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Schon vor zwei Jahren sagte eine Zeitung dem australischen Premier Probleme voraus © TheConversation

Wenn man Banken an zu langer Leine lässt

Daniela Gschweng /  Die neoliberale Regierung wollte eine Untersuchung verhindern. Nun herrscht Katzenjammer bei den Verfechtern der Selbstregulierung.

Australien wird derzeit von einer Serie von Bankenskandalen erschüttert. Einige wurden von den Medien publik gemacht, viele andere kamen durch die Arbeit einer Untersuchungskommission ans Licht, die 2017 auf Druck von Öffentlichkeit und Opposition von der Regierung Turnbull eingesetzt werden musste.

Das Ausmass der Verstösse schockiert selbst Fachleute wie den ehemaligen Vorsitzenden der Wettbewerbskommission. Nicht nur, dass Banken selbst seit Jahren verstorbenen Kunden Dienstleistungen verrechnet hatten, die diese nie erhielten. Die Kommission fand unter andererm gefälschte Dokumente und belegte Bestechungsversuche wie auch Falschaussagen von Finanzdienstleistern. Eine Bank bezahlte Provisionen für die Vermittlung riskanter Hypotheken durch Laien. Eine andere wurde für den Verstoss gegen Gesetze zur Geldwäsche und Unterstützung terroristischer Vereinigungen zur Zahlung einer halben Milliarde US-Dollar verurteilt. Mehrere Manager führender Banken mussten sich vor Gericht verantworten, es kam zu mehreren Rücktritten.

Katzenjammer bei Verfechtern der Selbstregulierung

Die Vorfälle werfen kein gutes Licht auf die wichtigste Finanzaufsichtsbehörde Australiens, die Wertpapier- und Investitionskommission. Ihre Arbeit habe sich als vollkommen unwirksam erwiesen, schreibt Kolumnist Waleed Aly, Lehrbeauftragter an der Monash University in Melbourne, in einem Gastbeitrag in der «New York Times». Unter dem Titel «Australiens gescheiterte Ideologie» kritisierte er die Neoliberalen, die sich gegen eine Untersuchungskommission hartnäckig, aber schliesslich vergeblich gewehrt hatten.

Dabei geht es Australien gut. Die Wirtschaft sei in den vergangenen 27 Jahren stetig gewachsen, selbst während der globalen Finanzkrise, führt Aly an. Der Finanzsektor gilt als Pfeiler der Stabilität für die australische Wirtschaft. Nun gebe sogar der Wirtschaftswissenschaftler Ian Harper, der das derzeitige Finanzsystem Australiens mitentwickelt hat, zu, dass man zu viel Vertrauen in die Hypothese des effizienten Marktes mit minimaler Regulierung gesetzt habe.

Eine der Ursachen für die derzeitigen Probleme sieht Waleed Aly dabei in Interessenkonflikten: «In der Aufsichtsbehörde arbeiteten vorwiegend Leute, die von der Finanzindustrie kamen, die sie beaufsichtigen sollten».

Auch der Glaube an die «Trickle-Down-Theorie», nach der ein gesamtwirtschaftlicher Erfolg letztendlich auch den weniger Vermögenden zugutekommt, sei zusammengebrochen, stellt Aly fest. Australien befinde sich seit Jahren im Aufschwung, trotzdem stagnierten die Löhne, obwohl die Arbeitslosigkeit sinke. Für den «Trickle-Down-Effekt» gebe es weltweit ohnehin nur wenige Belege. In den USA etwa, wo wie in Australien Unternehmenssteuern gesenkt worden waren, flössen die Gewinne daraus hauptsächlich an die Aktionäre.

Das Vertrauen in Politik und Finanzmarkt ist schwer beschädigt

Den Ruf nach einer Untersuchungskommission ins Rollen gebracht hatte ein Bankenskandal, bei dem tausende Australier ihre Ersparnisse verloren. Konservative Politiker hatten sich jahrelang gegen eine Untersuchung gewehrt, den Vorschlag des Senats als «politisches Geschwätz» bezeichnet und der Labour-Partei vorgeworfen «rücksichtlose Spiele mit den tragenden Säulen der Wirtschaft» zu spielen. Mit einem solchen Gremium werde «das Vertrauen in das Banken- und Finanzsystem untergraben», hatte Scott Morrison, Schatzmeister und Mitglied der «Liberal Party of Australia» noch 2016 argumentiert.

Das ist tatsächlich geschehen. Nur anders, als Morrison es sich vermutlich vorgestellt hat. Australiens Regierung muss sich vorwerfen lassen, zu lange nichts getan zu haben. Für die Banken sei das Wohlergehen der gewöhnlichen Ausstralier zweitrangig, schreibt Aly. Und die Regierung sei naiv genug gewesen davon auszugehen, dass Unternehmen den gesetzlichen Freiraum in Eigenverantwortung zum Wohlergehen aller nutzen.
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Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund eines Gastbeitrags in der «New York Times» erstellt.


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Eine Meinung zu

  • am 1.07.2018 um 13:41 Uhr
    Permalink

    Mir gefällt die Kritik – ich sehe da Analogien zu unserem BAZL:
    "Eine der Ursachen für die derzeitigen Probleme sieht Waleed Aly dabei in Interessenkonflikten: «In der Aufsichtsbehörde arbeiteten vorwiegend Leute, die von der Finanzindustrie kamen, die sie beaufsichtigen sollten»."

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