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Benzinmotor mit Direkteinspritzung: Alarmierender Ausstoss an krebserregenden Partikeln © GK

Abgasgifte: Vom (Diesel-)Regen in die (Benzin-)Traufe

Hanspeter Guggenbühl /  Benziner erzeugen viel mehr krebserregende Partikel als Dieselautos. Die Abgasnormen hinken dem Stand der Technik hinterher.

Die Empa-Forscherin Maria Munoz erhält den «Swiss Aerosol Award». Das meldete diese Woche die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa). Relevanter als dieser von der Lungenliga gestiftete Preis von 5000 Franken sind die Resultate über den Partikelausstoss und das krebsauslösende Potential von Benzinautos mit Direkteinspritzung, welche die Empa mit ihrem Forschungsprojekt namens GasOMEP ans Licht brachte, und für das Maria Munoz als Erstautorin jetzt den Preis entgegen nehmen konnte:

Bis 100 Mal mehr Partikel als im Dieselabgas

Die Forschungsgruppe GasOMEP unter Leitung des Chemikers Norbert Heeb, Spezialist für Emissionen und Filtersysteme bei der Empa, mass zwischen 2014 und 2016 die Abgase von sieben Benzinautos mit Direkteinspritzung (auch GDI-Fahrzeuge genannt); dies nach dem neusten, ab September 2018 gültigen Fahr- und Prüfzyklus. Den Fokus richteten sie auf den Ausstoss der winzigen Russpartikel, die unter anderem Benzo(a)pyren enthalten und damit Krebs auslösen können. Die Messresultate dieser Benziner verglichen die Empa-Leute mit den Emissionen eines Peugeot mit Dieselmotor und Partikelfilter aus dem Jahr 2013, der damals die Euronorm 5 erfüllte.

Die «ernüchternden» Resultate dieser Untersuchung fasste die Empa unter dem Titel «Partikel-Alarm für Benziner» schon im Mai 2017 mit folgenden Worten zusammen: «Jeder der getesteten Benziner stiess 10- bis 100-mal mehr feine Russpartikel aus als der zum Vergleich gemessene Diesel-Peugeot mit Partikelfilter. Die Partikel aus den Benzinmotoren sind im Mikroskop ähnlich klein wie Russpartikel, die den Diesel einst in Verruf brachten.»

Benzinmotoren mit Direkteinspritzung erlauben – im Unterschied zu den Benzin-Saugmotoren – hohe Leistung mit tiefem Hubraum und damit etwas geringerem Spritverbrauch. Ihre Verbreitung wächst, sowohl in der Schweiz als auch weltweit: Von den Autos, die heute neu in Verkehr gesetzt werden, ist etwa jedes Dritte ein Benzinauto mit Direkteinspritzung (GDI). Im Jahr 2020, so schätzt die Empa, werden rund 50 Millionen Direkteinspritzer auf Europas Strassen herum kurven.

Neue Vorschriften weit unter dem Stand der Technik

Dass diese GDI-Fahrzeuge bezüglich Partikelausstoss schlecht abschneiden, wussten Fachleute schon vor den präzisen Empa-Messungen. Darum beschloss die EU, in den Vorschriften für Neuwagen ab September 2018 den Ausstoss der winzigen Partikel (Grösse im Nanobereich*) zu begrenzen, nämlich auf maximal 600 Milliarden Partikel pro Kilometer Fahrt. Die Schweiz hat diese wie andere EU-Normen übernommen. Ist damit das Problem gelöst?

Nur bedingt, antwortet Filterspezialist Norbert Heeb gegenüber Infosperber. Denn erstens gelten strengere Abgasvorschriften nur für Neuwagen; sie wirken sich also erst nach zehn und mehr Jahren voll auf den gesamten Autobestand aus. Zweitens lägen die neuen Abgasnormen immer noch deutlich über dem Stand der Technik. Denn die besten Filter erlauben es, den Partikelausstoss von Benzinautos bis auf einen Tausendstel zu senken im Vergleich zu Motoren ohne Filter und auf einen Zehntel gegenüber der ab September gültigen Neuwagen-Normen, erklärt Heeb.

Solche Filter gebe es schon seit 20 Jahren. Zuerst wurden sie in Baumaschinen eingebaut, etwa, um die Mineure im Gotthardtunnel vor zu hohen Partikelemissionen zu schützen, weiss der Empa-Forscher. Seit Einführung der Euronorm 5 für Dieselautos im Jahr 2011 werden diese Filter auch in neue Dieselmotoren eingebaut. Was zeigt: Die erst ab September 2018 gültigen Abgasnormen für Benzinmotoren mit Direkteinspritzung hinken dem Stand der Technik weit hinterher.

Als Kompensation für den langen Verzug, so könnte man heute aus gesundheitlichen Gründen fordern, sollten auch die seit 2011 im Verkehr stehenden Benzinautos mit Direkteinspritzung mit diesen wirksamen Partikelfiltern ausgerüstet werden. Eine solche Nachrüstung würde pro Auto etwa tausend Franken kosten, schätzt Heeb. Ökonomisch wäre das tragbar. Doch politisch, so zeigt die Debatte nach dem Dieselskandal, gibt es starken Widerstand gegen Abgasnormen für Altautos.

Jede technische Lösung zieht neue Probleme nach sich

Der «Partikelalarm» bezüglich Benzinautos ist typisch in der Geschichte des technischen Umweltschutzes. Mit jedem Problem, das die Technik löst, verschärft sie ein anderes Problem oder schafft ein neues.

Beispiel: Um die drastische Luftverschmutzung des wachsenden Autoverkehrs in den 1970er- und 1980er-Jahren zu vermindern, begrenzten die Behörden den Giftausstoss in den Abgasen. Diese Vorschriften erzwangen bei neuen Benzinautos ab 1987 den Einsatz von Abgas-Katalysatoren. Diese Katalysatoren senkten den Ausstoss von Stickoxiden, Kohlenwasserstoffen oder Kohlenmonoxid deutlich, aber führten zu einem höheren Treibstoffverbrauch und CO2-Ausstoss. Darauf begrenzten die Behörden den CO2-Ausstoss und damit indirekt den Spritverbrauch der weiter wachsenden Autoflotte. Um diese Vorschriften zu erfüllen, ohne die Leistung und das Gewicht der Autos zu drosseln, setzten die Hersteller vermehrt auf Diesel- oder eben Benzinmotoren mit Direkteinspritzung. Damit aber erhöhten sie den Ausstoss von krebserregenden Russpartikeln.

Hin- und hergerissen sind auch die Konsumentinnen und Konsumenten: Als der Katalysator eingeführt wurde, kauften sie mit beruhigtem Gewissen neue Benzinautos. Als die Medien den Klimawandel vermehrt thematisierten, stiegen viele auf Dieselautos mit weniger Treibstoffverbrauch um. Als 2014 die Manipulationen an Dieselautos ans Licht kamen, kehrten sie zum Benzinauto zurück – und erfahren jetzt, dass sie damit mehr krebserregende Russpartikel in ihre Lungen transportieren.

Will man den Teufel und den Beelzebub gleichzeitig vertreiben, bleibt nur eines: Die unnötig hohe Leistung der Motoren und die überdimensionierte Verpackung der Autos reduzieren. Oder noch besser: Gleich auf Bahn und Velo umsteigen.

*) Übersetzt: 1 Nanogramm = 1 Milliardstel Gramm


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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5 Meinungen

  • am 11.11.2018 um 12:21 Uhr
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    Leider ist hier «Benzinmotoren mit Direkteinspritzung erlauben – im Unterschied zu den Benzin-Saugmotoren…» der Vergleich etwas schief. Das Gegenstück zum Direkteinspritzer (Einspritzung in den Brennraum) ist nicht der Saugmotor, sondern der mit Einspritzung ins Saugrohr, oder, noch älter, der Vergasermotor. Gegenstück zum Saugmotor wäre der Kompressor-, bzw. Turbomotor.

  • am 11.11.2018 um 12:27 Uhr
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    Sobald Tesla und die anderen 100%-Elektroauto-Hersteller richtig abheben, werden alle Konsumenten nur noch eAutos haben wollen und die alten und neuen Benzin- und Diesel-Giftschleudern werden nutz- und wertlos.
    Das sollten sich alle Menschen gut überlegen, die sich heute bei einem Auto-Neukauf noch nicht für ein eAuto entscheiden.

  • am 12.11.2018 um 14:10 Uhr
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    Na klar, plötzlich hamma wieder die Erkenntnis, dass der Benziner noch schädlicher ist. Da ist wirklich nix zu peinlich, um diesen E-Schrott zu forcieren.Freu mich schon, wenn die Zoes usw. als rollende Hindernisse auf der Autobahn dahin vegetieren.

  • am 12.11.2018 um 20:41 Uhr
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    Es sollte nicht unerwähnt bleiben, das mit der Verwendung von Benzin weitere Unannehmlichkeiten in Haus stehen. Benzol hat im Benzin die erwünschte Eigenschaft, die Klopffestigkeit zu erhöhen. Da es aber krebserregend ist, dazu auch stark wassergefährdend, darf es heute in der EU nur noch zu maximal einem Prozent im Benzin enthalten sein. Für die Schweiz selbst sind mir keine Grenzen bekannt – aber der Wert dürfte ähnlich sein. Das Phänomen der Tankatmung kann nun in Garagen dazu führen, dass die Luft u.a. mit Benzol angereichert ist. Das BAG macht in seinem Factsheet «Vorsicht im Umgang mit Motorenbenzin» darauf aufmerksam, denn Benzol erhöht das Leukämierisiko. Personen die viel Auto fahren oder Berufe als Tankstellen-angestellte, Verkehrspolizisten oder Buschauffeure ausüben, sind stärker belastet. Auch der häufige Aufenthalt in Tiefgaragen und in der Nähe von deren Abluft fällt ins Gewicht. Wer ein Einfamilienhaus mit Garage sein eigen nennt, tut gut daran, wenn die Tür zu den Wohnräumen gut dichtet. Da das Krebsrisiko für Tankwarte deutlich höher war, muss man sich fragen, warum es heute die Selbstbedienungstankstellen gibt. Der Tankwart ist nun besser geschützt, aber das Risiko auf die Bevölkerung verteilt. Ich bin überzeugt, dass letztendlich eine Reduktion der Motorleistung und des Gewichts nur marginale Verbesserungen bringen wird. Letztendlich kommt für diejenigen, für die Velo und Bahn keine Lösung darstellen, nur der Übergang auf emissionsfreie PW in Frage.

  • am 1.12.2018 um 21:03 Uhr
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    Mangelhaft recherchierter Artikel. So ist die Rede von «Direkteinspritzern» und «Saugmotoren». Dumm nur, dass es auch Saugmotoren mit Direkteinspritzung gibt, denn das eine schließt das andere nicht aus, es handelt sich um grundsätzlich unterschiedliche Beschreibungen, und zwar einmal die Art der Einspritzung (direkt oder indirekt), und einmal die Art der Luftförderung (Saugmotor oder Turbo, – bzw. Kompressormotor).

    Weiters ist der Hinweis aus die exorbitant höhere Partikelzahl beim Ottomotor viel zu pauschal. Viele Ottomotoren mit Saugrohreinspritzung haben quasi gar keine Probleme damit, sobald der Motor warmgelaufen ist, und bei fast allen Direkteinspritzern mit der neuen Abgasnorm Euro 6d TEMP werden Rußfilteranlagen verbaut, die die Partikelanzahl auf ein ähnliches Niveau wie bei Dieselmotoren bringen.

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