Migros Von uns. Von hier. Eigenmarke M-Industrie

Während Jahren warb die Migros für ihre selbst produzierten Eigenmarken-Produkte. Nun ersetzt sie diese immer mehr mit Markenprodukten. © Migros auf Youtube

Die Migros prahlte, «ohne Henkel» – doch jetzt kommt «Persil»

Marco Diener /  Mit ihren originellen Eigenmarken wurde die Migros gross. Sie bricht zusehends mit der Tradition. Jetzt sogar bei Waschmitteln.

Migros Von uns. Von hier. Eigenmarke M-Industrie Ohä Ohne Hänkel
Das Migros-Waschmittel «Ohä»: «Ohä» bedeutete «Ohne Henkel». Doch der Waschmittelhersteller «Henkel» liess den Zusatz verbieten.

1931 lancierte die Migros das Waschmittel mit dem seltsamen Namen «Ohä». Was «Ohä» bedeutete, schrieb die Migros auf die Packung: «Ohne Hänkel». Der Name sollte zeigen, dass das Waschmittel nicht von der Firma Henkel stammte, sondern aus eigener Produktion.

Ein Feigenblatt

Henkel fand den Namen weniger lustig und liess die Aufschrift «Ohne Hänkel» gerichtlich verbieten. Fortan verdeckte ein Feigenblatt den Schriftzug.

Nun kommt Henkel

Doch nun wird Henkel wesentlich mehr Freude an der Migros haben. Denn die Migros ist gerade daran, die Waschmittel «Persil» und «Perwoll» aus dem Hause Henkel in die Filialen zu bringen.

Das ist erstaunlich, denn die Migros führt im Waschmittel-Bereich mit den Eigenmarken «Total», «Elan», «Yvette» und «M-Budget» ausgesprochen beliebte und gute Waschmittel im Sortiment. Vor einem Jahr erst belegte «M-Budget Color» in einem «K-Tipp»-Test den dritten Platz — inmitten von Waschmitteln, die bis zum Sechsfachen kosten.

Die Migros sagt auf Anfrage von Infosperber: «Mit der Sortiments-Aufnahme von Perwoll und Persil erweitert die Migros ihr Angebot im Waschmittelbereich um zwei beliebte Fremdmarken.» Und sie versichert: «Hauptteil des Sortiments werden jedoch weiterhin unsere Migros-Eigenmarken sein. Es verschwinden also keine Eigenmarken.»

Doch die Erfahrung zeigt: Wenn der Platz in den Regalen einzelner Filialen knapp wird, dann verschwinden als Erstes die Produkte der Billiglinie «M-Budget», anschliessend diejenigen der Eigenmarken. Markenprodukte hingegen halten sich.

Schon letzte Woche, als es erst um Änderungen im Pfannen- und Unterwäsche-Sortiment der Migros ging, sagte der Reputationsexperte Bernhard Bauhofer dem «Blick»: «Die Eigenmarken waren lange Zeit die DNA der Migros, doch dieses Alleinstellungsmerkmal geht immer mehr verloren.» Mit der Aufnahme von Markenprodukten ins Sortiment werde die Migros austauschbar — «immer mehr wie Coop».

Viele originelle Namen

«Ohä» war übrigens nicht das einzige Produkt mit originellem Namen, das die Migros in den Anfangszeiten ins Sortiment aufnahm. Es gab auch andere. Noch heute heisst der koffeinfreie Migros-Kaffee «Café Zaun» statt «Café Hag». Und mit «Eimalzin» ahmt die Migros die «Ovomaltine» nach, indem sie sie vom Lateinischen ins Deutsche übersetzt.

Einst gab es «Mivella», bis «Rivella» das verbieten liess. Dann hiess das Milchserumgetränk vorübergehend «Surelli». «Mivella» durfte es erst wieder heissen, als die Migros das Getränk von «Rivella» produzieren liess. Inzwischen steht längst das Markenprodukt und Original «Rivella» in den Regalen.

Grosse Kampagne

Die Eigenmarken-Produkte waren für die Migros während vielen Jahrzehnten heilig. Noch 2014 lancierte die Firma eine grosse Werbekampagne unter dem Titel «Von uns. Von hier.». Mit einer ganzen Reihe aufwendiger Werbespots und einer eigenen Website.

In einer Sondernummer des Migros-Magazins stand: «Unsere Eigenmarken liegen uns besonders am Herzen. Darum stellen wir rund 10’000 Produkte auch selber her.» Die Migros feierte ihre Eigenmarken-Produkte und ihre Industriebetriebe auf 120 Seiten. Die ganze Kampagne dauerte fünf Jahre.

Heimatgefühle

Der Marketing-Kommunikationsleiter der Migros sprach sogar von seinen Heimatgefühlen: «Wenn Sie im Ausland in den Ferien sind, dann bekommen Sie überall die gleichen Marken wie bei den Konkurrenten. Da wissen Sie nicht, wo auf der Welt Sie sind. Aber wenn Sie nach Hause kommen, Risoletto-Schoggi, M-Budget-Energy-Drinks oder Total-Waschmittel wiedersehen, dann wissen Sie: Sie sind zuhause in der Schweiz.»

Das Migros-Magazin seinerseits bilanzierte in der damaligen Sondernummer: «Einzigartige, hochwertige Produkte zu günstigen Preisen sind das Markenzeichen der Migros.» Doch diesen «einzigartigen, hochwertigen Produkten» scheint die Migros schon länger nicht mehr zu trauen.

Eigenmarken verschwinden

Die Schokolade-Riegel der Eigenmarke «Blox»? Verschwunden. Die «Sunlux»-Leuchtmittel? Ebenfalls. Die «Bellena»-Kosmetika? Sind weg. Die kalorienreduzierten Produkte von «Slimline»? Nicht mehr erhältlich. Die Süssigkeiten von «Gomz». Aus dem Sortiment gestrichen.

Markenprodukte kommen

Dafür gibt’s jetzt Gummibärchen von «Haribo». Bonbons von «Ricola» und von «Sugus». Schokolade von «Lindt». Zahnpasta von «Elmex». Senf von «Thomy». Suppe von «Knorr». Wasser von «Evian». Deo von «Rexona». Windeln von «Pampers». Papiertaschentücher von «Tempo». Brotaufstrich von «Nutella». Streuwürze von «Aromat».

Und dort, wo die Migros die Eigenmarken-Produkte noch nicht aus dem Sortiment geworfen hat, werden sie zusehends verdrängt. Das zeigt sich zum Beispiel in den Getränke-Regalen, die voll mit Markenprodukten sind: «Coca-Cola», «Red Bull», «Rivella», «Orangina», «7up», «Fanta», «Elmer», «Ramseier» «Capri-Sun», «Perrier», «Contrex», «Knutwiler», «Vittel», «Adelbodner».

Die Migros-Chefs scheinen ihrer einstigen Strategie nicht mehr zu vertrauen. Stattdessen ahmen sie immer mehr den grossen Konkurrenten Coop nach.

Die Migros hat sogar «CR7»-Produkte im Sortiment

Die Migros hat mittlerweile ein erstaunliches Angebot. Sogar Parfüm und Deo der Marke «CR7» gibt es. Für Nicht-Fussball-Interessierte: CR steht für den portugiesischen Fussballer Cristiano Ronaldo. 7 ist seine Rückennummer. Ronaldo spielt seit dem Winter in Saudi-Arabien. Dort hat er einen Vertrag für zweieinhalb Jahre unterschrieben. In dieser Zeit soll er eine halbe Milliarde Franken verdienen. Macht mehr als 500’000 Franken pro Tag. Plus die Einnahmen aus Parfüm- und Deo-Verkäufen…

Eigenmarken verdrängt

Wegen der vielen Markenprodukte kommen die Eigenmarken immer stärker unter Druck. Die Konsumentenzeitschrift «K-Tipp» untersuchte vor einem Jahr das Angebot in 100 Migros-Filialen. Das Resultat anhand von drei Beispielen:

  • «Ovomaltine» war in 99 Filialen erhältlich. Das halb so teure «Eimalzin» nur in deren 60.
  • «Heinz»-Ketchup in 97 Filialen, «M-Classic»-Ketchup bloss in 28.
  • «Thomy»-Mayonnaise in 86, «M-Classic»-Mayonnaise nur in 49.

Das bedeutet: Unter dem Strich wird der Einkauf teurer. Das sahen auch die «K-Tipp»-Leser so. In grosser Zahl schrieben sie empörte Leserbriefe. Tenor: «Die Migros-Chefs denken an den Kunden vorbei.»

Die Migros manipuliert den Eigenmarken-Anteil

Im Geschäftsbericht 2019 schrieb die Migros: «Die Migros weist für 2019 einen Eigenmarken-Anteil von über 50 Prozent aus. Mehr als 220 Eigenmarken prägen das Migros-Sortiment.»

Obwohl die Migros laufend Produkte ihrer Eigenmarken aus dem Sortiment streicht und im Gegenzug viele Markenprodukte aufnimmt, stand im nächsten Geschäftsbericht: «Die Migros weist für 2020 einen Eigenmarken-Anteil von über 80 Prozent aus. 222 Eigenmarken prägen das Migros-Sortiment.»

Den Eigenmarken-Anteil erhöhte die Migros in einem Jahr von 50 auf 80 Prozent, indem sie die Spielregeln änderte. Neu zählt sie sämtliche Produkte der Labels «Migros Bio» und «Aus der Region. Für die Region» dazu. Ebenso Markenprodukte, welche nur die Migros im Sortiment hat.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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Konsumentenschutz

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8 Meinungen

  • am 15.05.2023 um 12:09 Uhr
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    Das «Artensterben» zeigt sich auch in der erwähnten Migros-Bio-Linie. Die Bio-Himbeer-Konfi z. B. finde ich nicht mehr, dafür die von Alnatura, die – nebenbei bemerkt – geschmacklich mit der von der Migros nicht mithalten kann.

  • am 15.05.2023 um 13:16 Uhr
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    Was nicht im Artikel steht, ist die Tatsache, dass die bürgerlich beherrschten Monopole die Migros von Gottlieb Duttweiler nicht belieferten, ja sogar boykottierten. Leider sind noch heute solche Trust in der Schweiz willkommen, statt verboten…
    Viele Schweizer sind immer noch dumm genug, die Fanatasiepreise dieser Abzocker zu bezahlen. Gottlob gibt es seit einigen Jahren Einkaufsmöglichkeiten über das Internet.

  • am 15.05.2023 um 15:21 Uhr
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    Im Marketing kennt man den Begriff der Kannibalisierung: im Migros geschieht das jetzt täglich. Die Eigenmarken werden durch Markenprodukte konkurrenziert. Warum? Möglichst viel (mehr) Umsatz!
    Dabei wäre der Gewinn weit wichtiger. Und da happerts. Migros hat heute ein viel zu grosses Sortiment. Schauen Sie sich mal den Bereich Körperpflege in all seinen Varianten an.
    Weshalb Migros eine solche Strategie fährt ist unerklärlich. Wer nur mal an den Logistikaufwand denkt bekommt mehr als kalte Füsse. Und die Markenartikler? Für sie «das Paradies». Auf einen Schlag die Distribution (Anzahl Läden) um Welten erhöht. Anlieferung per Palett in die Verteilzentren, den Rest bis in den Laden macht Migros selbst. Ob das bezüglich Kosten für die Migros aufgeht?

  • am 15.05.2023 um 16:27 Uhr
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    Offenbar ist die neue Generation von Category und Product Managern bei MIGROS dermassen influenct, dass sie nicht mehr an die Stärke der Eigenmarken glauben….wenn es in der MIGROS nur noch das Gleiche wie im Coop gibt, dann werden Aldi Eigenmarken der Konkurenz über die MIGROS ein Lidl singen. 😉

  • am 15.05.2023 um 21:13 Uhr
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    Die Migros-Verantwortlichen schiessen sich ins Knie. Aldi und Lidl freut’s.

  • am 16.05.2023 um 02:04 Uhr
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    Schlimm, wie die Migros zum Zombie gemacht wird. Von wem und warum? Wenn sowieso sich alles indifferenziert (Monokultur), stimmt der «Witz» vielleicht doch, dass nach der UBS-CS als nächstes die Coop-Migros «fusioniert»?
    Es scheint nichts zu nützen, dass es eine «Genossenschaft» ist und die Migros «uns» gehört; dass es sorgim.ch gab; dass ich die aktuelle «Stimmkarte» (Urabstimmung 2023) in der Hand halte (auf der ich «Nein» ankreuze, allerdings geht es dabei nur um «die Jahresrechnung 2022» und «die vorgeschlagene Verwendung des Bilanzgewinnes»). Ich vermisse Dutti. Mein Slogan für die Migros: «Ein M Mieser.»

  • am 16.05.2023 um 22:05 Uhr
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    Die «Migros Ticino» hat nicht nur mit der Tradition gebrochen, sondern ist viel weiter gegangen. Wenn ich mich nicht irre, hat die Tessiner Migros Genossenschaft in den Coronazeiten – um die Statuten zu umgehen – die «Enoteca Vinarte» gegründet, über die sie mit Wein und Spirituosen handelt. Auch nach der Mitgliederabstimmung von 2022 über die Abschaffung des Verkaufsverbots für alkoholische Getränke in den Migros-Filialen (die in der ganzen Schweiz, also auch im Tessin, abgelehnt wurde!) baute die Migros im Tessin ihre «Enoteca Vinarte»-Verkaufsstellen aus, von denen es derzeit 8 strategisch im Tessin verteilt gibt. Ich war nicht wenig überrascht, als die «Migros Ticino» kurz nach der oben erwähnten Abstimmung den demokratischen Beschluss ihrer Mitglieder de facto verhöhnte und ein volles Sortiment an Wein und Spirituosen in die Verkaufsfläche der Filiale Biasca selbst integrierte (Ehemalige Verkaufsfläche für Blumen usw).

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