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Swissolar will die Atomkraftwerke Mühleberg und Beznau mit Solarstrom ersetzen © Karl-Heinz Hug

20 Prozent Solarstrom für die Schweiz – aber wann?

Hanspeter Guggenbühl /  Photovoltaik soll 20 Prozent des Schweizer Strombedarfs decken. Umstritten ist nur, ob schon 2025 oder erst 2050.

Solarstrom aus inländischen Photovoltaik-Anlagen deckt heute 0,2 Prozent des Schweizer Stromverbrauchs. Bis zum Jahr 2025 soll dieser Anteil auf 20 Prozent oder 12 Milliarden Kilowattstunden (kWh) erhöht werden. Dieses ehrgeizige Ziel setzt sich der Branchenverband Swissolar.

Damit liesse sich die Elektrizität aus den alten Atomkraftwerken in Mühleberg und Beznau, die zwischen 2019 und 2022 stillgelegt werden sollen, lückenlos ersetzen. Das illustrierte Swissolar-Präsident und SP-Nationalrat Roger Nordmann an der nationalen Photovoltaik-Tagung, die am 22. und 23. März in Baden stattfand. Bis 2040 will Nordmann den Solarstrom-Anteil sogar auf 40 Prozent erhöhen. Das reicht, um auch die jüngeren AKW in Gösgen und Leibstadt zu subsistuieren.

Um jährlich 12 Milliarden kWh Solarstrom produzieren zu können, braucht es Module mit einer Fläche von 90 Quadratkilometern; das entspricht der Ausdehnung des Zürichsees. Doch Solarmodule sollen nicht Seen und Wiesen verglasen, sondern primär auf Dächern platziert oder in Fassaden und Infrastrukturbauten integriert werden.

Swissolar will KEV ausbauen, Leuthard plant Umbau

Um die noch nicht rentable Photovoltaik zu finanzieren, fordert Swissolar-Geschäftsführer David Stickelberger eine Erhöhung respektive «Entdeckelung» der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV). Die damit verbundene Quersubventionierung von wachsenden Solarstrommengen, so rechnet Stickelberger, erhöhe den allgemeinen Strompreis in der Schweiz um maximal 1,4 bis 2,4 Rappen pro kWh; dies je nach Verlauf der weiteren Preissenkungen für Solarpanels.

Bundesrätin und Gastrednerin Doris Leuthard wünschte den 600 in Baden tagenden Solarfachleuten viel Glück für ihr anspruchsvolles Szenario, relativierte aber: «Für mich zählt nicht das Ziel, sondern das Resultat, das ich 2025 in der Statistik habe.». In ihrer eigenen «Energiestrategie 2050» rechnet die Energieministerin zwar ebenfalls mit einer Solarstrom-Produktion von annähernd 20 Prozent (10 Milliarden kWh); diese aber erst im Jahr 2050. Bis 2025, so zeigt das Szenario des Bundes, werde der Solarstrom erst etwa 5 bis 7 Prozent des Schweizer Strombedarfs decken.

Im Unterschied zu Swissolar will Leuthard die KEV nicht aus-, sondern umbauen, was allerdings Gesetzesänderungen erfordere: Bei kleinen (Dach-)Anlagen, von denen heute Tausende auf der KEV-Warteliste stehen, möchte Leuthard die KEV durch Investitionsbeiträge ersetzen; dies würde viel Bürokratie ersparen. Bei Grossanlagen plant Leuthard eine Verkürzung der Vergütungsdauer aus der KEV. Ob das Parlament diese Änderungen schlucken wird, ist ungewiss.

Gaskraftwerke als «Brückentechnologie»

Um den ab 2020 wegfallenden Atomstrom zu ersetzen, so erklärte Leuthard weiter, müsse die Schweiz nicht nur erneuerbare Energie vermehrt nutzen, sondern benötige vorübergehend auch zusätzliche fossile Stromproduktion im Inland. Zu diesen «Brückentechnologien» gehörten sowohl dezentrale Wärmekraftkopplungs-Anlagen als auch einige grosse Gaskombi-Kraftwerke.

Neben Swissolar und Bundesrat entwarf auch die ETH-Zürich ein Szenario, um die Energieversorgung in der Schweiz zu wenden. Damit könnten die Ziele «Verzicht auf neue Atomkraftwerke» und «Einhaltung der Klimaziele» unter einen Hut gebracht werden. Laut diesem – im November 2011 veröffentlichten – ETH-Szenario kann die Schweiz ihre Solarstrom-Produktion bis 2050 auf einen Anteil von 22 Prozent steigern.

Aufwendiger Ausgleich von Produktion und Verbrauch

Die wachsende solare Stromerzeugung entschärft zwar das Mengenproblem, verschärft aber das Verteilproblem in der Stromversorgung. So gleichen die Produktionskurven von Photovoltaik-Anlagen einer Berg- und Talfahrt: Überschuss an Strom produzieren sie im Sommerhalbjahr, ausschliesslich tagsüber und vor allem in der Mittagsspitze. Im Winterhalbjahr hingegen erzeugt die Sonne wenig und nachts überhaupt keinen Strom. Die Strom-Verbrauchskurve hingegen verläuft im Winter auf höherem Niveau als im Sommer, ist an Werktagen höher als an Sonn- und Feiertagen, und sie erreicht Spitzen nicht nur um die Mittagszeit, sondern auch am Morgen und Abend, wenn die Sonne auf- und untergeht.

Um die solare Stromproduktion dem Stromverbrauch anzugleichen, braucht es den Ausbau der Stromnetze – vor allem der Mittel- und Niederspannungsnetze in Gemeinden und Quartieren –, zusätzliche Stromspeicher, eine veränderte Regulierung von Stromnetzen und Stromspeichern sowie Ersatzkraftwerke für bewölkte und dunkle Tage und Stunden. Die zusätzlichen Kosten, welche die Integration des Solarstroms in die Stromversorgung erfordert, dürften die sinkenden Produktionskosten zumindest teilweise kompensieren.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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