Pressemitteilung Lufthansa

Wegen dieser Werbung wurde die Lufthansa schon 2023 von der britischen Aufsicht gerügt. Das Bild suggeriert, dass Fliegen die Zukunft der Erde schütze. © Lufthansa

Fliegen: EU geht gegen eklatantes Greenwashing vor

Dieter Scholz / Martina Frei /  Jahrelang warben Airlines mit unzulässigen Umweltaussagen. Die Lufthansa-Gruppe tut dies noch immer.

Red. – Professor Dieter Scholz arbeitet an der Fakultät Luftfahrt- und Fahrzeugsysteme an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg).

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«Fluggesellschaften verzichten auf irreführende Klima-Versprechen», titelte die Schweizerische Depeschenagentur» (SDA) letzte Woche.

Doch das war nur die halbe Wahrheit.

In Wirklichkeit zeigen sich die Airlines in zähen Verhandlungen mit der EU teilweise unwillig, auf illegale Werbeaussagen zu verzichten. Mit Worten oder schönen Bildern in den «Umweltfarben» grün und blau versuchten und versuchen verschiedene Airlines ihren Kunden zum Beispiel weiszumachen, dass diese die schädlichen Auswirkungen eines Fluges mit einer Zuzahlung wettmachen können.

«Gemeinsam mit dem Flughafen Wien und Venezia Airport bringen wir Sie mit nachhaltigem Flugkraftstoff (SAF) zur Biennale Arte nach Venedig.» So warb beispielsweise die Austrian Airlines. «CO₂-neutral zur Biennale fliegen? Für uns keine Kunst! 100 % SAF», behauptete die Fluggesellschaft. SAF ist die Abkürzung für «sustainable aviation fuel», auf Deutsch nachhaltiger Flugtreibstoff.

Doch im September 2023 stellte ein österreichisches Gericht fest, dass diese Werbung irreführend ist. Denn dem herkömmlichem Kerosin werde derzeit maximal 0,4 Prozent SAF beigemischt. Die technischen Normen erlaubten höchstens eine Beimischung von fünf Prozent SAF. «Technisch ist es daher nicht möglich, Flüge CO₂-neutral mit 100 Prozent SAF durchzuführen», folgerte der Verein für Konsumenteninformation, der die Klage erhoben hatte. 

Austrian Airlines Werbung
Dieses vollmundige Versprechen stufte das Gericht als irreführende Werbeaussage ein.

21 Fluggesellschaften sollen ihre Werbung überarbeiten

Das ist längst nicht das einzige Beispiel. Die EU-Kommission hat nun mit 21 Fluggesellschaften verhandelt. Sie hätten sich «verpflichtet, ihre Vorgehensweise in Bezug auf Umweltaussagen zu ändern, die vom Netzwerk für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (CPC-Netz) als irreführend angesehen wurde». Dies geht aus einer Pressemitteilung der EU-Kommission hervor.

Die nationalen Verbraucherschutzbehörden der EU, die im Consumer Protection Cooperation Network (CPC-Netz) zusammengeschlossen sind, könnten den Fluggesellschaften sogar Geldbussen oder Zwangsgelder auferlegen, wenn diese gegen die «Unlautere Geschäftspraktiken Richtlinie» der EU verstossen. Stattdessen suchte das CPC-Netz unter der Leitung der Europäischen Kommission aber zunächst den Dialog. Die Fluggesellschaften wurden aufgefordert, ihren Werbeauftritt – insbesondere im Internet – zu überarbeiten. Falls Änderungen nicht sofort möglich seien, sollten die Airlines einen Zeitplan vorlegen.

Betroffen sind die Fluggesellschaften Air Baltic, Air Dolomiti, Air France, Austrian Airlines, Brussels Airlines, Eurowings, Easyjet, Finnair, KLM, Lufthansa, Luxair, Norwegian, Ryanair, SAS, Swiss, TAP, Transavia France, Transavia CV, Volotea, Vueling und Wizz Air.

Viele rote Felder bei der Lufthansa-Gruppe

Eine Tabelle der EU-Kommission zeigt unterdessen den Stand der Verhandlungen. Die Lufthansa-Gruppe – zu der in den EU-Verhandlungen Lufthansa, Air Dolomiti, Austrian Airlines, Brussels Airlines, Eurowings und die Swiss gehören – gelobte zwar in drei von sieben beanstandeten Punkten Besserung. In vier Punkten reichte sie gegenüber der EU jedoch nur «unzureichende Vorschläge» ein, um künftig Falschaussagen in der Werbung zu vermeiden. 

Ganz besonders bei den sechs Airlines der Lufthansa-Gruppe müssen Flugreisende daher auch in naher Zukunft vorsichtig bleiben. Im Vergleich mit den anderen 15 Fluggesellschaften steht die Lufthansa-Gruppe gemäss dieser Tabelle bis jetzt am schlechtesten da. Die meisten anderen Airlines haben beanstandete Kritikpunkte bereits beseitigt (resolved).   

Table of the commitments of Airlines
Die Lufthansa-Gruppe sticht durch viele rote Felder hervor. Sie bedeuten: Die Fluggesellschaft hat nur «unzureichende Vorschläge» gemacht. Grössere Auflösung hier (N/A = nicht zutreffend).

Die Greenwashing-Tatbestände

«Greenwashing» sind PR-Methoden, die darauf zielen, einem Produkt und/oder einem Unternehmen ein umweltfreundliches Image zu verleihen, ohne dass es dafür eine hinreichende Grundlage gibt. Die EU-Kommission bezeichnet es zwar nicht wörtlich so, kam de facto aber zum Schluss, dass die Fluggesellschaften bisher «Greenwashing» betreiben.

Die 21 Fluggesellschaften haben sich gegenüber der EU-Kommission jetzt verpflichtet, dass sie

  • klarstellen, dass die CO₂-Emissionen eines bestimmten Fluges nicht durch Beiträge zu Klimaschutzprojekten oder alternativen Flugkraftstoffen neutralisiert, ausgeglichen oder direkt verringert werden können
  • den Begriff «nachhaltige Flugkraftstoffe» nur mit entsprechenden Klarstellungen verwenden, die den Begriff genauer definieren
  • auf «vage grüne Sprache» bzw. implizite Umweltaussagen verzichten
  • bei Aussagen über die künftige Umweltbilanz – wie etwa das Erreichen einer Netto-Null-Bilanz bei den Treibhausgasemissionen – klare Zeitpläne, realisierbare Etappen und die betroffenen Arten von Emissionen angeben
  • gewährleisten, dass alle CO₂-Emissionsberechnungen klar und transparent dargestellt werden
  • ausreichende wissenschaftliche Belege liefern, um behauptete verbesserte Umweltauswirkungen des Fliegens zu untermauern.

Angeblich «nachhaltige» Flugtreibstoffe sind weder nachhaltig noch marktreif

Doch ein Blick auf die aktuelle Lufthansa-Website zu den «Green Fares» (grüne Tarife) zeigt: Die Wortwahl dieser Fluggesellschaft hat sich bis jetzt kaum geändert. Ein «Green Fare»-Ticket ist etwas teurer als ein normales – aber es «ermöglicht ein nachhaltigeres Fliegen» – behauptet die Lufthansa dort.

Beim Kauf eines «grünen Tickets» in Europa verspricht die Lufthansa (wie auch die Swiss) zum Beispiel, 20 Prozent der durch den Flug verursachten Emissionen zu reduzieren, indem sie «nachhaltige Flugkraftstoffe» nutze. Die restlichen 80 Prozent würden «durch einen Beitrag zu hochwertigen Klimaschutzprojekten ausgeglichen». Ausserdem schreibt die Lufthansa, dass sie bis 2050 eine CO₂-neutrale Flugbilanz erreiche.

Die angeblich «nachhaltigen Flugkraftstoffe» sind aber nicht wirklich nachhaltig. Richtig ist zwar, dass CO₂ aus der Luft teilweise wieder als Kohlenstoff in den Kraftstoff zurückgelangen kann («Kohlenstoffkreislauf»). Beim synthetischen Kerosin (E-Fuels) geschieht dies zu 100 Prozent, bei den aus Speiseöl-Abfällen gewonnenen Bio-Fuels nur zu etwa 80 Prozent. Für die Herstellung von E-Fuels braucht es jedoch viel Strom. Rechnet man den Anteil der Energieträger an der Stromerzeugung in die Klimabilanz ein, ergeben sich unter dem Strich derzeit keine Vorteile fürs Klima.

Zudem wird bei dieser Betrachtung bisher ignoriert, dass die Nicht-CO₂-Effekte (Stickoxide und Kondensstreifen) weiter und erheblich zur Erderwärmung durch die Luftfahrt beitragen. Biokraftstoffe und synthetisches Kerosin verhalten sich bei der Verbrennung nicht wesentlich anders als herkömmliches Kerosin. Die sogenannten «nachhaltigen Flugkraftstoffe» verursachen wegen der Nicht-CO₂-Effekte immer noch fast zwei Drittel der Klimawirkung, verglichen mit herkömmlichem Kerosin.

Zudem sind die angeblich «nachhaltigen Flugkraftstoffe» laut dem Europäischen Verbraucherschutzdachverband BEUC noch gar nicht marktreif. Solche Treibstoffe hätten 2024 lediglich 0,5 Prozent der EU-Luftfahrtemissionen eingespart. Den Anstieg der CO₂-Emissionen aufgrund des wachsenden Flugverkehrs könnten sie folglich bei Weitem nicht kompensieren, so der BEUC. Die Lufthansa gibt es auf ihrer Webseite «#MakeChangeFly» selbst zu: «Die verfügbaren Mengen an SAF sind derzeit noch gering.»

Lufthansa Green Fares
So wirbt die Lufthansa auf ihrer Webseite für die «grünen Tarife».

Verbraucher mit Umweltversprechen ködern

Der Europäische Verbraucherschutzdachverband (BEUC) prangerte schon im Juni 2023 irreführende Umweltaussagen von 17 europäischen Fluggesellschaften wie etwa der Lufthansa an. Seiner Einschätzung nach verstiessen diese Fluggesellschaften gegen die EU-Vorschriften zur Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken. 22 BEUC-Mitgliedsorganisationen aus 18 Ländern forderten die EU damals auf, dieser grünen Schönfärberei eine Ende zu setzen. Die Airlines würden die Verbraucher mit Umweltversprechen ködern und Fliegen als nachhaltige Option darstellen, lautete der Vorwurf.

Die Verbraucherorganisationen beanstandeten: 

  • Die angeprangerten Fluggesellschaften würden behaupten, dass die Zahlung zusätzlicher Gutschriften die CO₂-Emissionen eines Fluges «ausgleichen», «neutralisieren» oder «kompensieren» können. Dies sei falsch.
  • Die Fluggesellschaften würden Verbraucher zudem täuschen, indem sie höhere Preise für «nachhaltige Flugkraftstoffe» verlangen. Dabei würden diese Kraftstoffe bestenfalls einen geringen Anteil des Kerosins im Tank von Flugzeugen ausmachen. 
  • Die Fluggesellschaften würden auch behaupten, Flugreisen könnten «nachhaltig», «verantwortungsvoll» und «grün» sein. Derartige Aussagen seien irreführend.

Ein Gericht in Amsterdam verurteilte die niederländische KLM 2024 wegen irreführender Umwelt-Werbeaussagen. Die Airline habe fälschlicherweise den Eindruck erweckt, dass das Fliegen mit KLM nachhaltig sei.

Widersinnig: Wer «grün» fliegt, bekommt Rabatt auf künftige Flüge

Im Juni 2025 legte BEUC eine weitere akribische Analyse mit dem zweideutigen Titel «Green (F)lying – Two Years On» vor. Die Verbraucherschutzdachorganisation hatte dafür die Webseiten der Fluggesellschaften überprüft. Einige hatten ihre klimabezogenen Marketingaussagen zwar entfernt oder geändert, wenn auch teils nur geringfügig. 

Die irreführenden Behauptungen zum CO₂-Ausgleich durch Kompensationszahlungen und die übertriebene Darstellung der langfristigen Nachhaltigkeitsziele der Airlines blieben jedoch weiterhin stehen, fand BEUC. «Grüne Tarife» belohnten die Reisenden sogar mit Rabatten auf zukünftige Flüge. Das verleite zum Fliegen, was die Emissionen weiter ansteigen lasse.

Nationale Verbraucherschutzbehörden können Geldbussen aussprechen

Die nationalen Verbraucherschutzbehörden werden jetzt überwachen, ob die Airlines die Zeitpläne einhalten und ihre Versprechen gegenüber der EU-Kommission umsetzen. Um einen fairen Wettbewerb in der Luftfahrtindustrie zu gewährleisten, wird das Netz der Verbraucherschutzbehörden (CPC) auch die Praktiken anderer Luftfahrtunternehmen im europäischen Binnenmarkt bewerten und gegebenenfalls dieselben Verpflichtungen verlangen. Fluggesellschaften, die ihre Verpflichtungen nicht erfüllen, können von den nationalen Verbraucherschutzbehörden gebüsst werden.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Professor Dieter Scholz arbeitet an der Fakultät Luftfahrt- und Fahrzeugsysteme an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg).
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Freiheit für die einen, Klimakiller und Lärmbelästiger für andere. Auf jeden Fall ist er hoch subventioniert.

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