Langläufer müssen für Schneekanonen zahlen
Langlauf boomt: Noch nie wurden in der Schweiz so viele Langlaufpässe verkauft wie im vergangenen Winter: 51440. Das ist gegenüber dem letzten Vor-Corona-Winter ein Plus von 57 Prozent. Der Langlaufpass berechtigt den Besitzer, einen Winter lang die Loipen sämtlicher Schweizer Langlaufgebiete zu benützen. Der Verband «Loipen Schweiz» gibt den Pass heraus. Verkauft wird er von den einzelnen Langlaufgebieten. Der Pass kostet 160 Franken.
Fünf Franken für Schneekanonen
Doch was geschieht mit dem Geld? Zuerst die Antwort, die umweltbewusste Langläufer wenig freuen wird: Fünf Franken fliessen in den so genannten Tech-Pool. Diesen hat «Loipen Schweiz» letztes Jahr geschaffen, «um die Produktion von technischem Schnee zu unterstützen». Oder anders gesagt: Um den Kauf von Schneekanonen und die Produktion von Kunstschnee zu finanzieren.
Mit dem Tech-Pool finanzieren alle Langlaufpass-Käufer die Kunstschnee-Produktion. Und zwar auch dann, wenn sie den Langlaufpass in einem Langlaufgebiet ohne Schneekanonen kaufen, und auch dann, wenn sie nie in einem Gebiet mit Kunstschnee langlaufen gehen würden.
Vor allem in den Kantonen Bern und Graubünden
26 Deutschschweizer Langlaufgebiete verfügen gegenwärtig über Schneekanonen oder -lanzen: Adelboden BE, Aeschi BE, Alt St. Johann SG, Andermatt UR, Arosa GR, Campra TI, Eigenthal LU, Engadin GR, Engelberg OW, Gadmen BE, Goms VS, Gstaad BE, Kandersteg BE, Lenk BE, Lenzerheide GR, Lötschental VS, Melchsee-Frutt OW, San Bernardino GR, Scuol-Martina GR, Sedrun GR, Splügen GR, Trin-Flims-Sagogn GR, Trun-Disentis GR, Unterschächen UR, Val Müstair GR und Zweisimmen-Sparenmoos BE.
Eigentlich hätten die Langläufer gar nicht erfahren sollen, dass ein Teil ihres Geldes der Finanzierung von Schneekanonen dient. Doch die Delegiertenversammlung zwang «Loipe Schweiz», die Karten auf den Tisch zu legen. 75 Delegierte waren für mehr Transparenz, 26 dagegen. Widerwillig hat «Loipe Schweiz» nun ein paar rudimentäre Erläuterungen zu den Gebieten «mit technisch aufbereitetem Schnee» auf der Website aufgeschaltet und in der Werbebroschüre abgedruckt.
Was geschieht mit dem restlichen Geld?
«Loipe Schweiz» empfiehlt den Langläufern, den Langlaufpass im Gebiet zu kaufen, in dem sie am häufigsten langlaufen gehen. So bleibe «der grösste Teil» des Geldes in diesem Gebiet. Wie viel das ist – darum macht «Loipe Schweiz» ein grosses Geheimnis. Aber Infosperber weiss: Kleine Gebiete mit wenigen Loipenkilometern und wenigen Betriebstagen dürfen von den 160 Franken bloss 105 Franken behalten, mittlere Gebiete 115 Franken und grosse 120 Franken.
Vom Rest fliessen rund 40 Franken in den Finanzausgleichs-Pool von «Loipen Schweiz». Der Verband verteilt dieses Geld nach einem komplizierten Schlüssel, wobei neben Loipenkilometern und Betriebstagen auch Kriterien wie die Qualität der Beschilderung und der Spuren eine Rolle spielen. Das heisst: Die grossen Gebiete dürfen einen grösseren Anteil aus dem Langlaufpass-Verkauf behalten. Und sie bekommen auch noch mehr aus dem Finanzausgleichs-Pool.
Neben dem Langlaufpass, der gesamtschweizerisch gültig ist, verkaufen die Langlaufgebiete auch eigene Saisonkarten, Wochenkarten und Tageskarten. Diese sind nur im betreffenden Gebiet gültig. Die Einnahmen daraus dürfen die Herausgeber vollumfänglich behalten.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Und wie steht es um geheizte Fitnesstempel etc. etc.? Die Menschen sollen sich doch bewegen dürfen und dazu nicht tausende von Kilometern reisen zu müssen, wenn mit etwas Unterstützung am Anfang der Winterzeit die Unterklage geschaffen werden kann für gesundheitsfördernde Sportarten an der gesunden Bergluft. Der Klimawandel ist eben eine Tatsache und dieser wird weitergehen noch tausende von Jahren auch ohne Schnee»Kanonen». Ich denke nicht, dass wir jetzt plötzlich päpstlicher als der Papst sein müssen.
Im Artikel geht es nicht um die Frage, ob es sinnvoll ist, Loipen mit Hilfe von Kunstschnee anzulegen. Vielmehr geht es darum, dass jeder Langläufer, der einen Langlaufpass kauft, die Kunstschneeproduktion mitfinanziert — egal, ob er die künstliche Beschneiung sinnvoll findet oder nicht.
Langläufer bezahlen, genau wie die alpinen Fahrer, für eine Dienstleistung. Wo liegt das Problem?
Nein, es ist anders als bei den Skifahrern.
Skifahrer zahlen normalerweise nur in dem Gebiet, in dem sie auch tatsächlich fahren. Langläufer, die aus Prinzip nie in einem Gebiet mit Kunstschnee laufen gehen, finanzieren aber zwangsläufig die Schneekanonen in anderen Gebieten mit, wenn sie einen Loipenpass kaufen.
Und «Loipe Schweiz» wollte den Geldfluss von Gebieten ohne Schneekanonen hin zu Gebieten mit Schneekanonen nicht öffentlich machen.
Als passionierter Skilangläufer war mir der Finanzierungsmechanismus von «Loipe Schweiz» nicht bekannt. Grundsätzlich finde ich es richtig, dass wir Langläufer die für uns temporär erstellte Infrastruktur bezahlen. Ebenso finde ich das etablierte System sinnvoll und die Beitragshöhe angemessen. Problematisch finde ich zweierlei: Erstens die fehlende Transparenz (Warum diese Geheimniskrämerei?). Zweitens den Umstand, dass offensichtlich ein Grossteil der Loipenbetreiber mittlerweile Kunstschnee einsetzt. Auch die Skilangläufer haben sich der unbequemen Frage zu stellen: Wie stellst du dich zum Klimawandel? Meine Frage: Wo kann man noch Skilanglauf betreiben ohne Kunstschnee?
Gut zu wissen. Ich kaufe ohnehin nur Tagespässe. In Aeschi BE hat es kaum Schneekanonen und in Heimenschwand BE gar keine. Mehr Energie als Schneekanonen brauchen vermutlich die für Skating-Pisten unumgänglichen Pistenfahrzeuge. Deshalb (nicht nur) fahre ich klassisch, hier könnte theoretisch ohne Maschinen oder zumindest mit kleineren gespurt werden. Je nach Schnee langlaufe bzw. skiwandere ich ohnehin gerne abseits der Loipen.
Viel mehr Energie als die Schneekanonen brauchen wohl die Anfahrten per Privatauto, was leider die meisten tun auch dort wo es guten ÖV und Umziehkabinen bei den Lopien gibt. Immerhin werden die Parkplätze meistens bewirtschaftet, aber die Preise sind zu niedrig um ein grosses Umsteigen zu bewirken. ÖV-Nutzende können dafür auch von Ort zu Ort langlaufen, z.B. die schöne Abfahrt von Aeschried nach Aeschi oder von Heimenschwand nach Schwarzenegg.
In Davos lässt man den Schnee über den Sommer an einem kühlen Ort beim Flüelapass. Wäre auch eine Idee.