Kommentar

Touristische Heli-Fliegerei in Alarmbereitschaft

Helmut Scheben Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsKeine © zvg

Helmut Scheben /  Kaum erwähnt ein Ständerat eine Abgabe auch auf Privatflügen, redet der Air-Zermatt-Chef von einer drohenden Katastrophe.

Alarmstufe Dunkelrot bei der Air Zermatt: Wenn das Fliegen teurer wird, könnte auch die touristische Heli-Fliegerei erneut in Frage gestellt werden.

Früher oder später würde es passieren, das war seit langem klar, nur wusste man nicht genau wann. Nun hat ein Virus namens Greta Thunberg die Verhältnisse schneller ins Purzeln gebracht als viele erwarteten. Jahrzehntelang hatten Schweizer Umweltverbände darauf hingewiesen, dass Skitouren per Helikopter eine schwere Umweltbelastung seien. Sie forderten, das Heli-Skiing sei zu verbieten, wie es in allen Nachbarländern der Schweiz verboten ist.
Die vorbereitende Kommission des Ständerates hat eine Flugticketabgabe von 30 bis maximal 120 CHF vorgeschlagen. Dem Schaffhauser Ständerat Thomas Minder geht das aber nicht weit genug, wie Stefan Häne im Zürcher Tagesanzeiger berichtet. Minder sagte, nicht nur normale Linienflüge seien mit einer CO2-Steuer zu belasten, sondern die gesamte Fliegerei, also auch die Flüge in Privatjets. Allein am WEF Davos seien dies 1500 Flugbewegungen gewesen. Minder fordert für diese Flüge eine Startpauschale von 500 CHF, was die Kommission ablehnte. Wohl zu Recht wurde unter anderem eingewendet, nicht der Start, sondern die Fluglänge sei zu besteuern. Umweltministerin Simonetta Sommaruga brachte eine mögliche Erhöhung der Mineralölsteuer für Businessflüge ins Spiel.
Wie auch immer die Sache in den Räten ausgeht, die Abgabe wird wohl eher einen symbolischen Charakter haben, denn eine hohe CO2-Steuer wird sich politisch kaum durchsetzen lassen. Dessen ungeachtet geht der Trend in Richtung Besteuerung der Fliegerei, und in diesem Kontext wird unweigerlich die Praxis des Helikopter-Tourismus erneut in die Kritik kommen.
In Zermatt, dem weltweit bekannten Walliser Tourismusort, sieht man bereits Feuer im Dach und erhebt ein präventives Lamento. Air-Zermatt-Chef Gerold Biner sagt gegenüber Stefan Häne: «Wenn das so kommt, wäre das eine Katastrophe.» Er warnt vor unweigerlichen Restrukturierungen und «Personalbbau».
Das defizitäre Rettungsgeschäft könne man dann nicht mehr durch Heli-Tourismus finanzieren, sagt Biner. Bislang wurde stets argumentiert, Heli-Skiing sei unverzichtbar für das Training der Piloten. Nun heisst es, die Bergrettung sei defizitär. Die Rega wirtschaftet indessen gut ohne Heli-Skiing, und Helikopter-Firmen verdienen schliesslich nicht nur an der Bergrettung, sondern an jeder Art von Materialtranport.

«Der schnellste Skilift der Welt»
In Bezug auf das motorisierte Adventure im Schneesport ist man in Zermatt auf erstaunliche Geschäftsideen gekommen. Die Tourismus-Destination wirbt mit dem «schnellsten Skilift der Welt». In einem Luxus-SUV geht es von einer beliebigen CH-Station des Autovermieters Hertz nach Raron ins Wallis und von dort mit dem Helikopter direkt auf die Pisten rund ums Matterhorn. Das ganze Paket inklusive Tageskarte für 1665 CHF. Im günstigsten Fall kann der Heli fünf Leute mitnehmen, das wäre dann 333 CHF pro Kopf. Die 60 Liter Kerosin pro Flug hält man in Zermatt für vertretbar.
Die Alpenschutzorganisation Mountain Wilderness sprach von einer geradezu symbolischen Ignoranz und schrieb an die Adresse von Air Zermatt: «Während Menschen in der Schweiz und weltweit für den Klimaschutz auf die Strasse gehen, werben Sie für völlig überdimensionierte, umweltschädliche Mobilität als Freizeitvergnügen.» (vgl. Zürcher Tagesanzeiger, 13. Feb. 2019)


Mit dem Helikopter zur Skiabfahrt
Viele der 40 autorisierten touristischen Heli-Landeplätze liegen in Gebieten, welche das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler BLN unter Schutz gestellt hat. Warum gerade dort Helis landen müssen, um Skifahrern eine mühelose Tiefschneeabfahrt zu ermöglichen, fragen sich Winterwanderer und Skitourengeher seit Jahrzehnten. Wenn der Helikopter den Skilift ersetzt, wird der Lärm zum Ärgernis für ganze Talschaften. In einer Zeit, in der sich selbst Wirtschaftskapitäne und freisinnige Politikerinnen für Nachhaltigkeit und umweltschonende Politik stark machen, ist die ausufernde touristische Heli-Fliegerei der Bevölkerung nicht mehr zu erklären.
Qualifiziertes Interesse
Es gibt auch ein ethisches Problem. Skitouren, Klettern und andere Arten des Bergsports sind wesentlicher Teil der Kultur der Alpenländer. Heutzutage scheint man sich um diese Tradition zu foutieren. Es wird Mode, Bergsteigen durch den Helikopter zu ersetzen. Denn es muss ja alles schnell gehen. Die Helisking-Fans nehmen sich nicht die Zeit, auf den Berg zu gehen. Es ist ihnen zu mühsam, mit dem Berg Bekanntschaft zu machen. Der Berg und sein Schnee werden zum Konsumartikel, den man kaufen kann, wie man vor Feierabend schnell eine Flasche Bier kauft.
Die schnelle Bedürfnisbefriedigung der Klientel wird wohl in Zermatt als Standortvorteil eingeschätzt. Ein Trend, der im Rahmen einer allgemeinen narzisstischen Infantilisierung der Gesellschaft gesehen werden kann. Dem erwachsenen Konsumenten darf nicht zugemutet werden, dass er für seinen Freizeitsport Geduld und Anstrengung aufbringen muss. Sonst könnte er, wie ein Kleinkind, zu schreien anfangen.
Auf meine Frage, wie es möglich sei, dass in geschützten BLN-Gebieten immer noch Heliskiing betrieben werde, beschied mir das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL), der Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) sehe «unter anderem vor, dass auf den dafür geeigneten Gebirgslandeplätze weiterhin Heliskiing betrieben werden kann, sofern dafür ein gesamttouristisches, qualifiziertes Interesse, beispielsweise mittels eines regionalen oder kantonalen Tourismuskonzepts nachgewiesen wird». Für sämtliche für das Heliskiing in Frage kommenden Gebirgslandeplätze liege ein derartiger Interessennachweis vor.
In entbürokratisiertem Deutsch hiess das wohl: Es soll alles so bleiben, wie es ist. Der erwähnte «Interessennachweis» ist in dem Fall wohl der Nachweis der Interessen von Air Glacier und Air Zermatt. Heute, fünf Monate später, kann man in Anlehnung an Galilei sagen: Und sie bewegt sich doch. Nämlich die Schweiz und ihre Umweltpolitik.
_________________________________________
Siehe dazu:
Alpenschutzorganisation protestiert auf 3660 Metern

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

Wald

Schutz der Natur und der Landschaft

Nur so weit es die Nutzung von Ressourcen, wirtschaftliche Interessen oder Freizeitsport zulassen?

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5 Meinungen

  • am 1.10.2019 um 11:57 Uhr
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    Ich bin kein Freund von Heliskiing. Ebensowenig begrüsse ich die Bürozeitenluftwaffe oder Privatfliegerei und die zahllosen Ferienflieger. Doch es gilt zu bedenken, dass manche Touristen, vorwiegend aus dem frühren Ostblock, die Bergrettung per Helikopter beanspruchen, ohne dafür versichert zu sein oder die Möglichkeit zu haben, die Rettungskosten zu begleichen. Entweder Air Glaciers und Air Zermatt streichen sich diese Kosten ans Bein, wie bisher, oder die Rega wird auch diese Rettungen übernehmen müssen, weil sie sonst aus Mangel an finanziellen Mitteln nicht mehr geleistet werden können. Die Rega spielt in einer anderen Liga, als die Air Glaciers und Air Zermatt, sie kann es sich leisten, auf gewissen Kosten sitzen zu bleiben, dank der guten, breiten Verankerung in der Bevölkerung. Die Frage wird sein, wollen wir ein Berg-Luftrettungsmonopol der Rega, oder sollen Air Glaciers und Air Zermatt ihren Platz in der alpinen Rettung behalten? Alternativ könnte von den Bergsteigern eine obligatorische Versicherung verlangt werden, damit ungedeckte Rettungskosten dem Helikopterunternehmen vergütet werden. Bloss fragt sich, wie man den Versicherungsabschluss erzwingt, bevor man die Touristen auf den Berg loslässt. Vielleicht könnte der Zoll bei der Einreise jeden, der Bergsteigerequipement mitführt, in die Pflicht nehmen. Trotzdem werden Wanderer und Autoreisende durch diese Kontrollen schlüpfen. Die grassierende Umwelthysterie schafft wieder einmal mehr Probleme, als sie löst.

  • am 1.10.2019 um 12:06 Uhr
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    Die Air Zermatt schadet dem eigenen Dorf.
    Ein Heli transportiert ein bis fünf Gäste und stört mit seinem Lärm dabei tausende andere Gäste.
    Die Geschichte mit der Finanzierung der Rettung ist haarsträubender Unsinn. Rettungsflüge werden von der Versicherung bezahlt. Diesen kann und soll man einen angemessenen Preis verrechnen.
    Dass das BundesAmt für Zuviel Luftfahrt nichts macht, erstaunt mich nicht. Das BAZL verteidigt nicht nur die bestehenden Landeplätze, es zeigt sich darüber hinaus ausgesprochen unwillig, die illegalen Flüge ausserhalb der offiziellen Landeplätze zu verfolgen. Für mich ist unverständlich, warum Simonetta Sommaruga hier nicht die längst fälligen personellen Wechsel veranlasst.

  • am 1.10.2019 um 12:52 Uhr
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    Ein Interessensnachweis ist ein Freibillet auch im Tierschutz, auf der Jagd, in der Massentierhaltung. Selbst im Tierschutzgesetz ist nicht das Interesse des Tieres sondern das Interesse des Menschen geschützt!!
    So auch in der Natur! Die Interessensabschätzung kann nur erfolgen wenn die Verteidigung der Interessen gleichwertig gegeben ist!!!

  • am 2.10.2019 um 08:43 Uhr
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    @Daniel Heierli
    Ich kann gut verstehen, dass der Helilärm stört. Aber das ganze Dorf lebt gut vom Tourismus. Klar zahlt die Versicherung, aber nur, sofern eine abgeschlossen wurde! Leider ist es oft so, dass die Geretteten eine Hoteladresse angeben, wo sie angeblich logieren und dann untertauchen, wenn ihr Zustand das erlaubt. Im Ausland Geld eintreiben, ist kaum zu bewerkstelligen. Es ist ein grosses Problem, soll man ein Seil mit Körbchen in die Gletscherspalte hinunterlassen und die Spaltenrettung nur durchführen, nachdem eine gedeckte Kreditkarte ins Körbchen gelegt wurde? Es bräuchte Staatsverträge, die eine Herkunftsstaatshaftung für Rettungskosten schöpfen.
    @Marion Theus: Sie würden staunen, an was alles sich Wildtiere sehr schnell gewöhnen. Es mag sehr vereinzelt zu Störungen mit gravierenden Folgen kommen, aber die Gebirgslandeplätze werden vom Wild gemieden. Sie glauben mir nicht? Im Auto eines Bekannten haben sich zwei Marder-Geschwister eingenistet, pendelten zwischen Wallis und Bern, lebten im Motorraum. Versuchen Sie mal, Rehe aus dem Garten zu vertreiben – da hilft absolut gar nichts. Die kommen immer und immer wieder.

  • am 4.10.2019 um 20:59 Uhr
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    @Urs Lauper
    Das ganze Dorf lebt vom Tourismus. Aber vor allem von den Touristen, die nicht Heli fliegen, denn das ist die Mehrheit. Und wenn man den Ort für diese Mehrheit unattraktiver macht, schadet das insgesamt dem Tourismus!
    Es mag ab und zu vorkommen, dass Leute gerettet werden, die nicht zahlungsfähig sind. Sie übertreiben hier aber hoffnungslos, wenn sie behaupten, das sei sozusagen der Normalfall. Und gegen das Abschleichen nach einem Flug kann man ja Vorkehrungen treffen. Man muss sich nur nicht dümmer anstellen, als man ist.

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