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Franz Alt: Verfechter der Energiewende © cc

Drei Lügen gegen Ökostrom und was man tun kann

Franz Alt /  Eine Kampagne strickt ein raffiniertes Lügengeflecht und behauptet, der subventionierte Solar- und Windstrom sei der Preistreiber.

upg. In Deutschland blasen Lobbys zum Angriff auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG. Solar- und Windstrom seien schuld daran, dass der Strompreis ab 2014 bereits wieder um einen Cent pro Kilowattstunde teurer wird. Doch die erneuerbare Energie sei nicht die Hauptschuldige an den steigenden Strompreisen, erklärt Franz Alt, der frühere ARD-Journalist und Verfechter alternativer Energien. Er wehrt sich gegen ein «raffiniertes Lügengeflecht». Die deutsche Zeitung «Welt» gibt ihm recht: «Der erneute Anstieg der Ökostrom-Umlage ist nur zu einem geringen Teil auf den Bau neuer Solar- und Windparks zurück zu führen. Die wahren Kosten der Energiewende verstecken sich woanders.»
Die drei Lügen
Erste Lüge: Die erneuerbaren Energien sind die Preistreiber.
Richtig ist, dass in den letzten zehn Jahren die Strompreise um 11,5 Cent je KWh gestiegen sind, die Ökostromumlage aber nur um 4,9 Cent.
Zweite Lüge: Allein der Ökostrom wird stark subventioniert.
Richtig ist, dass seit dem Jahr 2000 die Einspeise-Vergütung für das EEG 60 Milliarden Euro betrug, aber Kohle- und Atomenergie seit vielen Jahrzehnten mit insgesamt über 400 Milliarden Euro an staatlichen Subventionen unterstützt wurden.
Dritte Lüge: Steigende Energiepreise sind verantwortlich für Armut in Deutschland.
Richtig ist, dass die Ölpreise in Deutschland seit 2009 um 300% gestiegen – der Strompreis aber nur um 60%. Armut ist ein Problem der Sozialpolitik, nicht der Energiepolitik.
Von den Kosten für künftige Generationen spricht niemand
Hinzu kommt, dass die riesigen Folgekosten der atomar-fossilen Energiewirtschaft unbezahlbar sind, während bei erneuerbaren Energien so gut wie keine Folgekosten – und schon gar keine Ewigkeitskosten wie bei Kohle und Atom – anfallen.

Fakt ist: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG ist ein Erfolgsmodell.
Beim Inkrafttreten vor 13 Jahren hatten wir fünf Prozent Ökostrom, heute 25 Prozent. Genau deshalb haben bislang 60 Länder das deutsche EEG übernommen.

Was ist zu tun?

  • Weniger Firmen von der Ökostromumlage befreien.
  • Weniger Steuern auf Ökostrom.
  • Der immer zunehmende Ökostrom macht an der Leipziger Strombörse den Strom insgesamt für die Stromindustrie immer billiger. Dieser Preisvorteil muss an die privaten Stromkunden weitergegeben werden.

Der Strompreis kann also durch kluge politische Massnahmen billiger werden anstatt wie im jetzigen System immer teurer. So führt eine intelligent gemanagte Energiewende zu moderaten und sozial verträglichen Strompreisen, weil die Abhängigkeit von fossilen und atomaren Rohstoffen sinkt.

Die Politik und die alte Energiewirtschaft sollten nicht länger den leicht durchschaubaren Versuch machen, uns für dumm zu verkaufen.
Künftig 100 Prozent erneuerbare, preisgünstige Energie
Eine dauerhaft sichere und preiswerte Energiepolitik erfordert die ultimative Beschleunigung in Richtung 100 Prozent erneuerbarer Energie.

So setzen sich die heutigen 28,73 Cent je Kilowattstunde in Deutschland zusammen:

  • 14,32 Cent für Erzeugung, Transport, Vertrieb
  • 5,277 Cent Ökostrom-Umlage
  • 4,59 Cent Mehrwertsteuer
  • 2,05 Cent Stromsteuer
  • 1,79 Cent Konzessionsabgabe
  • 0,329 Cent Umlage für Netzentgelt-Rabatte der Industrie
  • 0,250 Cent Haftungsumlage für Offshore-Windparks
  • 0,126 Cent Kraft-Wärme-Kopplungsaufschlag.

Quelle: BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.

Atomstrom ist teurer als Solarstrom
Seit Jahrzehnten wird uns das Märchen vom «billigen Atomstrom» erzählt. Damit ist jetzt endgültig vorbei. Soeben wurde in England das erste neue AKW seit 1996 genehmigt. Allerdings: Die Anlage von Hinkley Point rechnet sich nur, wenn die Betreiber je Kilowattstunde Atomstrom 11 Cent (13,5 Rappen) Vergütung für 35 Jahre vom Steuerzahler garantiert bekommen (siehe Bericht auf Infosperber). Ausserdem bürgt der britische Staat für das Gros der Investition in das AKW, das von chinesischen und französischen Investoren gebaut wird.
Damit ist britischer Atomstrom teurer als Solar- und Windstrom in Deutschland. Denn ausser den 11 Cent Vergütung je Kilowattstunde gibt es in Grossbritannien noch Jahr für Jahr einen vollen Inflationsausgleich.

Hinzu kommt: Die Einspeise-Vergütung für erneuerbare Energien gibt es in Deutschland während 20 Jahren, aber die indexierte Vergütung für den neuen Atomstrom in Grossbritannien wird 35 Jahre lang garantiert.

Zurzeit gibt es hierzulande für Solarstrom-Grossanlagen eine Vergütung von 9,88 Cent pro KWh. Wie gesagt 20 Jahre lang und ohne Inflationsausgleich. Windmühlen erhalten zurzeit sechs bis neun Cent je KWh.

Die angebliche Renaissance der AKW
Vor etwa drei Jahren hatte die konservative britische Regierung noch angekündigt, zehn neue AKW bauen zu wollen. Davon sind jetzt noch zwei übrig geblieben.

Vor 20 Jahren waren weltweit noch 440 AKW in Betrieb, jetzt noch 390. In der EU wurden seit dem Jahr 2000 43 AKW stillgelegt und nur drei neue gebaut. So sieht die vielbeschworene «Renaissance der Atomkraft» wirklich aus.

Weltweit müssen in den nächsten 20 Jahren mehr als die Hälfte aller AKW stillgelegt werden – aus Alters- und Sicherheitsgründen. Neue Anlagen werden zwar geplant, aber kaum noch gebaut. Überall gibt es Widerstand dagegen – hauptsächlich in Finnland und Südkorea, aber auch in Frankreich, Russland und China.

Atomstrom wird immer teurer, Solar- und Windsstrom immer preiswerter. Schon aus ökonomischen Gründen ist klar, wem die Zukunft gehört, aus sicherheits- und ökologischen Gründen sowieso. Deshalb ist heute, zweieinhalb Jahre nach Fukushima, die Atomkraft in den meisten Ländern Europas geächtet.

Diesen Beitrag publizierte Franz Alt auf seiner Webseite sonnenseite.com.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Franz Alt ist langjähriger Fernsehjournalist und Autor mehrerer Bücher.

Zum Infosperber-Dossier:

SolaranlageBauernhof-1

Energiepolitik ohne neue Atomkraftwerke

Erstes, zweites und drittes Gebot: Der Stromverbrauch darf nicht weiter zunehmen.

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