Arziona Phoenix Christian Müller

Die Sonorawüste in Arizona mit Blick auf die Metropole Phoenix. © Christian Müller

Arizona: die Wüste, das Wasser – und immer mehr Menschen

Daniela Gschweng /  Vor allem Phoenix, die fünftgrösste Stadt der USA, wächst. Das Wasser wird dabei immer knapper. Hält Arizona das aus?

Viel Sonne, kaum Regen, wenig Naturkatastrophen wie Wirbelstürme, das ist gut für Solarzellen. Energiehunger lockt immer mehr Industrie in die Wüste Arizonas. Darunter grosse Unternehmen wie Amazon und kleine wie der Schweizer Solarbetreiber Meyer Burger, berichtete «SRF Echo der Zeit» Ende Januar aus der Agglo der Hauptstadt Phoenix. Nirgends in den USA wächst die Bevölkerung so stark wie in Arizona. Fünf von sieben Millionen Einwohnern leben in Phoenix, jeden Tag kommen 200 neue dazu.

Kaum Regen, das heisst aber auch: kaum Wasser. Das Wachstum ist eine Wette gegen die Natur. Und diese könnte schiefgehen.

Ob die Wüste das aushält, hängt vom Wasser ab

Arizona sei günstiger als Kalifornien, sagt ein Kleinunternehmer, dessen Geschäfte gut laufen. Die Steuern, die Löhne und die Bodenpreise seien in Arizona deutlich tiefer.

Rund um die Hauptstadt Phoenix wird viel gebaut. Ob das Wachstum nachhaltig sei, hänge vom Wasser ab, sagt Eric Osborn, Bürgermeister der Agglomerationsgemeinde Buckeye, die bis 2040 um eine Million Einwohner wachsen soll. Die gesamte Metropolregion hatte 2020 etwa fünf Millionen Einwohner – in einer der heissesten und trockensten Gegenden der USA.

Es gebe genügend Reserven, ist Osborn überzeugt. Man müsse nur neue Wasserquellen erschliessen, sprich: mehr Grundwasserreserven ausbeuten. Dieses Grundwasser aber ist eine endliche Ressource und teilweise mehrere tausend Jahre alt.

«Acht bis zehn Prozent Wachstum» trotz Wasserknappheit

Wo neu gebaut wird, muss nachgewiesen sein, dass es auf längere Sicht genügend Wasser gibt. In der Wüste, sagt die Expertin Sarah Porter von der Arizona State University zum «SRF», verstehe man sich auf das Sparen von Wasser, und es gebe längst Entnahmepläne. Sie wartet auf die hydrologischen Gutachten der Behörden, hält die von Osborn avisierten acht bis zehn Prozent Wachstum pro Jahr aber grundsätzlich für vertretbar.

Andere sind sich da nicht so sicher. Wachsende Bevölkerung, das heisst: mehr Menschen, mehr Landwirtschaft und ein höherer Wasserverbrauch. Warum das in Arizona bisher gut ging, aber womöglich nicht mehr lange gutgehen wird, ist eine Geschichte, die geschichtlich vor einiger Zeit und räumlich in den Rocky Mountains beginnt.

Ob das Wasser reicht, hängt vom Colorado River ab

Hunderte von Messstellen überwachen dort, wieviel Schnee fällt und wie das Wetter ist und wie das Klima sich entwickelt. Das ist wichtig für einen grossen Teil der USA. Der Schnee in den Rockies sorgt für einen guten Teil der Wasserressourcen. Wenn er schmilzt, speist er unter anderem den Colorado River. Dieser wiederrum ist der Zufluss von Lake Mead und Lake Powell, den beiden grössten Stauseen im Land. Diese beiden Wasserspeicher versorgen die USA von Los Angeles bis Denver mit Wasser. 40 Millionen Menschen hängen von ihnen ab, der gesamte Südwesten der USA.

Bootstouren auf dem Lake Powell sind beliebt, die Ufer des etwa 300 Quadratkilometer grossen Stausees sind weitgehend unbebaut und touristisch attraktiv.

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Die roten Sandsteinformationen um Lake Powell sind ein beliebtes Fotomotiv. Gut sichtbar sind die Ablagerungen die zeigen, wie hoch das Wasser einst stand.

Schon vor 100 Jahren kamen sieben Staaten überein, sich die Ressourcen des Colorado River zu teilen. Neben Wyoming, Colorado, Utah, New Mexico, Nevada, Arizona und Kalifornien haben auch 30 souveräne Gemeinschaften der First Nations und Mexiko Wasserrechte. Utah, Nevada und Arizona sind die am schnellsten wachsenden Staaten der USA. Dass die Grundwasserreserven für ihr Wachstum langfristig nicht ausreichen, war schon vor Jahrzehnten offensichtlich.

Wie CAP Wasser brachte – und mehr Einwohner

Eine Lösung versprach das Central Arizona Project, kurz: CAP, ein in den 1990er Jahren fertiggestelltes, riesiges Netzwerk aus Pumpen, Kanälen und Pipelines, das Arizona und die dicht besiedelten Teile des Staates aus dem Colorado River mit Wasser versorgt. Der Zufluss sollte das schwindende Grundwasser wieder auffüllen, so der Plan. Ohne CAP wäre an vielen Stellen Wüste. Dafür gab es lange Zeit wenige Gesetze, die die Wasserentnahme begrenzen.

Derzeit trägt der Colorado River 36 Prozent zu Arizonas Wasserbedarf bei, 70 Prozent davon gehen in die Landwirtschaft. Nevada hängt nahezu zu 100 Prozent an CAP. CAP wertete viele Ländereien stark auf, schildert «Buzzfeed» am Beispiel eines Landwirts, der ein vorher völlig trockenes Grundstück kaufte und von CAP profitierte.

«Dies ist eine Krise»

Jack Smith, Wasserwirtschaftler

Die Schätzungen aus den 1920er Jahren erweisen sich heute als sehr optimistisch. Gegenwärtig sei Wasser und dessen Verteilung «das riskanteste Pokerspiel, das Sie sich vorstellen können», sagt Wasserwirtschaftler Jack Smith von der Utah State University, den «Buzzfeed» in einer zweiteiligen Serie über die Wasserprobleme Arizonas befragt hat. Die Wasserwirtschaft sei davon ausgegangen, dass sich die relativ feuchte Periode fortsetzen würde.

Es gibt also weniger Wasser als auf dem Papier.

Gegenwärtig steuert der Südwesten der USA auf eine Wasserversorgungskrise zu. Lake Powell musste 2021 erstmals stabilisiert werden. Dazu wurde Wasser aus kleineren Reservoirs weiter oben am Colorado River abgelassen. Der Südwesten leidet unter einer anhaltenden Dürre, die letzten zwanzig Jahre waren die trockensten seit 1200 Jahren. Das zeigen Baumringanalysen und hydrologische Modelle.

Erster Wassernotstand der Geschichte

Lake Powell und Lake Mead lagen 2021 bei einem Drittel ihrer Kapazität, ein historischer Tiefstand. Unter etwa 20 Prozent Kapazität gibt es keine Wasserkraft mehr, unter acht Prozent kann kein Wasser mehr gefördert werden. Die Spuren des ehemaligen Wassersstandes sind in Form von Ablagerungen an den felsigen Ufern der Stauseen deutlich sichtbar.

Letzten Sommer mussten die Bauern in Arizona das Wasser das erste Mal rationieren. 2022 wird Arizona im Rahmen des ersten von der US-Regierung festgestellten Wassernotstands 20 Prozent weniger Oberflächenwasser aus dem Colorado River bekommen als in den Jahren zuvor.

Es ist wahrscheinlich, dass der Colorado River nie mehr genügend Wasser führen wird, um seine volle Kapazität zu erreichen. Studien prognostizieren, dass der Durchfluss um ein Drittel bis zur Hälfte zurückgehen könnte.

In einem Fünftel Arizonas gibt es Gesetze, wie und wo Wasser entnommen werden darf. 1980 wurde das erste Grundwasserbewirtschaftungsgesetz entworfen. Arizona gelang es so, den Wasserverbrauch seit 1950 einigermassen konstant zu halten. Die Bevölkerung hat sich in dieser Zeit auf sieben Millionen Menschen versiebenfacht.

2025 sollte ein nachhaltiger Zustand erreicht sein, das heisst, es wird nicht mehr Wasser entnommen, als auch wieder zugeführt wird. Dieser Plan schlug fehl.

Auf Crash-Kurs mit dem Klimawandel

«Es wird nie genug Oberflächenwasser geben, … um das abgepumpte Grundwasser zu ersetzen» sagt auch die Wissenschaftlerin Kathleen Ferris, die seit 45 Jahren an der Gesetzgebung mitwirkt. Stattdessen wird wieder mehr Grundwasser gefördert, was man ja eigentlich verhindern wollte.

Im Südosten Arizonas wird Acker- und Obstbau betrieben, die Milch- und Fleischwirtschaft braucht viel Wasser, was die Grundwasserbestände leert.

Die einzige Lösung hiesse Wassersparen, danach sieht es aber nicht aus. Die Farmer wird es am härtesten treffen. Sie wussten immer, dass das Wasser begrenzt ist, schon 2023 wird es beispielsweise in Pinal County, das im Norden an Phoenix grenzt, kein CAP-Wasser mehr geben. Gerechnet haben alle aber erst mit 2030. Die Metropole Phoenix wächst dabei weiter nach Süden und verleibt sich Teile von Pinal County ein. Einwohner, die sich das Bohren tieferer Brunnen nicht leisten können, haben schon jetzt das Nachsehen.

In Cochise County im Südosten Arizonas gibt es keine Erlaubnis mehr, sich neu niederzulassen – die Wassersicherheit, die nach dem Gesetz für 100 Jahre bestehen muss, ist nicht mehr gegeben.

Für einige ist die Lösung, ihr Land an Solarfarmen zu verkaufen. Panels müssen nicht bewässert werden, bringen aber neue Anwohner nach Arizona.  

Laut Sarah Porter kann Arizona zusätzliches Wasser aus den Gebieten der Native Americans oder aus Entsalzungsanlagen zukaufen, was die Preise steigen lassen wird. Man müsse eben nachhaltig wirtschaften und mit dem Wasser vernünftig umgehen, sagt sie. 93 Prozent des Abwassers in Arizona würden recycelt. Die Frage, woher das Frischwasser in den kommenden Jahrzehnten kommen wird, beantwortet das nicht.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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