Beispiel ist in wenigen Monaten um mehr als 20 Prozent gefallen.

Und der Druck auf die Preise scheint anzuhalten – mit der Konsequenz, dass das Canada-Pension-Plan-Investment-Board gerade Anteile an zwei Hochhäusern in Vancouver, an einem Gewerbegebiet in Südkalifornien und an einem Sanierungsprojekt in Manhattan zu Dumpingpreisen verkauft hat. In New York ging die Beteiligung der kanadischen Pensionskassenvereinigung mit einem verwalteten Vermögen von knapp 600 Milliarden Dollar in Landeswährung zum Preis von gerade einmal einem amerikanischen Dollar über den Tresen. Längst geht die Sorge um, andere Grossinvestoren könnten mit Panikverkäufen ebenfalls einen Ausweg aus den Turbulenzen suchen.

Erträge lassen sich nicht mehr mit unverdienten «Aufwertungsgewinnen» schönrechnen

In der Schweiz mag es noch nicht so weit sein. Aber die goldenen Zeiten, in denen Immobiliengesellschaften ihre Erträge mit «Aufwertungsgewinnen» ohne eigenes Zutun schönrechnen konnten, sind auch hier vorbei. Für kotierte Immobiliengesellschaften wie etwa PSP Swiss Property bedeuten gestiegene Zinsen höhere Finanzierungskosten, die inzwischen sogar «Abwertungen» des Immobilienportfolios nötig machen: Statt auf diese Weise 125 Millionen Franken «zu gewinnen», wie im Jahr 2022, musste sie im vergangenen Jahr die Werte um gut 160 Millionen Franken reduzieren. Daraufhin ist der Betriebsertrag um 60 Prozent eingebrochen.

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Tiefe Krise bei europäischen Gewerbeimmobilien. Hier gibt es eine bessere Auflösung der Grafik.

Das Management berichtete von einer gestiegenen Leerstandsquote und davon, dass sich ein kürzlich fertiggestelltes Gebäude in der Binz allenfalls schleppend vermarkten lasse. Zum Ende des vergangenen Jahres standen dort noch 90 Prozent der verfügbaren Fläche leer. Man ist zwar branchenüblich zuversichtlich, die Schwierigkeiten zu überwinden. Aber der Blick auf die Entwicklung der Mieten zeigt, dass diese derzeit eher fallen als steigen, und die Zeiten stetig fallender Zinsen scheinen vorbei zu sein.

Tatsächlich ist der Pan-European-Commercial-Property-Price-Index des Analyseunternehmens Greenstreet in den vergangenen Monaten sogar etwas stärker gefallen als sein amerikanisches Pendant – und der Trend zeigt weiterhin nach unten. Die europäische Variante bezieht auch Transaktionen von Schweizer Immobilienfirmen in ihre Erhebung mit ein.

Erhebliche Finanzierungslücken bei gewerblichen Immobilienkrediten

Wie verschiedene Untersuchungen zeigen, hat das Interesse der Anleger an Gewerbeimmobilien in Europa in den vergangenen Monaten erheblich nachgelassen. Im Jahr 2023 halbierte sich das investierte Volumen gegenüber dem Vorjahr, während die zuvor kräftig gestiegenen Bewertungen spürbar nachgaben. Der Druck geht unter anderem von der Finanzierungsseite aus. CBRE machte Ende des vergangenen Jahres bei den von 2019 bis 2022 vergebenen gewerblichen Immobilienkrediten für die nächsten Monate eine Finanzierungslücke von knapp 180 Milliarden Euro aus. Davon sollen 47 Prozent auf Büroimmobilien und 39 Prozent auf Mehrfamilienhäuser entfallen.

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Die Mieten bei Schweizer Büroimmobilien sinken seit 2017. Hier gibt es eine bessere Auflösung der Grafik.

Nicht nur der kräftige Anstieg von Zinsen und Renditen macht sich belastend bemerkbar, sondern dazu kommt ein digitalisierungsgetriebener Strukturwandel. Faktoren wie das mobile Arbeiten, der zunehmende E-Commerce oder auch das Aufkommen der künstlichen Intelligenz verändern die Nachfrage nach Büros sowie nach innerstädtischen Verkaufsflächen. Dazu kommen erhebliche Investitionen, um die Altgebäude an veränderte klimatische Rahmenbedingungen anzupassen.

Glaubt man neutralen Fachleuten, so ist die Bewertungskorrektur bei Gewerbeimmobilien zwar fortgeschritten, aber noch lange nicht abgeschlossen. Sollte zu es weiteren Schieflagen wie bei Signa kommen, dürfte die Nachfrage nach entsprechenden Investitionsmöglichkeiten weiter nachlassen, was die Bewertungen zusätzlich belasten kann. Während kapitalstarke Anleger auf weitere Abschläge spekulieren, dürften Immobilienfonds und andere Eigentümer versuchen, unumgängliche Transaktionen in ein günstigeres Umfeld mit hoffentlich niedrigeren Zinsen und einer konjunkturellen Erholung zu verschieben.

«Hast Du mal einen Stutz» – bald auch in Zürich?

Günstigere Rahmenbedingungen sind zwar grundsätzlich möglich, aber keineswegs sicher. Wer wollte also ausschliessen, dass es auch in Zürich bald einmal heisst: «hast Du mal einen Stutz»? Vielleicht sogar beim Uetlihof 1, den die norwegischen Eigentümer noch vor kurzem für einen Milliardenbetrag an die Stadt verkaufen wollten?

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Schweizer Immobilienaktien – drängen sie sich dem Anleger wirklich auf? Hier gibt es eine bessere Auflösung der Grafik.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Eine Meinung zu

  • am 5.03.2024 um 12:01 Uhr
    Permalink

    Es mag schon sein, dass sich immer mal wieder eine Immobilienfirma verzockt und dann in Schwierigkeiten gerät. An ein grundsätzliches Ende des Preisanstieges glaube ich eher nicht. Der Büroimmobilenmarkt ist nur wenig vom Wohnimmobilenmarkt abgetrennt. Und dort ist die Nachfrage, getrieben durch hohe Platzansprüche und Zuwanderung, ungebrochen.

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