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Ein Landwirt sorgt sich um Bodenerosion im US-Bundesstaat Montana. © USDA NRCS Montana, CC

Politik hat grossen Einfluss auf Bodenerosion

D. Gschweng /  Politik kann buchstäblich Boden kosten. Die richtigen Anreize können Bodenerosion aber effektiv bremsen.

Was vorher nur eine Vermutung war, wurde Ende letzten Jahres von drei Wissenschaftlern der ETH Zürich und der Universität Basel bestätigt: Agrarpolitik hat einen grossen Einfluss darauf, in welchem Zustand Böden sind und wie viel davon abgetragen wird.

Handlungsbedarf besteht: Bodenerosion wird sich stark auf die zukünftige Versorgung der Menschheit auswirken. Weltweit gehen durchschnittlich 2,4 Tonnen Boden pro Hektar und Jahr mehr verloren als neu gebildet werden. Drei Viertel aller Böden gelten bereits als degradiert, Das heisst, ihre Qualität hat bereits abgenommen. Bis 2050 könnte der Anteil noch sehr viel grösser werden, Schätzungen gehen von bis zu 90 Prozent aus. Die Ursache ist grösstenteils Trockenheit, aber auch Abholzung und Übernutzung. Viele Länder haben Bodenschutzmassnahmen eingeleitet, die den kostbaren Oberboden retten sollen.

Die Studie der ETH Zürich, die in «Nature Sustainability» veröffentlicht wurde, zeigt, was das bringt. Wie gross der Effekt ist, überraschte den Agrarökonomen David Wüpper und seine Kollegen Pasquale Borrelli und Robert Finger dann doch. Das Team um Wüpper hat für seine Analyse Daten aus vielen Quellen zusammengetragen. Die Wissenschaftler fütterten Satellitendaten, Vegetationsdaten, Niederschlag, Topografie und Ähnliches in ein Computermodell. Die Erdoberfläche ist darin auf einen Quadratkilometer genau aufgelöst. Der «Ländereffekt» wird so an vielen Ländergrenzen deutlich.


Während in den USA der Boden von Pflanzen bedeckt ist (rot), ist er im benachbarten Mexiko kahl (blau). (Bild: NASA, Wüpper)

Etwa an der Grenze der USA zu Mexiko. Während der Boden im Agrargebiet auf der US-Seite von Pflanzen bedeckt ist (im Bild rot) ist er in Mexiko kahl (im Bild blau). Das Erosionspotential wird ab der Grenze abrupt grösser. Ein ähnliches Bild ergibt sich an der Grenze zwischen China und Kasachstan und an vielen anderen Grenzen. Sehr deutlich ist der Ländereffekt auf der Karibikinsel Hispaniola, auf der es steile Hänge und heftige Regenfälle gibt. Ein Teil der Insel gehört zu Haiti, der andere zur Dominikanischen Republik.


Das Erosionspotential steigt an der mexikanisch-amerikanischen Grenze abrupt an (rechts). Natürlich wäre ein allmählicher Übergang (links). (Bild: Wüpper et al)

Natürlich sei es anzunehmen, dass Gesetze und ökonomische Gegebenheiten in einem Land den Boden beeinflussen. Die Deutlichkeit der Ergebnisse habe ihn aber überrascht, sagt Wüpper in einem Interview mit dem «Deutschlandfunk». «Wir haben jetzt gefunden, dass fast die Hälfte der globalen Bodenerosion irgendwie durch Länder beeinflusst wird», fasst er zusammen.

Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass Bodenerosion vor allem eine Folge örtlicher Gegebenheiten ist. Beispielsweise ob es viel regnet, oft stürmt, welche natürliche Vegetation wächst oder welche Pflanzen Landwirte anbauen beispielsweise.

Bis zu 1,8 Tonnen Boden pro Hektar und Jahr

Im Vergleich mit einer Vorgängerstudie, die die natürliche Erosion abschätzt, lässt sich Erosion auch quantifizieren. So gehen im haitianischen Teil von Hispaniola pro Jahr 50 Tonnen mehr Boden verloren als auf dem Teil der Insel, der zur Dominikanischen Republik gehört.

«Wir finden, dass Länder global einen grossen Einfluss auf ihre Bodenerosion haben, nämlich 1,4 Tonnen pro Hektar und Jahr Unterschied», führt Wüpper in einem Blogeintrag aus. Auf landwirtschaftlichen Flächen sei der Effekt sogar bei 1,8 Tonnen pro Hektar und Jahr.


Bodenerosion wird vor allem von der Landwirtschaftspolitik beeinflusst. (Bild: Wüpper et al, grössere Auflösung)

Erklärbar sei dieser Unterschied vor allem durch Unterschiede in der Landwirtschaft verschiedener Länder. Keinen Einfluss auf Bodenerosion haben Bevölkerungsdichte, BIP und Einkommensverteilung, stellten die Wissenschaftler fest. Durch die richtigen Anreize wie der Förderung einer vermehrten Bodenbedeckung oder schonender Bodenbearbeitung lässt sich der Verlust an Oberboden also merklich bremsen.

Mit Wüppers Modell lässt sich auch feststellen, ob politische Massnahmen greifen. Der Agrarökonom arbeitet derzeit an einem Nachfolgemodell, das Zielkonflikte anschaulich machen und Hilfestellung für politische Entscheider geben soll. Geringere Bodenbearbeitung beispielsweise ist zwar gut gegen Erosion, zieht aber oft einen grösseren Pestizideinsatz nach sich, was die Gewässer schädigt.


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2 Meinungen

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 30.06.2020 um 15:42 Uhr
    Permalink

    Ich gehe davon aus, dass die US den Mexicanern das Wasser abgegraben hat. So etwa wie Israel in Palästina.

    Der Raubbau an natürlichen Resourcen, wie er im kurzlebigen Kapitalismus der Quartalsbilanzen üblich ist, führt wohl unweigerlich zur Zerstörung der natürlichen Rssourcen. Dabei kann es sogar mitten in der Wüste zu grünen beginnen, wie Khaddafi mit seinem unterirdischen Fluss gezeigt hat. Die Iraner und Iraker (Assyrer) hatten perfekte Bewässerungsanlagen und selbst Sven Hedin war erstaunt über die Bewässerungstechnik am Rande der Gobi. Als ob die Leute da mit den Weinbauern auf Lanzarotte Gedanken ausgetauscht hätten.

    In all diesen Fällen handelte es sich aber um Langzeitinvestitionen und nicht um kurzsichtiges Abgraben der Oberflächenwasser, wie das in Arizona und Kalifornien gegenüber Mexico praktiziert wird.

  • am 30.06.2020 um 16:26 Uhr
    Permalink

    Aktuelle Bodenerosion sagt nichts über langfristige Bodenerosion aus. aus. Die möglichst natürlich bedeckten Böden bleiben wohl länger fruchtbar. Der zunehmend nötige Einsatz von künstliche¨n Düngern u. Pestiziden, noch dazu weitflächige Monokulturen ohne Kulturenwechsel, schädigen auch die noch bedeckten Böden.
    Aus den Diagrammen ist zu lesen dass es auch in den USA zu Erosion, nur weniger. Der üble Trick die Diagramme bei ’10› und nicht bei ‹0› beginnen zu lassen, soll dem unbedarften Leser vermitteln, dass die US-Politik ‹deutlich› besser sei als die Mexikanische.
    Wahrscheinlich verfügen mexik. Bauern nicht über genügend Eigen- u. vor allem Fremdkapital für den hochindustriellen Ackerbau mit gewaltigen, fossile Energien fressenden Monstermaschinen, die Vorfinanzierung der GENveränderten Saaten u. der dazu angepassten unumgäglichen Pestizide, die aber im Preiswettbewerb nötig wären. Weil sich aber die meisten Mikroben u. sogenannten Unkräuter stets schneller anpassen, als der Mensch den Krieg ‹gegen› die Natur führen kann, führt der Weg früher od. später ins Desaster. Leider auch vielen anderen Ländern.
    In vielen Ländern gehen dörfliche Gemeinschaften wieder zu Selbstversorgung mit heimisch angepassten Arten über und können davon wieder überleben, wenn auch bescheiden.

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