Solaranlage Muttsee SRF Axpo (003) (002)

Geplantes Solarkraftwerk am Muttsee: doppelt so teuer wie EWZ-Anlage. © SRF/Axpo

Wie Axpo mit ihrem Solarkraftwerk um Subventionen kämpft

Hanspeter Guggenbühl /  Die Axpo fordert mehr Markt und kämpft zugleich um mehr Subventionen. Als Vorwand dient ihre teure alpine Solaranlage am Muttsee.

Die Geschichte, die der Chef des Stromkonzerns Axpo am Donnerstag den Medienleuten erzählte, ist ein Musterbeispiel für gelungene Polit-PR. Anlass gab der Entscheid der Axpo, ihr vor vier Jahren angekündigtes Solarkraftwerk an der Staumauer des Glarner Muttsees nächsten Sommer endlich zu bauen, das Basler Stadtwerk IWB daran zu beteiligen und den produzierten Solarstrom, abgesichert mit einem 20-jährigen Abnahmevertrag, an die Migros-Tochter Denner zu verkaufen.

Die Erzählung geht so: Grosse Fotovoltaik-Anlagen in den Alpen seien leider «aufgrund der fehlenden Rahmenbedingungen noch kaum wirtschaftlich realisierbar». Trotzdem wolle Axpo dieses «Leuchtturmprojekt» realisieren, um so die Energiewende «einen Schritt vorwärts zu bringen». Man sehe dieses Projekt, neu «AlpinSolar» genannt, auch als «wichtigen Diskussionsbeitrag für die anstehenden Gesetzesrevisionen». Denn, so ergänzte Axpo-Chef Christoph Brand mündlich gegenüber den Medien: «Wir können die Energiewende in der Schweiz nicht auf Basis von Sponsoring durchführen.»

Die Schweizer Medien (u. a. die SRF-Sendungen «Echo der Zeit» und «Schweiz aktuell», die NZZ, die CH-Media-Zeitungen sowie diverse Agenturen) rapportierten diese Geschichte in Variationen, aber weitgehend ohne kritische Einwände. Wir liefern diese hier nach:

Doppelt so teuer wie alpine EWZ-Anlage  

Die geplante Fotovoltaikanlage am Muttsee hat ideale Voraussetzungen. Die Staumauer und damit die Solarpanels richten sich direkt gegen Süden. Als Teil des Pumpspeicherkraftwerks Linth-Limmern verfügt es bereits über einen Stromanschluss. Dank alpiner Lage kann dieses Solarkraftwerk anderthalb Mal so viel Strom pro Jahr erzeugen und einen doppelt so hohen Anteil im Winterhalbjahr wie eine gleich grosse Anlage im Mittelland.

Für die geplante Solaranlage mit 2200 Kilowatt Leistung und einer budgetierten Produktionsmenge von 3,3 Millionen Kilowattstunden (kWh) budgetiert die Axpo Investitionskosten von 7,9 Millionen Franken. Das sind 3590 Franken pro Kilowatt installierte Leistung. Diese Kosten sind sehr hoch. Das zeigen folgende Vergleiche:

– Im Vorprojekt kalkulierte die Axpo Ende 2019 noch Investitionskosten von 2750 Franken pro Kilowatt, also 23 Prozent weniger.  

 – Das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) baute an der Staumauer des Albignasees im Bündner Bergell eine ähnliche Anlage zu Kosten von nur 1700 Franken pro Kilowatt installierte Leistung, also weniger als die Hälfte des Axpo-Projekts. Gewiss, beim EWZ-Projekt war die Montage der Panels (auf der Innenseite der Staumauer) einfacher, was einen Teil der höheren Kosten erklären mag. Doch die geplante Anlage am Muttsee ist fünfmal grösser, was die höheren Montagekosten zumindest teilweise kompensieren müsste.

Für die hohen Investitionskosten – und damit die angeblich fehlende Wirtschaftlichkeit – bleiben damit zwei Erklärungen: Entweder kann die Axpo Solaranlagen weniger gut planen und weniger günstig bauen als andere. Oder sie kalkuliert bewusst sehr hohe Kosten, um das Argument «kaum wirtschaftlich» zu stützen und Druck für höhere Subventionen zu machen.

Markt predigen, um Subventionen kämpfen

Zwar bekräftigen die Manager der Axpo, sie wollten mehr Markt, insbesondere die volle Öffnung des Schweizer Strommarktes. «Eine Marktöffnung ist grundsätzlich gut, nötig und angezeigt», betonte etwa der neue Axpo-Chef Christoph Brand in seinem ersten Interview mit der NZZ. Andererseits gehört die Axpo zu den grössten Nutzniessern von Subventionen, die europäische Länder via kostendeckende Einspeisevergütungen an die Produzenten von Wind- und Solarstrom ausrichten.

In der Schweiz kämpft die Axpo ebenfalls für höhere Subventionen. Für die Anlage am Muttsee erhält sie vom Bund zwar die ordentliche Einmalvergütung, konkret: 641 000 Franken, die immerhin acht Prozent der Investitionskosten decken. Zusätzlich beantragte sie einen ebenso hohen Investitionsbeitrag unter dem Prädikat «Leuchtturmprojekt». Doch das Bundesamt für Energie befand, das Projekt sei zu wenig innovativ, um als «Leuchtturmprojekt» anerkannt zu werden, und lehnte diese zusätzliche Subvention ab.

Generell fordern die Axpo und weitere Stromfirmen, unterstützt u.a. von der Energiestiftung SES und der Agentur für Erneuerbare Energie (AEE), die Einführung von «gleitenden Marktprämien». Dabei handelt es sich um Vergütungen des eingespeisten Stroms, welche die Marktrisiken mindern sollen, und die den Strom aus grossen Solaranlagen bei den aktuell tiefen Marktpreisen viel stärker subventionieren würden als die geltenden Einmalvergütungen.

Nachdem der Bundesrat diese Marktprämien ablehnte, weil zu teuer, hofft die Axpo jetzt, das spendablere Parlament werde diese Subvention bei der nächsten Revision des Energiegesetzes einführen. Das erklärt das öffentliche Jammern der Axpo über die mangelnde Rendite des alpinen Solarstroms.

«Sponsoring» als neues Wort für Abnahmevertrag

Um die finanziellen Risiken des Solarkraftwerks am Muttsee abzusichern, verkaufen Axpo und IWB den dort produzierten Solarstrom jetzt über einen 20jährigen Abnahmevertrag an die Denner AG, die sich damit als klimabewusste Firma profilieren darf. Der Abnahmepreis ist geheim, dürfte aber über den heutigen tiefen Marktpreisen liegen. Darum spricht Axpo-Chef Brand von «Sponsoring», das keine sichere Grundlage für den Ausbau der Solarkraft biete.

Das ist eine sonderbare Argumentation. Denn ein grosser Teil des Stroms, den Kraftwerke erzeugen, wurde schon immer über mittel- bis langfristige Verträge verkauft, um Risiken im Markt abzusichern. Und um «Sponsoring» handelt es sich wohl nur kurzfristig. Denn langfristig dürfte Strom auf dem Markt knapp und somit teurer werden, weil das Angebot mit der Abschaltung von Atom- und Kohlekraftwerken sinkt, während die Nachfrage mit der Elektrifizierung von Heizungen und Autos deutlich steigen wird. Auch aus dieser Perspektive steht das Lobbying der Axpo für zusätzliche Subventionen auf schwachen Füssen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

  

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2 Meinungen

  • am 24.01.2021 um 21:42 Uhr
    Permalink

    Was mich am Verhalten der AXPO stört, ist, dass sie immer noch für den «freien Strommarkt» weibelt. Man müsste doch langsam gemerkt haben, dass eine sichere und stabile Versorgung mit Strom nicht von der ominösen unsichtbaren Hand des Marktes gewährleistet wird.
    Entweder übernimmt der Staat die Führungsrolle. Einzelne Aufgaben wie Bau und Betrieb eines Kraftwerkes können natürlich sehr gut von Privaten erledigt werden.
    Oder der Staat organisiert ein ausgeklügeltes «freies Marktwirtschafterlis» für die Privaten. Jede erwünschte Entwicklung (z.B. Erschliessung von erneuerbaren Energiequellen) muss dann durch speziell gestaltete Markteingriffe gefördert werden.
    Die zweite Lösung mag für die beteiligten Privaten lustvoller sein, aber ich bezweifle, ob sie wirtschaftlicher ist.

    Die Detailkritik am Muttsee-Projekt überzeugt mich weniger. Der Vergleich mit Albigna hinkt. Diese Mauer ist nach Norden exponiert. Deshalb werden die Panels auf der Innenseite der Mauer (südexponiert) vorgesehen. Aus nachvollziehbaren Gründen ist nur ein schmaler Streifen entlang der Mauerkrone geplant. Die Grösse der Anlage ist also von vornherein sehr bescheiden. Dieser oberste Streifen ist aber auch am einfachsten und billigsten zu montieren.
    Die Anlage an der Muttseemauer ist klar ein Pilotprojekt, um Erfahrungen mit grösseren Flächen zu sammeln. Kein Wunder, ist der Strom von dort nicht konkurrenzfähig auf einem Markt, der immer noch durch subventionierte Baunkohle verzerrt wird.

  • am 26.01.2021 um 14:28 Uhr
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    Gerade die Detailkritik überzeugt mich! Ich kann gut nachvollziehen, wie die Axpo vermutlich geplant hat. Eine PV-Anlage in dieser Höhe über Meer, ob gross oder klein, lässt sich definitiv nicht mehr als Leuchtturmprojekt verkaufen. Stellen wir doch den Muttsee in den grösseren Rahmen, in dem er steht: Das Pumpspeicherkraftwerk Linth-Limmern wurde von energiepolitisch kritischen Kreisen schon vor seinem Bau als problematische, wenn nicht sogar unnötige Investition betrachtet. Und jetzt ist die Axpo daran, ein bisschen «Greenwashing» zu machen, indem die Staumauer mit PV «dekoriert» wird. Zusammengefasst: Es ist sicher sinnvoll, aus der Mauer diesen Zusatznutzen zu ziehen. Aber das soll die Axpo ohne grosses Brimborium, ohne falsche Zahlen, ohne Hintergedanken einfach durchziehen. Und genau auf DIESEN Widerspruch hat Herr Guggenbühl hingewiesen. Vielen Dank dafür!

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