Umweltschutz: Wenn schon fliegen, dann wenigstens billig
Wer in einer Boeing 787-9 von London nach New York fliegt, verursacht laut «Google Flights» rund 409 Kilogramm CO2-Äquivalente. Gemäss «My Climate» sind es viel mehr: 1100 kg. Der «Atmosfair Airline Index» hingegen kommt auf 904 kg. Was stimmt?
Das will auch die EU-Flugsicherheitsbehörde EASA den Flugpassagieren vorrechnen. Buchen sie einen Flug, sollen sie automatisch ihren CO2-Fussabdruck erfahren – und sich dann – hoffentlich – für einen Flug mit weniger CO2-Ausstoss entscheiden. 2019 beschloss die EASA, ein «Flug-Emissions-Label» (FEL) zu schaffen. Es soll Flugpassagieren aufzeigen, wie stark sie die Umwelt verschmutzen.
Doch rund sechs Jahre später lässt dieses FEL noch immer auf sich warten. Entworfen und entwickelt wurde es laut EASA «unter Einbeziehung relevanter Interessengruppen aus der Industrie» – also mit Hilfe derer, die den Flugverkehr fördern möchten.
Fluggesellschaften können beliebige Daten angeben
«Google Flights» habe bereits angekündigt, sich auf das EASA-Flug-Emissions-Label abzustützen, wenn es verfügbar sei. «Es scheint also, dass die Fusion der beiden grossen Akteure bereits auf dem Weg ist und die Luftfahrtindustrie die Führung übernimmt», sagte der Ingenieur Pascal Mattausch in einem Vortrag, den er gestern am Deutschen Luft- und Raumfahrtkongress hielt. Das FEL «basiert auf realen Leistungsdaten von Fluggesellschaften, aber diese Daten sind geheim. Grundsätzlich können die Fluggesellschaften beliebige Daten melden. Diese werden von der EASA akzeptiert, solange sie plausibel sind», so Mattausch.
Er kritisiert, dass die bisher verwendeten Methoden, um den ökologischen Fussabdruck beim Fliegen abzuschätzen, weder standardisiert noch transparent seien. In seiner Masterarbeit, die er am Department Fahrzeugtechnik und Flugzeugbau an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg abschloss, wollte Mattausch es besser machen. Gestern wurde er auf dem «Deutschen Luft- und Raumfahrtkongress» für seine Masterarbeit ausgezeichnet. Mattausch schlägt präzisere, nachvollziehbare und transparente Öko-Label vor.
Ein Label fürs Flugzeug, eines für die Airline und eines für den Flug
Der Ingenieur geht in seiner Masterarbeit auf drei Umweltfragen in der Luftfahrt ein:
- Wie umweltschädlich ist das Flugzeug?
- Wie umweltschädlich ist die gesamte Flotte der Airline?
- Wie umweltschädlich ist der gewählte Flug?
Mattausch schlägt mehrere Label vor:
- Aircraft Label (Flugzeugtyp): In diese Berechnung fliessen der Treibstoffverbauch pro Passagiersitz und Kilometer ein, die Klimaschädlichkeit von CO2, Stickoxiden sowie klimaerwärmend wirkenden Kondensstreifen ausgedrückt in CO2-Äquivalenten, am Flughafen entstehende Emissionen und der Lärm, den das Flugzeug verursacht.
- Airline Label (Fluggesellschaft): Spitzenplätze erreichen Airlines, die vor allem Turbopropeller-Maschinen wie die ATR 72 einsetzen oder neuere, sparsame Flugzeuge wie den A320 Neo – am besten eng bestuhlt. Airlines mit vielen Sitzplätzen im Flugzeug werden als «klimafreundlicher» bewertet, verglichen mit solchen, die den Passagieren mehr Platz lassen. Nicht berücksichtigt hat Mattausch Umweltkosten, die durch den Bau neuer Flugzeuge entstehen.
- Flight Label (Flug): Dabei fällt die Flugstrecke ins Gewicht, die Anzahl der Starts, weil dabei viel Treibstoff verbraucht wird, und ob man Economy, Business oder erster Klasse bucht.
Ein Aircraft Label könnte zum Beispiel so aussehen:

Links die Berechnung für einen Flug in einer Boeing 777-300ER mit dem Triebwerkstyp GE90-115B. Der Treibstoffverbrauch pro Sitz und Kilometer ist hoch, ebenso die emittierten CO2-Äquivalente. Zudem ist das Flugzeug laut und verursacht am Flughafen mehr Luftverschmutzung, verglichen mit anderen Flugzeugen. Deshalb erhält es in allen vier Kategorien die schlechteste Bewertung «G». Unten ist ersichtlich, wie unterschiedlich ein Platz in der Economy- oder der Business-Klasse zu Buche schlägt. Zum Vergleich rechts die Berechnung für einen Airbus 320neo mit einem PW-1127G-JM-Triebwerk .
Ein grundsätzliches Problem bei solchen Berechnungen sind die Unsicherheiten: Die Triebwerkshersteller beispielsweise halten den Kraftstoffverbrauch geheim. Mattausch und seine Kollegen an der Hochschule in Hamburg haben aber Wege gefunden, den Treibstoffverbrauch trotzdem zu berechnen. Auch die Auslastung des Flugzeugs und die Zuladung fallen ins Gewicht und ob der jeweilige Flugzeugtyp optimal eingesetzt wird.
Bewertung von 50 Fluggesellschaften
Mattausch errechnete für 50 Fluggesellschaften ein «Airline Rating» zwischen 0 und 10. Was die Umweltverschmutzung betrifft, schneiden Billigflieger wie «Indigo», «Easyjet» oder «Ryanair» bei ihm um einiges besser ab als beispielsweise die «Lufthansa» oder gar «Emirates». Letztere bildet das Schlusslicht in Mattauschs Bewertung der 50 Airlines nach ökologischen Gesichtspunkten.

Turbopropeller-Maschinen schneiden besser ab
Scandinavian Airlines erreicht bei dieser Bewertung Platz 2. Beim «Atmosfair Airline Index» hingegen rangiert diese Fluggesellschaft nur im Mittelfeld. Ein Grund für den Unterschied ist, dass Scandinavian Airlines viele Turbopropeller-Maschinen einsetzt. Solche Flugzeuge unterscheiden sich bezüglich der Geschwindigkeit, Zuladung und weiteren Faktoren von den Turbofan-Maschinen. Fürs Klima wichtig ist, dass die Turbopropeller-Maschinen weniger hoch fliegen und daher keine klimaerwärmenden Kondensstreifen verursachen. Das wirkt sich in der von Mattausch erstellten Klimabilanz sehr positiv aus (siehe Grafik im Kasten unten).
Der «Atmosfair Airline Index» berücksichtigt ausschliesslich den CO2-Ausstoss von Flugzeugen. Nicht-CO2-Effekte wie der Ausstoss von Stickoxiden oder die Kondensstreifen spielen für das Klima aber eine weit grössere Rolle. Mattausch berücksichtigt diese Nicht-CO2-Effekte in seinen Berechnungen.
Zu «Billigfliegern» wie Easyjet oder Ryanair, die in Mattauschs Ranking weit oben rangieren, macht der «Atmosfair Airline Index» gar keine genauen Angaben. Die Begründung: Erstens würden viele Billig-Fluglinien Subventionen erhalten. Zweitens starten und landen ihre Flugzeuge oft an Regionalflughäfen, was längere Anfahrtswege für die Passagiere bedinge, die in die Klimabilanz einberechnet werden müssten. Allerdings: Auch grosse Fluggesellschaften werden subventioniert. Und auch dort müsste fairerweise die Anreise der Passagiere einbezogen werden.
Mattausch geht auf solche Argumente ein und schlägt einen «Multimodalen Trip Score» vor. Mit dessen Hilfe könnten Reisende am Ende vergleichen, wie umweltschädlich ihr Flug im Vergleich zur Fahrt im Hochgeschwindigkeitszug oder im Auto ist. Dort würde dann zum Beispiel die Anreise mit dem Auto an den Flughafen einfliessen. Der Preis fürs Ticket und die eingesparte Zeit würden ebenfalls berücksichtigt.
Drei Tipps um den ökologischen Fussabdruck beim Fliegen zu verkleinern
- Fliegen Sie Economy in einem voll besetzten, eng bestuhlten Billigflieger beispielsweise von Indigo, Easyjet oder Ryanair. Auch Scandinavian Airlines schneidet viel besser ab als etwa Lufthansa, Condor oder Emirates.
- Wählen Sie einen Flug mit einer Turbopropeller-Maschine vom Typ ATR-72 oder mit einem Airbus A320 Neo.
- Fliegen Sie weder sehr kurze noch sehr lange Strecken und vermeiden Sie Nachtflüge, weil diese klimaschädlicher sind als solche am Tag.

Die Frage ist jedoch, ob das eine Prozent der Weltbevölkerung, das gegenwärtig 50 Prozent der Flugzeugemissionen verursacht, bereit ist, sich einzuschränken und die Tipps zu beherzigen, um den ökologischen Fussabdruck beim Fliegen zu verkleinern. 80 Prozent der Weltbevölkerung machen (notgedrungen) vor, wie es am besten wäre: Sie haben noch nie in einem Flugzeug gesessen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Noch eine Idee: um schädliche Kurztrips zu vermeiden, halten Sie sich an eine Faustregel wie: «Ein Tag Aufenthalt pro 100km Flugdistanz». Sollten Sie also nach Asien, Südamerika oder gar Australien/Neuseeland fliegen, planen Sie ggf. mehrere Monate ein. Sie haben so auch Gelegenheit, eine Region wirklich kennenzulernen, v.a. wenn Sie innerhalb des Gebiets mit ÖV reisen. Unterlassen Sie auf jeden Fall so irrwitzige Flugreisen wie «eine Woche Badeurlaub auf den Malediven» oder «Shoppingwochenende in New York».
Da steckt meines Erachtens ein Denkfehler drin. Es ist ja nicht so, dass zuerst ein unbestreitbares Transportbedürfnis da ist, und dann die Frage, wie man es befriedigen kann.
Eher ist zuerst ein Ferienbudget, und dann schaut man, was man damit macht. Und da kommt eben wegen Easyjet & Co. die Flugreise überhaupt erst ins Spiel. Die Billigflieger haben eine gigantische Ausweitung des Flugverkehrs verursacht.
Das heisst nun natürlich nicht, dass es ökologischer wäre, First Class nach New York zu fliegen statt im Billigflieger, im Gegenteil. Aber die mit Abstand ökologischste Variante ist in jedem Falle, auf die Flugreise zu verzichten. Und diese Variante ist in den meisten Fällen absolut zumutbar.
Ja, am ökologischsten ist es immer noch, gar nicht zu fliegen.
Wir erinnern uns noch, welche Ruhe am Himmel während der Corona-Zeit herrschte. War das schön hier in der Pampa ohne den störenden Fluglärm!
Wir wohnen zwar ziemlich weit weg von Kloten, werden jedoch bis tief in die Nacht vom Lärm der Flugzeuge gestört. Zusätzlich müssen wir die Umweltverschmutzung einfach hinnehmen.
Die Fliegerei wird immer noch stark subventioniert. Also sollten die Flug-Billette teuer sein, damit möglichst wenig geflogen wird. Ich erinnere an Deutschland, wo mit dem Reisen in Regionalzügen zu einem Hit-Preis sehr viele Leute diese Reiseart genutzt haben.
Ich selber war in jungen Jahren oft zu Fuss oder mit Bahn und Frachtschiffen etc. unterwegs. Da war der der Weg schon ein Reiseerlebnis. Kürzlich hat meine Tochter mit Freunden in 15 Tagen den Umzug von Belgien nach Dänemark per Velo und Anhänger zurückgelegt. Ein ganz spezielles Abenteuer!