Kommentar

Warum im Jemen und am Golf nun ein Friedenslüftchen weht

Gudrun Harrer © zvg

Gudrun Harrer /  Das Riad-Abkommen soll die Hafenstadt Aden befrieden und eine Grundlage für Verhandlungen mit den Huthi-Rebellen schaffen.

Am vergangenen Dienstag hat offiziell die Umsetzung des Riad-Abkommens vom 5. November begonnen, das laut Sponsoren und Unterzeichnern dem Krieg im Jemen eine Wende hin zum Frieden geben soll. Der erste Schritt dabei ist, dass der Premierminister der aktuellen international anerkannten jemenitischen Regierung, Maeen Abdulmalik Saeed, in der südlichen Hafenstadt Aden wieder die Amtsgeschäfte aufnehmen soll.
Allerdings wird Saeed, wenn alles nach Plan geht, nicht mehr lange Premier sein: Schon am 5. Dezember soll eine völlig neue Regierung übernehmen. Die Hälfte der bis zu 24 Minister soll der Norden stellen, de facto die jemenitische Führung von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi, die andere Hälfte kommt aus dem Süden.
Denn darum geht es im Riad-Abkommen erst einmal konkret: Der Krieg im Krieg, wie der Konflikt um Aden und den Süden oft genannt wird, soll beigelegt werden. Davon erhofft man sich einen Neustart in der Diplomatie auch im eigentlichen Krieg: jenem mit den Huthi-Rebellen, die seit 2014 die Hauptstadt Sanaa besetzt halten.
In Aden, von wo die Huthis 2015 vertrieben wurden, hatten sich die Hadi-Loyalisten ab 2017 mit einer versuchten Machtübernahme durch den STC, den separatistischen Southern Transitional Council, konfrontiert gesehen. Die Situation eskalierte im August, als der STC die Reste der Hadi-Verwaltung aus Aden warf.
Beziehungen in Koalition getrübt
Da Saudi-Arabien die Schutzmacht Hadis ist und die Vereinigten Arabischen Emirate (UAE) den STC und südliche Milizen unterstützten, führte der Aden-Konflikt zu einer Trübung der Beziehungen auch innerhalb der Anti-Huthi-Koalition. Diese soll durch den Frieden in Aden nun repariert werden. Der STC allein vertritt jedoch nicht den ganzen Süden. Es gibt mehrere Gruppierungen, aber auch sie sollen in der neuen Regierung vertreten sein. Das klingt allerdings nach Konfliktpotenzial.
Experten bescheinigen dem Riad-Abkommen denn auch grossen Ehrgeiz, aber auch eine «vage Sprache», wie es in einem Briefing des Washington Institute for Near East Policy heisst. Funktioniert es, dann wird der STC politisch und militärisch völlig in die jemenitische Regierung integriert. Damit hätte auch Saudi-Arabien die Zügel im Jemen wieder völlig in der Hand. Wobei sich die Vereinigten Arabischen Emirate zwar aus Aden zurückziehen werden, aber es ist nicht zu erwarten, dass sie ihre strategischen Interessen am Golf von Aden, etwa auf der Insel Socotra, aufgeben werden.
Die Inszenierung der Unterzeichnung im al-Yamama-Palast in Riad am 5. November war vielsagend: Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (MbS) führte den Vorsitz, auch der Kronprinz von Abu Dhabi, Mohammed bin Zayed, der De-facto-Herrscher der Vereinigten Arabischen Emirate, war anwesend. Das waren natürlich auch Präsident Hadi und der Chef des STC, Aidarus al-Zubaidi, die aber Vertreter – Nasser al-Khabji als STC-Vizechef und Salem al-Khanbashi als Vizepremier – den Deal unterschreiben liessen. Man könnte dies auch als leichte Distanzierung interpretieren. STC und Hadi-Leute haben nie direkt verhandelt, immer nur über die Saudis.
Aufsteiger Khalid bin Salman 
Als eigentlicher Schöpfer des Riad-Abkommens gilt Khalid bin Salman, der jüngere Bruder des saudischen Kronprinzen. Der 31-Jährige war zuvor Botschafter in Washington – und gelangte anlässlich des Khashoggi-Mords in die Schlagzeilen. Seit Februar ist er Vize-Verteidigungsminister unter seinem Bruder. Es heisst jedoch, dass er das Jemen-Dossier von Mohammed bin Salman völlig übernommen hat.
Der Jemen-Thinktank Sanaa Center for Strategic Studies sieht in seiner Analyse das Riad-Abkommen als eine Profilierungschance für Khalid bin Salman. Mohammed bin Salman könnte ihn, wenn er König wird, sogar zu seinem Kronprinzen machen. Er hat nicht nur das Riad-Abkommen persönlich vorbereitet und durchgezogen, er hat nach dem Raketen- und Drohnenangriff auf die Ölanlagen der Aramco in Saudi-Arabien im September – die dem Iran zugeschrieben werden, zu denen sich jedoch die Huthis bekannten – auch einen direkten Gesprächskanal zu den Huthis geöffnet.
Mohammed bin Salman – der 2015 in den Jemen-Krieg einstieg – bekennt sich in Interviews nun zu einer politischen Lösung im Jemen. Treibende Kraft scheinen auch hier die Emirate zu sein. Der Staatsminister für äussere Angelegenheiten, Anwar Gargash, äusserte am Sonntag die Hoffnung auf ein Jemen-Friedensabkommen, das die «legitimen Aspirationen aller Teile der Gesellschaft berücksichtigt. Das inkludiert auch die Huthis». Gargash bezeichnete das Riad-Abkommen als «robuste Grundlage» für Verhandlungen der jemenitischen Regierung mit den Huthis.
Die Vereinigten Arabischen Emirate habe bereits im Sommer auch Versuche aufgenommen, direkt mit dem Iran ins Gespräch über eine Sicherheitsarchitektur am Persischen Golf zu kommen. Als Vermittler zwischen Saudis und Iranern bemüht sich seit Oktober Pakistan: Premier Imran Khan war sowohl in Teheran als auch in Riad. Und vor einer Woche schrieb Irans Präsident Hassan Rohani dem saudischen König Salman und dem bahrainischen König Hamad, Briefträger spielte diesmal Kuwait. 

Dieser Beitrag erschien zuerst im «Standard».

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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Gudrun Harrer ist leitende Redakteurin des österreichischen «Standard» und unterrichtet Moderne Geschichte und Politik des Nahen und Mittleren Ostens an der Universität Wien.

Zum Infosperber-Dossier:

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Der Krieg in Jemen

Die von den USA unterstützte saudische Koalition hat gezielt die Infrastruktur des armen Landes zerstört.

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