embargo-stempel-rote-schmutz-dichtung-111502906

Die USA verhängen häufig Sanktionen, die auch auf Drittstaaten Einfluss haben, obwohl diese das Embargo nicht direkt unterstützen. © cc

Abwehrmassnahmen gegen Grossmächte USA und China

Monique Ryser /  Der freie Welthandel ist in Gefahr: Werden von Grossmächten unilaterale Sanktionen ergriffen, hat das Folgen für Unbeteiligte.

Der Genfer Ständerat Carlo Sommaruga (SP) ist beunruhigt: Immer häufiger verhängen Grossmächte unilaterale Sanktionen, die auch auf Drittsaaten Auswirkungen haben. Für ein Land wie die Schweiz stellen sich damit neue Probleme. In seiner Motion «Rechtlicher und technischer Schutzmechanismus gegen die extraterritorialen Auswirkungen der unilateralen Sanktionen von Drittstaaten» fordert Sommaruga einen Abwehrmechanismus. Der sperrige Titel zeigt, wie kompliziert sich die Lage darstellt.

Ein Beispiel zeigt, um was es geht: Die USA haben vor 60 Jahren eine Blockade gegen Kuba verhängt. 1996 wurden die Sanktionen mit dem Helms-Burton Act verschärft, der auch Firmen und Personen ausserhalb der USA mit Strafen belegt, wenn sie gegen das Embargo verstossen. In der Schweiz führte diese Gesetzgebung mit extraterritorialer Wirkung dazu, dass Geldüberweisungen auch für Hilfswerke, die Kuba im Namen tragen, fast nicht mehr möglich sind.  Im Fall von Kuba haben verschiedene Länder und auch die EU mit einem Gegengesetz reagiert: Dieses verbietet EU-Firmen den Helms-Burton-Act zu befolgen. Ein solches Gesetz schützt die europäischen Unternehmen aber nur bedingt, Retorsionen der USA können damit trotzdem nicht ausgeschlossen werden.

Sommaruga nennt weitere aktuelle Beispiele: «Vor ein paar Monaten hat eine Schweizer Bank dem Mitbegründer eines Handelsunternehmens mit Sitz in der Schweiz die Vermögenswerte blockiert. Dies nicht wegen Verdachts auf Geldwäscherei oder Korruption, sondern aufgrund der extraterritorialen Auswirkungen der unilateralen US-Sanktionen gegen den russischen Präsidenten und sein wirtschaftliches Netzwerk. Ebenso mussten Schweizer Firmen wegen der extraterritorialen Auswirkungen der US-Sanktionen ihre Tätigkeiten im Iran beenden.»

Zurzeit sind es vor allem die USA, die mit diesem Gebaren auch Unbeteiligte bestrafen. «Aber was ist, wenn China auch noch damit beginnt? Nach dem Kalten Krieg lebten wir in einer Zeit des freien Welthandels und kommen nun wieder in eine Phase, bei der die grossen Mächte die Regeln diktieren», so der Genfer Ständerat. Der Handelskrieg zwischen den USA und China zeige die Richtung, in die es gehen könnte: «Die USA verbieten ihren Firmen, Produkte aus Gebieten mit uigurischer Zwangsarbeit in Straflagern zu importieren. Gut vorstellbar, dass China auf diesen Boykott reagiert und beispielsweise amerikanischen Firmen den Zutritt zum chinesischen Markt verbietet. Was macht dann die Schweiz?»

Eine mögliche Gegenmassnahme hat die Schweiz im Fall der US-Sanktionen gegen Iran getroffen. Das «Swiss Humanitarian Trade Arrangement» (SHTA) soll sicherstellen, dass in der Schweiz ansässige Exporteure und Handelsfirmen im Nahrungsmittel-, Pharma- und Medizinalbereich über einen zuverlässigen Zahlungskanal für ihre Exporte in den Iran verfügen. «Klar, das regelt nur Güter aus dem humanitären Bereich, aber immerhin. Besser wäre aber, eine Lösung zu haben, die alle Handelsbeziehungen unterstellt.» Sommaruga schwebt eine Art finanzielles VPN, also ein virtuelles privates Netzwerk vor, am besten in Zusammenarbeit mit der EU. Und er bringt ein alternatives Netzwerk für Finanztransaktionen ins Spiel: Heute werden der grösste Teil der weltweiten Finanztransaktionen über das Netzwerk Swift getätigt. Nach den Terroranschlägen in den USA 2001 wurde aber bekannt, dass die US-Behörden Zugriff auf die Swift-Daten haben, und als die USA 2018 einseitig das Atomabkommen mit Iran aufkündigten, forderten sie auch Swift auf, Iran vom Zahlungsverkehr abzuschneiden. Die EU wehrte sich dagegen, die USA machten Druck und Swift entschied sich, iranische Banken vom System abzukoppeln. Für Sommaruga ist klar: «Es braucht ein Zahlungssystem, das unabhängig von den USA oder anderen Grossmächten ist.» 

In der Antwort des Bundesrates auf seine Motion lehnt die Regierung die Vorschläge aber ab. «Abwehrmassnahmen im Sinne eines vom Motionär geforderten ‹finanziellen VPN› sind kaum umsetzbar. Sollte der Bund Schweizer Unternehmen die Durchführung bestimmter Transaktionen ermöglichen wollen, müsste er, aufgrund des Risikos möglicher Strafmassnahmen oder Sanktionen durch ausländische Behörden, beträchtliche Risiken übernehmen», so der Bundesrat. Und weiter: «Schliesslich könnte der Erlass von Abwehrmassnahmen die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen der Schweiz zu wichtigen Handelspartnern beeinträchtigen. Diese könnten mit Gegenmassnahmen oder Sanktionen gegen die Schweiz oder Schweizer Unternehmen reagieren. Der Bundesrat ist überzeugt, dass Probleme im Zusammenhang mit der extraterritorialen Auswirkung von unilateralen Sanktionen von Drittstaaten nur im Dialog mit unseren langjährigen Partnern und nicht durch den Erlass von Abwehrmassnahmen durch die Schweiz gelöst werden können.» So sei auch das für humanitäre Zwecke geschaffene SHTA mit dem Iran in Zusammenarbeit mit den USA entstanden.

Motionär Sommaruga hat die Hoffnung auf Bewegung in dieser Sache noch nicht aufgegeben, der Ständerat hat die Motion noch nicht behandelt und könnte sie, wie die Forderungen von «UnblockCub» auch, annehmen und ihn zum Handeln zwingen.

Ansonsten bleibt die Situation ungeklärt. Wie hatte doch Bundesrat Ignazio Cassis in der NZZaS gesagt: «Die Schweiz übernimmt keine  US-Sanktionen.» Das stimmt, es ist nicht «die Schweiz», die US-Sanktionen übernimmt, aber die Folgen muss die Schweiz trotzdem tragen, und auch die Verantwortung muss die Schweiz gegebenenfalls trotzdem mitübernehmen – siehe Kuba –, ob der Bundesrat das Embargo einer Grossmacht nun offiziell übernimmt oder nicht. Und ob er sich mit den nötigen Mittel wirklich raushält oder nicht.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

Bildschirmfoto20190518um16_38_09

Die Sanktionspolitik der USA

US-Wirtschaftsboykotte gegen Iran, Venezuela oder Russland müssen auch die Europäer weitgehend befolgen.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

2 Meinungen

  • am 31.03.2021 um 15:23 Uhr
    Permalink

    Es ist die traurige Wahrheit, dass Embargos mehr Menschen töten als offener Krieg.
    Es werden Menschen bestraft, die absolut nichts damit zu tun haben. Frauen, Kinder, Alte, Kranke, Schüler, Hungernde, Arme und Rechtlose. Das erzeugte Leid wird von uns mit einem Schulterzucken hingenommen. Ja, auch von Ihnen! Ängstlich geduckt, in der Hoffnung, nicht auch einmal auf der Verliererseite zu stehen. Bereit dem Imperium alles zu verzeihen, solange man sich selbst schadlos halten kann und nicht aus dem Wolkenkuckucksheim vertrieben wird.
    Aber könnte die Schweiz nicht entschlossener handeln. Vielleicht zusammen mit anderen aufrechten Staaten eine humanitäre Union gründen, die ethische Ziele anstrebt und sich keinen geopolitischen Ränkespielen fügt. Wo man stolz sagt: Wir dulden diese Gräuel nicht mehr und werden sie mit allen Mitteln bekämpfen. Wie wärs? Ach so…
    Schon gut, vergesst die Träume, keine Tränen bitte und kein Stolz.

  • am 31.03.2021 um 17:05 Uhr
    Permalink

    Unsere «amerikanischen Freunde und Beschützer» sind zwar physisch kaum noch anwesend, im «wahren Leben» aber gnadenloser Ober-Befehls-Haber der «befreundeten» Länder.
    Sind wir Europäer wirklich alle so hilflos und machtlos gegen die «Umarmungen» unserer Beschützer in Übersee ?!

    Die von der EU ins Abseits gestellte Türkei zeigt uns selbstbewusst, dass wir Europäer zu «Weicheiern» geworden sind,
    indem man nach Amerikas Verweigerung, Raketen-Abwehr-Systeme zu liefern,
    eben bei Russland einkaufte –
    und Amerika zwar nachdrücklich «offizieller Empörung» zeigte,
    aber keine einzige der Art Sanktionen, welche die
    -gegenüber der Türkei ach so stolzen Europäer-
    befürchten ?müssen? und sich gefallen lassen ?müssen?

    Unser diplomatisches Selbstbewusstsein -und unsere Ehre- wird von unseren «amerikanischen Freunden» seit Jahren mit Füssen getreten und beschmutzt.

    Sind wir wirklich -im Vergleich zur viel kleineren Türkei- so schwach und ohn-mächtig ?!
    Oder im Wohlstand zu faul, fett und träge geworden, wie ein zahnloser, alter Tierpark-Löwe ?1

    Ich kann ES -beim besten Willen- nicht begreifen. — Aus meiner Sicht als Kämpfer-Natur, die lebenslang (viel riskierend) für anständigen Umgang miteinander kämpfte. Meist für Andere, Schwächere….. «Man» hat sich öfter an mir gerächt – und ich hätte es beruflich auch «weiter» bringen können. Der Luxus, ein ehrliches, aufrechtes Gesicht im Spiegel zu sehen, war «es» mir wert.

    Und «mein Europa » ? ! ?

    Wolfgang Gerlach, Ingenieur

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...