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Plastikmüll am Strand bei Accra, der Hauptstadt von Ghana. © Muntaka Chasant

Sie stellen das Material für Abfallhalden und Plastikinseln her

Rolf Muntwyler /  Wenige grosse Konzerne und Banken kontrollieren Herstellung und Finanzierung von Einwegplastik. Das ist problematisch.

Die Plastikverschmutzung zu Land und vor allem zu Wasser hat ein unvorstellbares Ausmass erreicht. 11 Millionen Tonnen Plastik landen jedes Jahr in den Weltmeeren. Im Meer bilden sich Plastikinseln; geschätzte 90 Prozent der Meeresvögel haben Plastik im Magen. Auch ist unser eigener Abfall längst als Mikroplastik in unseren Lebensmitteln angekommen, zum Beispiel in Honig.

An der Quelle des Problems steht die enorme Menge Wegwerfplastik, die wir verbrauchen. Weltweit werden etwa 130 Millionen Tonnen Einwegplastik pro Jahr produziert. Wo der Plastik eingesetzt wird, wissen wir aus unserem Alltag. Wer aber stellt diese enormen Mengen her? Ein umfassender Bericht zeigt die Hersteller, Investoren und Warenströme auf. Auffällig ist, dass eine kleine Gruppe riesiger Unternehmen und Investoren im Zentrum dieser globalen Industrie steht.

Der Bericht stammt von Forschern unter der Leitung von Minderoo, einer NGO mit Sitz in Australien, die sich für sauberere Ozeane einsetzt, von Wissenschaftlern der Universität Oxford und des Stockholm Environment Institute (SEI). Das SEI ist eine Non-Profit-Organisation, die Politik und Wissenschaft zusammenbringen will und sich der Lösungssuche von Umweltproblemen verschrieben hat.

20 Giganten dominierten den Weltmarkt

Dieser Bericht deckt eine bisher verborgene Ebene des Plastikkreislaufs auf. Er zeigt, wer die Kunststoffe und die Petrochemikalien, die Bausteine für Einwegplastik, herstellt.

Dem Bericht zufolge wird die Hälfte des weltweiten Einwegplastiks von 20 grossen Unternehmen hergestellt. An der Spitze der Produzenten stehen zwei US-amerikanische Unternehmen, der Erdölkonzern Exxon Mobil und der Pharmariese Dow, gefolgt von Sinopec, einem chinesischen Petrochemiegiganten, und Indorama Ventures, das seinen Sitz in Bangkok hat.

Tony Gardner, der Projektverantwortliche beim SEI, spricht in einem Videointerview davon, wie wichtig es sei, die Akteure zu kennen: Regierungen müssten unter Einbezug der Hersteller Massnahmen ergreifen, um vom Einwegplastik wegzukommen. Eine Transition zu einer Kreislaufwirtschaft sei unabdingbar. Also: wiederverwertbare und abbaubare Materialien verwenden und die Kunststoffe rezyklieren.

Die Branche wimmelt die Kritik ab

Einwegplastik ist ein sehr einträgliches Geschäft, und das wird voraussichtlich so bleiben. Der Anreiz für die Unternehmen, eine Änderung herbeizuführen, ist eigentlich nicht vorhanden. Denn trotz der Bestrebungen, Einwegplastik zu reduzieren, wird für die nächsten fünf Jahre ein Anstieg der Produktionskapazität um 30 Prozent prognostiziert.

Die Hersteller sind ob des Berichts nicht erfreut. Der Verband der US-Kunststoffindustrie ACC bezeichnete den Bericht als «irreführend»: Im Bericht würde nicht berücksichtigt, dass der Ersatz von Kunststoffverpackungen durch andere Materialien die Treibhausgasemissionen erhöhen könnte. Und dass Kunststoffe zum Beispiel die Haltbarkeit von Lebensmitteln verlängere. Die Haltung ist typisch: Die Branche fürchtet ums Geschäft und wimmelt Kritik ab, statt rasch an Anpassungen zu arbeiten.

20 Manager entscheiden, dass 300 Mia. $ in die Branche fliesst

Die Verfasser des Berichts gingen noch eine Ebene tiefer und wollten wissen, welche Institutionen in diesen Wirtschaftszweig investieren. Zutage kamen einige der bekanntesten Namen der Finanzwelt, darunter Vanguard und der grösste Finanzverwalter der Welt, Blackrock. Zu den Kreditgebern gehören die grössten Banken der Welt wie Barclays und JPMorgan Chase. Auch die Regierungen sind entscheidende Akteure in dieser Branche, in Bezug auf Regulierungen, aber auch auf die Finanzierung. Bei rund 40 Prozent der grössten Hersteller von Einwegplastik gehören Regierungen zu den Investoren, etwa China und Saudi-Arabien.

Tony Gardner vom SEI sagt im Videointerview, es gebe keine Alternative: «Wir müssen unter allen Umständen erreichen, den Plastikverbrauch zu reduzieren.» Klar sei, dass die Unternehmen das nicht von sich aus tun würden. «Druck vonseiten der Konsumenten reicht dabei nicht, auch die Investoren müssen Einfluss nehmen.» Nur eine Handvoll Banken stellten die Hälfte aller Investitionen zur Verfügung. «In der Realität bedeutet das, dass vielleicht 20 Asset-Manager auf der ganzen Welt über die 300 Milliarden Dollar entscheiden, die Finanzinstitute in diese Branche stecken.»

Schweizer gehören zu den «Top-Verbrauchern»

Der grosse Teil des Einwegplastiks wird in der «ersten Welt» eingesetzt. Ein durchschnittlicher Amerikaner und Australier wirft jedes Jahr etwa 50 Kilogramm Einwegplastik weg, die EU-Bürger im Schnitt 30 Kilo, das mit riesigen Unterschieden: Schweden 24, Deutsche 39 und Iren 58 Kilo. Die Schweizer finden sich unrühmlich auf dem weltweit achten Rang mit 52 Kilo Einwegplastik.

Ganz anders sieht es nur schon bei den aufstrebenden Staaten aus. Gemäss Minderoo-Bericht verbrauche der durchschnittliche Chinese weniger als 20 Kilo, der Inder weniger 5 Kilo pro Jahr. In Senegal sind es 2, in Angola 1 Kilo pro Kopf.

In den USA werden erst etwa 8 Prozent des Kunststoffs rezykliert. Zwar gibt es in einzelnen Gemeinden und Staaten Einschränkungen und Verbote. Zu einer nennenswerten Reduktion des Plastikmülls hat das aber noch nicht geführt. Gemäss Bericht besteht eine grosse Herausforderung darin, dass die bestehenden Strukturen die Produktion von Plastik begünstigt. Es ist weitaus billiger, eine Softdrink-Flasche aus neu produziertem Kunststoff herzustellen als aus rezykliertem.

Plastikgipfel wie Pariser Klimagipfel

Diese Strukturen versucht die EU nun aufzubrechen. Sie hat eine Richtlinie erlassen, in der Verbrauchermarken aufgefordert werden, bis 2025 mindestens 30 Prozent recycelten Inhalt in Plastikflaschen zu verwenden. Das ist immerhin ein Schritt Richtung Kreislaufwirtschaft.

Das reicht für das Stockholm Environment Institute längst nicht aus. Deren Vertreter Tony Gardner fordert, dass sich Investoren und Hersteller engagieren, dass alle Fakten auf den Tisch kommen und daraus wissenschaftsbasierte Massnahmen abgeleitet werden müssen. «Es braucht ein gemeinsames Vorgehen der Staatengemeinschaft wie beim Klimagipfel in Paris, wo man sich auf ein globales Vorgehen einigen kann.»

Schritte in diese Richtung gibt es: Anfang September fand eine Ministerkonferenz in Genf und online (Ministerial Conference on Marine Litter and Plastic Pollution) mit Vertreterinnen und Vertretern aus 140 Staaten statt. Peru und Ruanda haben einen Entwurf für eine Uno-Resolution eingebracht, der als Grundlage für eine Übereinkunft an der 5. Uno-Generalversammlung 2022 dienen soll.

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Abfälle, die an den Strand von Laysan Island, einer Insel im «Hawai Islands National Wildlife Refuge», angeschwemmt wurden. Darunter auch viel Plastik.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

goldstein

Plastik-Abfälle für die Ewigkeit

Kunststoffmüll wird zum Problem künftiger Generationen. Weltweit gelangen fast 80% in Umwelt und Deponien.

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15 Meinungen

  • am 3.10.2021 um 11:53 Uhr
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    Wie beispielsweise beim Bauen, beim Konsum, bei der Medizin oder beim Verkehr, so ist es auch mit dem Plastik: immer noch mehr Fortschritt, aber eigentlich ein Wahnsinn. Nach dem Motto
    … und dann konkret noch dies: einer der einfluss- und geldreichsten Schweizer hat seine Milliarden mit der EMS-Chemie wundersam in der Plastikbranche gemacht, was weder die sogenannte Linke, noch die sogenannte Rechte wissen will!

    • am 4.10.2021 um 09:11 Uhr
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      Bitte an die Redaktion: diesen halben Doppelgänger löschen. Danke.

    • am 4.10.2021 um 20:25 Uhr
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      Was den Milliardär betrifft gibt es so manches mit dem er sein Geld gemacht hat, was eigentlich so richtig niemand wissen will. Aber das ist nicht das Thema.
      Das Problem mit dem Plastik liegt nicht nur bei den Herstellern, sondern ebenfalls bei den, wie weiter unten angemerkt, Inverkehrbringern.

  • am 3.10.2021 um 11:57 Uhr
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    Wie beispielsweise beim Bauen, beim Konsum, bei der Medizin oder beim Verkehr, so ist es auch mit beim Plastik: immer noch mehr Fortschritt, aber eigentlich ein Wahnsinn. Nach dem Motto «Weitermachen ist sinnlos. Aber aufhören für uns noch sinnloser. Also machen wir halt weiter. Immer noch mehr: bis zum Geht-nicht-mehr!»
    … und dann konkret noch dies: einer der einfluss- und geldreichsten Schweizer hat seine Milliarden mit der EMS-Chemie wundersam in der Plastikbranche gemacht, was weder die sogenannte Linke, noch die sogenannte Rechte wissen will!

  • am 3.10.2021 um 21:33 Uhr
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    Kunstoff ist nicht die Ursache des Umweltproblems, sondern ein Symptom; ein gutes Geschäft für Hersteller und Recycler.
    Wirklich etwas verändern würde nur, wenn die Inverkehrsbringer verpflichtet werden für die Kosten der Entsorgung aufzukommen und den Plastikabfall kostenfrei zurückzunehmen.

    • am 4.10.2021 um 13:55 Uhr
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      Die Ursache des Problems liegt als erstes bei den Verbrauchern, welche den Plastikmüll illegal irgendwo in die Natur schmeißen! Bergsteiger lassen unterwegs einiges an Ausrüstung und sonstigen Müll liegen, an den Stränden bleibt der Verpackungsmüll liegen und die nächtlichen Saufgelage hinterlassen auch so einiges. Das Anstandsniveau der Menschheit ist allgemein tendenziell abnehmend!

    • am 5.10.2021 um 09:18 Uhr
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      Mit dem Plastik scheint es mit ähnlich wie beispielsweise mit dem Flugverkehr. Wer ist das Problem: Die Leute, die fliegen, oder die Fluggesellschaften?

      • am 5.10.2021 um 20:52 Uhr
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        Das Fliegen hat nicht direkt mit der Plastikproblematik zu tun, aber im Prinzip geht es um das Gleiche.
        Es ist die klassische Frage von Angebot und Nachfrage. Es ist immer noch so, dass das Angebot die Nachfrage bestimmt und nicht umgekehrt.
        Solange man ein Gut konsumieren kann wird es konsumiert werden. Wenn gewisse Dinge «dazu gehören», kann man dem nicht ausweichen. Darum wäre der Weg die Verursacher (das sind nun mal nicht die Konsumenten) in die Pflicht zu nehmen der richtige.
        Natürlich ist es verwerflich wenn jemand seinen Plastikabfall in der freien Natur entsorgt, aber es ist ein vielfaches verwerflicher wenn Produzenten sich nicht um die Entsorgung der produzierten Gegenstände scheren.

  • am 4.10.2021 um 12:22 Uhr
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    Es treibt einem die Tränen in die Augen oder die Wut ins Herz – je nach Veranlagung. Mit der Verhinderung der Klimakatastrophe wird es so nichts. Wir steuern direkt und gezielt darauf zu: Die kapitalistische Wirtschaft kann auf Wachstum und Ausbeutung als Grundlage ihrer Existenz nicht verzichten und die Menschen sind zu bequem, konsumsüchtig und durch Propaganda und Werbung manipuliert, dass sie nicht bereit sind, Abstriche an ihrem kuscheligen Dasein zu machen (dass sich viele ein solches gar nicht leisten können, sei nur am Rande erwähnt). Überall wird nur gelabert, was alles gemacht werden muss, konkrete Maßnahmen sehe ich bisher nicht. Warum wird die Produktion von hubraummächtigen PKW nicht verboten? Wieso finden noch immer weltweit Motorsportveranstaltungen statt? Weshalb wird die energiehungrige Werbung nicht abgeschaltet bzw. eingestellt? Müssen immer noch Feuerwerke gezündet werden? Kann die Produktion von Gebrauchsgegenständen nicht verstärkt aus recycelten Rohstoffen erfolgen? Warum ist so viel Mikroplastik in der Welt (Kosmetika, Bekleidung)? Die Reihe ließe sich endlos fortsetzen, ich habe nur ein paar Sachen angesprochen, die noch keine globalen wirtschaftlichen Verwerfungen erzeugen würden, aber mal ein Anfang wären. So lange die Finanzindustrie und die Wirtschaft allerdings den Regierungen vorgeben, was sie zu tun oder zu lassen haben, so lange steuern wir direkt auf die Katastrophe zu. Dabei zählen jeder Tag und jede Maßnahme. Her mit der Ökodiktatur!

    • am 5.10.2021 um 21:51 Uhr
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      Recycling ist nicht die Lösung, sondern Nachhaltigkeit.
      Ob eine Ökodiktatur das zu leisten vermag bezweifle ich.

  • am 4.10.2021 um 13:19 Uhr
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    Das sich was ändern müsste das sind sich wohl all einig! Aber keine Firma würde am Ast sägen auf dem sie sitzt! PET Flaschen, Einwegverpackungen und Karton nehmen wohl platz eins ein beim Kunststoff! Warum nimmt man die Industrie nicht endlich in die Pflicht? Als ich noch Kind war kam das Mineral Wasser noch in Glasflaschen! Glas kann man immer wieder verwenden nach der Reinigung! Wasser haben wir ja mehr als genug in der Schweiz! Weiter sollten Firmen auf Mehrwegverpackungen setzen und nicht alles in 3 Karton verpacken. Von letztem habe ich eine Kaffeemaschine von Galaxus erhalten die war in einem Karton dann noch einen Karton und noch einen Karton. Dazu noch 1/2 kg Styropor und Füllmaterial. Dieser Wahnsinn muss ein Ende haben! Wir Konsumenten haben leider keinen Einfluss auf die Verpackungen daher ist die Politik endlich gefragt!

    • am 7.10.2021 um 10:33 Uhr
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      Die Frage ist halt, ob Sie die Kaffeemaschine WIRKLICH BRAUCHEN. Es ist ja nicht nur der Verpackungswahnsinn, sondern auch der Päckli-Tsunami, der dank den Lastwagen die Strassen verstopft, Staus verursacht u. die Luft verpestet und uns in den Untergang treibt. Und wenn die Maschine dann mal gestorben ist, kommt das Entsorgungsproblem.
      Vielleicht hat`s in Ihrer Nähe ja ein Brockenhaus – mit dem Velo erreichbar – wo Sie mit Sicherheit einen altmodischen Kaffeefilter finden werden, mit dem Sie sich wie damals Oma einen feinen Kaffee aufbrühen können. Oder so eine italienische Espresso-Kanne macht mit ein bisschen Übung auch sehr feinen Kaffee. Und ist mit wenig Aufwand in Stand zu halten und fast unkaputtbar und kann problemlos rezykliert werden. Und das alles für`n Appel und `n Ei…. Schafft das Ihre schöne neue Kaffeemaschine auch?

  • am 5.10.2021 um 12:40 Uhr
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    «Peru und Ruanda haben einen Entwurf eingebracht» und wann spendet Europa bzw. die Schweiz einen Entwurf bei?
    Ach ja, ich hatte soeben vergessen gehabt, dass Alleingänge in der Schweiz, aus der Sicht der Politik, prinzipiell unmöglich sind.

  • am 6.10.2021 um 23:17 Uhr
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    Die liebe, umweltbewusste Migros hat einen neuen Trick gefunden. Sie verkauft 10 Plastik-Sammelsäcke (aus Plastik notabene) für Fr. 17.-, da darf man den Verpackungsplastikmüll ‹reintun u. den vollen Sack in spezielle Sammelbehälter bei der Filiale werfen. Angeblich wird aus dem Plastik dann wieder neuer Plastik für Verpackung hergestellt. Das Ganze wird als Umwelt-Engagement verkauft. Ist das nicht raffiniert?

    • am 7.10.2021 um 13:16 Uhr
      Permalink

      Ist so, das Engagement der Migros ist nichts anderes als an dem Geschäft mit dem Abfall teilzuhaben. Auch der Preis ist in etwa so hoch, wie bei den andern Entsorgern.

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