Screenshot 2023-11-17 at 08-56-26 Skimode (1973) Wintersport in der Schweiz SRF Archiv

In den 70er-Jahren gab es genug Skifahrer. Da mussten die Skigebiete noch nicht mit «dynamischen» Preisen arbeiten. © SRF

«Dynamische» Skiabo-Preise: Der wirkliche Grund

Marco Diener /  Das Gebiet Adelboden-Lenk will angeblich die Besucherströme besser lenken. Aber es geht um mehr Einnahmen. Das zeigt eine Studie.

Rund die Hälfte der Schweizer Skigebiete arbeitet kommende Saison mit «dynamischen» Preisen für Tageskarten und Skiabos. Das berichtete Radio SRF heute Morgen in seinen Nachrichten.

«Dynamische Preise»

«Dynamisch» bedeutet: Die Preise hängen in der Regel vom Buchungszeitpunkt, von der Anzahl bereits verkaufter Tageskarten und Skiabos, der Saisonphase, vom Wochentag und von der Wetterprognose ab.

Konkret: Wer früh bucht – am besten für einen Werktag im Januar – und schlechtes Wetter in Kauf nimmt, zahlt am wenigsten.

Wer hingegen zögert und sich dann angesichts des Prachtwetters doch noch entschliesst, am Stephanstag Ski fahren zu gehen, zahlt am meisten.

Neu zu den Skigebieten mit «dynamischen» – oder klarer ausgedrückt: schwankenden – Preisen gehört Adelboden-Lenk im Berner Oberland. Der Grund laut Mediensprecherin Stefanie Inniger: «Wir wollen an den Spitzentagen, an denen unsere Parkplätze, die Strassen und die Anlagen an den Anschlag kommen, versuchen, ein bisschen Gegensteuer zu geben. Und wir wollen das Skifahren in der Nebensaison preislich attraktiver gestalten.»

Stetiger Rückgang

Das ist eine eigenartige Argumentation. Denn die Skigebiete leiden nicht unter zu vielen Skifahrern, sondern unter zu wenigen. Letzten Winter verzeichneten sie 22,4 Millionen so genannte Skier Days. In den 90er-Jahren waren es deutlich über 30 Millionen. Und in den 80er-Jahren lagen die Zahlen wohl noch höher. Aber sie sind nicht mehr verfügbar.

Unter diesen schwierigen Umständen will niemand «Gegensteuer geben» – auch nicht an Spitzentagen.

«Maximierung des Gewinns»

Sara Stalder von der Stiftung für Konsumentenschutz widersprach in den SRF-Nachrichten denn auch der Mediensprecherin des Skigebiets Adelboden-Lenk. Die Skigebiete hätten nur eines im Auge: «Maximierung des Gewinns, auch wenn sie das anders begründen.»

Wetterrisiko abwälzen

Die Konsumentenschützerin hat recht. Das zeigt die Studie «Auswirkungen der neuen Preismodelle – Erkenntnisse für die Bergbahnbranche», welche die Hochschule Luzern für den Schweizer Seilbahnen-Verband erarbeitet hat.

Ziel der Bergbahnen ist es laut der Studie, die Zahlungsbereitschaft der Kunden abzuschöpfen, die Preise in der Hauptsaison und an den Wochenenden zu erhöhen und das Wetterrisiko auf die Kunden abzuwälzen.

«Preiserhöhungen diskreter möglich»

Wörtlich heisst es dort: «Dynamische Preismodelle machen Preiserhöhungen diskreter möglich.» Oder anders ausgedrückt: Die Preise sollen steigen, aber die Kunden sollen es nicht merken.

Die Preisberechnung läuft automatisiert. Doch sie kann nach Gutdünken von Hand übersteuert werden. «Meistens nach oben», wie es in der Studie heisst. Für die Skifahrer sind die Preise damit komplett unberechenbar.

«Maximalpreis hoch ansetzen»

Die Studie hält auch Tipps für die Gewinnmaximierung bereit: «Maximalpreis so hoch ansetzen, dass auch mit z. B. 10 Prozent Ermässigung der Zielertrag pro Skier Day erwirtschaftet wird: Dadurch kann den Gästen das Gefühl vermittelt werden, dass sie auch bei nur wenigen Tagen Vorausbuchung noch einen Rabatt bekommen. Maximalpreis muss jedoch als ‹einigermassen› fair wahrgenommen werden, so dass kein Abzocker-Gefühl aufkommt.»

Weniger Stellen

Zur «Maximierung des Gewinns», wie es Konsumentenschützerin Sara Stalder ausdrückt, gehört natürlich nicht nur die Erhöhung der Einnahmen, sondern auch die Senkung der Ausgaben. Die Bergbahnen könnten laut der Studie «Personal im Kassenbereich einsparen», weil mehr Tageskarten und Skiabos übers Internet verkauft würden. Zermatt habe so im Winter 2019/2020 «drei Stellen an der Kasse nicht mehr besetzt».

Übrigens: Die Studie, die helfen soll, den Skifahrern das Geld aus der Tasche zu ziehen und Personal abzubauen, wurde mit Steuergeldern finanziert. Bezahlt haben der Bund sowie die Kantone Bern, Glarus, Graubünden und St. Gallen.

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3 Meinungen

  • am 17.11.2023 um 12:40 Uhr
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    Diese versteckten Preiserhöhungen sind so offensichtlich, dass es dazu keine Studie braucht.
    Als Gipfel der Unverfrohrenheit kommt dazu, dass ich bei Top4 ein Saisonabo für 4 Regionen kaufen muss, obwohl ich nur in einer Ski fahre und auch diese Preise laufend massiv erhöht werden.
    Die grösste Gefahr für die Skiregionen ist nicht der Klimawandel sondern die Abzockerei!

  • am 17.11.2023 um 14:12 Uhr
    Permalink

    Hier haben die Bergler wohl einen Junior-Ökonomen erwischt, der seine Beratung blind aus dem Lehrbuch entnimmt. Weiter so. Dann braucht es keinen Klimawandel mehr, um die Anlagen stillzulegen.

  • am 17.11.2023 um 20:08 Uhr
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    Ja klar doch, natürlich geht es um Gewinnmaximierung. Das ist das Recht privatwirtschaftlicher Unternemungen. Dass man dabei den Kunden für blöd verkauft, passt natürlich auch ins Bild. Den Seilbahnen ist es grundsätzlich „wurscht“ wie lang die Schlange vor dem Eingang, wie überfüllt ein Parkplatz oder wie verstopft der Zufahrtsweg ist. Ja, und der Kt Bern kommt wieder einmal hinten nach, das Wallis zeigt schon lange wie das geht.

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