Sperberauge

In Haut von Süddeutschen schlüpfen

Sperber Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsKeine © Bénédicte Sambo

Red. /  Das Schweizer Uralt-KKW Beznau und der Atommüll liegen an der Grenze. Wie das aus Sicht von Nachbarn aussieht.

upg. Um Nachbarn zu verstehen, soll man in deren Haut zu schlüpfen versuchen. Drei grosse Umweltverbände in Süddeutschland haben ihr Befinden formuliert. Wir sollten es zur Kenntnis nehmen.

Noch mehr atomares Risiko am Hochrhein
Vier der fünf Schweizer AKW’s stehen in der Grenzregion am Hochrhein. Das grenznahe AKW Leibstadt hat einen störanfälligen Siedewasserreaktor und in Beznau läuft das älteste und damit eines der gefährlichsten AKW der Welt. Im grenznahen Würenlingen steht das grosse «Atomforschungszentrum» PSI der Schweiz, ein atomares Zwischenlager für leicht, mittel- und hochradioaktiven Müll und eine Castorhalle wie in Gorleben.
Dazu kommt in Würenlingen ein Verbrennungsofen für radioaktiven Müll mit einem hohen Schornstein für radioaktive Abgase.

Und wo sucht die Nationale Genossenschaft zur Lagerung radioaktiver Abfälle, Nagra, nach einem Endlager für hochradioaktiven Müll? Selbstverständlich im Grenzgebiet am Hochrhein (Benken) und es gibt viele Hinweise, dass dieses Endlager im grenznahen Züricher Weinland auch realisiert werden soll, obwohl die dortigen «endlagerfähigen» Gesteinsschichten im internationalen Vergleich extrem dünn sind.

Während in der Innerschweiz zumindest ein Ende des Schrottreaktors in Mühleberg im Jahr 2019 geplant ist, wird sich nach aktuellen Informationen das atomare Risiko am Hochrhein noch vergrössern.

Das «Technikmuseum», die beiden Reaktoren im AKW Beznau, wird im Gegensatz zum AKW Mühleberg nicht etwa abgestellt, sondern für 700 Millionen Franken aufgehübscht.
Und heute melden die Schweizer Medien, dass die Atommüllzwischenlager in der «Zwilag» in Würenlingen fast voll sind und darum ausgebaut werden sollen.

«Die bisherige Halle biete Platz für rund 6000 Fässer und 160 Container. Eingelagert seien bereits 5000 Fässer und 120 Container.(…)Weil das Bundeszwischenlager in absehbarer Zeit voll sein werde, liefen bereits seit einiger Zeit die Antragsarbeiten für die Bewilligung eines Erweiterungsbaus. (…) Geplant sei der Bau einer neuen Halle neben der bereits bestehenden. Die neue Halle soll Platz für 480 Container bieten. Damit würde sie in der alten Halle Platz für 3000 weitere Fässer schaffen. Das PSI rechnet mit Investitionskosten in Höhe von 7 Millionen Franken.», berichtete die Aargauer Zeitung am 19.05.14.

«Eine Frage sollte unter europäischen Nachbarn möglich sein», meint Axel Mayer, Geschäftsführer des «Bund Regionalverband Südlicher Oberrhein»: «Wie wäre die Reaktion der Schweizerinnen und Schweizer, wenn die Situation genau umgekehrt wäre?» Stellen Sie sich vor: «Die Nordschweiz wäre atomanlagenfrei, genau so wie es in Südbaden heute ist. Und Deutschland würde seine Atomanlagen und das atomare Risiko im Grenzgebiet zur Schweiz konzentrieren? Welche Debatten und Emotionen würde das auslösen?» Es ist ein europäisches Phänomen, dass Hochrisikoanlagen gerne an die nationalen Grenzen gesetzt werden um nationale Vorteile zu geniessen und die Risiken international zu verteilen.

Atomare Risiken kennen keine Grenzen und Radioaktivität unterscheidet weder im sogenannten Normalbetrieb noch bei Atomunfällen zwischen den Nationalitäten. Berechtigte Sorgen der Nachbarn dürfen nicht ignoriert werden und die betroffenen Menschen dürfen sich nicht gegeneinander ausspielen lassen.

«Atommüll muss gut und sicher gelagert werden. Aber wenn dies wieder grenznah geschehen soll, dann müssen zumindest die Hochrisikoreaktoren in Beznau abgestellt werden. Ein ständiger Ausbau des atomaren Risikos, immer in Grenznähe, ist unerträglich.» sagt Uli Faigle, Geschäftsführer des «Bund Regionalverband Hochrhein».


Am 24. Juni findet in Brugg AG eine öffentliche Diskussion statt zur Frage: « Wie sicher ist Beznau? Beznau, das älteste Atomkraftwerk der Welt». Ensi und Axpo haben die Teilnahme abgesagt.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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Eine Meinung zu

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 21.05.2014 um 09:48 Uhr
    Permalink

    Es ist nicht verboten, sich auch in die Haut von Zurzibietern zu versetzen, oder der Würenlinger und Villiger, dem Gebiet, wo der weitaus beste Aargauer Wein wächst. Auf dem Kühlturm des KKW Leibstadt nistet der jahrzehntelang verschwundene Wanderfalke. Im Gegensatz zur Nachbarschaft kann die Meinung der Zurzibieter demokratisch eingeholt werden, bestätigte sich schon Dutzende von Malen.

    Mein Onkel Ernst Meier, Vizeammann von Würenlingen, mit gleichem Vor- und Familiennamen wie der gleichzeitige Gemeindeammann, setzte 1961 mit der Wortschöpfung «Atomseich» seine Wiederwahl aufs Spiel. Der Begriff tauchte in einem Flugblatt auf und ist damit sprachwissenschaftlich ausreichend belegt. Die Visionen des klugen und humorvollen Vizeammanns, mehr als einen Doppelzentner schwer, Paukenschläger in der Musikgesellschaft, deren Ehrenmitglied, blieben jedoch im unteren Aaretal eine Minderheitsmeinung. Fast nichts hat in Würenlingen eine vergleichbare hohe Akzeptanz wie das Zwilag, das Zwischenlager für Radioaktive Abfälle. Der Beweis, dass es tödlicher sei als andere potentielle Umweltgefährdungen, wurde nicht einmal in Fukushima erbracht. Für den benachbarten Waldshuter Raum, wo in den letzten Jahrzehnten die Reste der jahrhundertealten Gemeindedemokratie der Hauensteiner Einung dank dem Reformwillen des einstigen Ministerpräsidenten Filbinger, ex-Marinerichter, beseitigt wurden, ist wichtig, dass amn sich wenigstens auf dem Gebiet «Atom» einigermassen populistisch abreagieren kann.

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