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Der neue UNO-Generalsekretär António Guterres legt seinen Amtseid ab © ard

Viel Glück, António Guterres!

Andreas Zumach /  Der neue UNO-Generalsekretär tritt sein Amt unter denkbar schwierigen Rahmenbedingungen an. Zu verlieren hat er nichts.

Der 67-jährige Portugiese, der am 1. Januar die Nachfolge von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon antritt und gestern seinen Amtseid abgelegt hat, kann alle guten Wünsche gebrauchen. Keiner seiner sieben Vorgänger seit 1945 hat den Posten unter derart schwierigen Rahmenbedingungen übernommen. Im Syrienkonflikt ist der Sicherheitsrat – laut UNO-Charta primär verantwortlich für die Bewahrung des Friedens – wegen konträrer Interessen der ständigen Mitglieder Russland und USA bereits seit fünf Jahren handlungsunfähig. Ein Ende dieser Blockade ist nicht absehbar.
Auch die humanitären Organisationen der UNO können ihre Aufgabe in Syrien wegen der fortgesetzten Kriegshandlungen kaum erfüllen. Als ehemaliger UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge appellierte Guterres 2014 vergeblich an die Mitgliedsstaaten, wenigstens genug Finanzmittel zur ausreichenden Versorgung von Millionen Flüchtlingen im Libanon, Jordanien und Irak zur Verfügung zu stellen. Dieses Versagen der Mitgliedsstaaten löste die grosse Flüchtlingsbewegung Richtung Europa ab Anfang 2015 aus. Der Anstieg der Flüchtlingszahlen trug wesentlich bei zum Erstarken rechtspopulistischer, ausländer- und islamfeindlicher Parteien sowie zu verschärften Massnahmen und Gesetzen der EU-Staaten zur Flüchtlingsabwehr, die überwiegend im Widerspruch zur Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 stehen, einem der wichtigsten Verträge der UNO-Geschichte.
USA und China in die Pflicht nehmen
Auch der künftige US-Präsident, der drei Wochen nach dem neuen UNO-Generalsekretär sein Amt antritt, verdankt seinen Wahlsieg der Hetze und Ankündigung von Massnahmen gegen Flüchtlinge, «illegale» Migranten und Muslime, die er zumindest zum Teil versuchen wird umzusetzen. Zudem hat Donald Trump in den Monaten mehrfach deutlich gemacht, wie wenig er von der UNO und von multilateraler Kooperation versteht und hält. Die von ihm angekündigte Aufkündigung des Klimaabkommens, das in jahrelangen, mühsamen Verhandlungen errungen wurde, würde den noch verbliebenen Glauben an gemeinsame Handlungsfähigkeit der Staatengemeinschaft zur Überwindung globaler Herausforderungen vollends zerstören und die Institution der UNO in eine schwere Krise stürzen.
Die von Trump ebenfalls erwogene Aufkündigung des Abkommens über das iranische Nuklearprogramm würde den Vertrag zur Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen gefährden, die Bemühungen der Genfer UNO-Abrüstungskonferenz um Rüstungskontrolle noch zusätzlich erschweren und die Konflikte in der Region des Nahen und Mittleren Osten weiter schüren.
Doch angesichts all dieser Widrigkeiten als UNO-Generalsekretär gegenüber den Regierungen der Mitgliedsstaaten leise zu treten, wie dies Ban Ki-moon in den letzten zehn Jahren insbesondere gegenüber seinen beiden Hauptsponsoren USA und China getan hat, ist die falsche Strategie. Guterres kann nur gewinnen und die Institution der UNO in ihrer Handlungsfähigkeit stärken, wenn er die Einhaltung und Umsetzung aller Normen und Konventionen (Abkommen) der UNO offensiv von allen Mitgliedsstaaten einfordert sowie Verstösse und die dafür Verantwortlichen jederzeit klar benennt. Dabei hätte er einen wichtigen und verlässlichen Verbündeten in dem couragierten UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Seid al-Hussein.
Dringende Reformen
Zudem sollte Guterres einige von seinen Vorgängern unerledigte Probleme anpacken – darunter an erster Stelle die sexuellen Missbrauchsverbrechen von Blauhelmsoldaten, die bei Bekanntwerden immer wieder und zu Unrecht die gesamte UNO in ein schlechtes Licht bringen. Entweder legt der neue Generalsekretär den Mitgliedsstaaten ein Abkommen vor, das eine verlässliche Strafverfolgung dieser Verbrechen in den Entsendeländern der Blauhelmsoldaten garantiert – die bislang zumeist nicht erfolgt. Oder Guterres schafft eine Strafverfolgungsinstanz innerhalb der UNO, an die die Mitgliedsstaaten verdächtigte Personen ausliefern müssen.
Das wichtigste Reformvorhaben, das Guterres sich für seine erste Amtsperiode vornehmen sollte, ist ein neues Finanzierungssytem, das die realen Kosten des UNO-Systems verlässlich deckt und Planungssicherheit ermöglicht. Zum Beispiel durch eine globale UNO-Steuer, berechnet nach dem Bruttosozialprodukt der Mitgliedsstaaten pro Kopf ihrer Bevölkerung.
Der neue UNO-Generalsekretär hat nichts zu verlieren. Das schlimmste, das ihm passieren kann, ist, dass er in fünf Jahren keine zweite Amtsperiode erhält.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Andreas Zumach arbeitet als Korrespondent bei der Uno in Genf u.a. für die «Tageszeitung» (taz Berlin) und «Die Presse» (Wien).

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Eine Meinung zu

  • am 18.12.2016 um 21:54 Uhr
    Permalink

    Die Interessen im Sicherheitsrat waren, soweit Laien das beurteilen kònnen, immer kontrār. Aber die USA scheinen ihre Interessen nicht mehr unilateral gegen den Rest der Welt durchsetzen zu kōnnen. Wer war an einem Regime-Wechsel in Syrien interessiert? Auszulōffeln haben diese grāsslichen Kriege, diese immensen Zerstōrungen, dieses zum Teil unermessliche Leid Syrer, Iraker, Libanesen, Afghanen, und wer noch? Man kann hoffen, Guterres habe Rūckgrat, soweit mōglich, und sei nicht auf dem einen Auge blind, auf dem linken, und sehe das Bōse nur in Russland.

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