Rabbiner Chaim Seidler-Feller

Rabbiner Chaim Seidler-Feller wird dem modern-orthodoxen Judentum zugeordnet. Er hat einen jüdischen Appell zu Gaza unterzeichnet. © The Chautaquan Daily

Jüdische Organisationen fordern ein Ende der Massenhungersnot

upg. /  Immer mehr jüdische Führungspersönlichkeiten und Institutionen protestieren gegen die Gräueltaten in Gaza.

Die amerikanische NGO J Street ist nach eigenen Angaben die Stimme pro-israelischer, friedens- und demokratiefreundlicher Amerikaner. Sie setzt sich dafür ein, den Staat Israel als demokratische Heimat für das jüdische Volk zu sichern.

Jetzt forderte J Street jüdische Organisationen und Persönlichkeiten auf, ihre Stimme gegen Netanyahus Politik in Gaza zu erheben. Bereits mit einigem Erfolg:

Die Zentralkonferenz amerikanischer Rabbiner erklärte am 27. Juli: «Das Aushungern der Zivilbevölkerung in Gaza wird Israel weder den angestrebten ‹vollständigen Sieg› über die Hamas bringen, noch lässt sie sich mit jüdischen Werten oder humanitärem Recht rechtfertigen.»
Konkret fordert die Zentralkonferenz:

  • Das Einrichten einer erheblichen Anzahl von Lebensmittelverteilzentren an verschiedenen Orten im Gazastreifen.
  • Die gross angelegte Einfuhr von Säuglingsnahrung (insbesondere flüssiger Säuglingsnahrung) und Gewährleistung der sicheren Lieferung sowohl an funktionierende medizinische Zentren als auch an die wenigen verbliebenen internationalen Hilfseinrichtungen.
  • Sichere Methoden – möglicherweise in Zusammenarbeit mit den Ländern der Region – für die Lieferung von Nahrungsmitteln an Hilfsorganisationen und internationale Einrichtungen.
  • Eine ausreichende Wasserversorgung der Bevölkerungszentren in Gaza gemäss internationalen Gesundheitsstandards.
  • Die Lieferung von Medikamenten, das Einrichten von Feldlazaretten und Kliniken zu genehmigen und unterstützen, die von verbliebenem palästinensischem medizinischem Personal, ausländischen Regierungen und internationalen Einrichtungen betrieben werden, insbesondere in Gebieten, in denen Krankenhäuser ihren Betrieb einstellen mussten.

Die Rabbinische Versammlung erklärt sich «zunehmend besorgt über die sich verschärfende humanitäre Krise in Gaza». Diese Rabbiner des konservativen Masorti-Judentums halten «dringende Massnahmen zur Linderung der Not der Zivilbevölkerung und zur Sicherstellung der Hilfslieferungen für nötig». Gleichzeitig sollen sich die politischen Führer «auf die Rückkehr der Geiseln und die Beendigung dieses Krieges konzentrieren».

Hunderte Rabbiner weltweit haben einen Brief unterzeichnet, in dem sie Israel auffordern, den Hunger nicht länger als «Kriegswaffe» einzusetzen und die Kämpfe im Gazastreifen zu beenden.

«Das jüdische Volk ist einer schweren moralischen Krise ausgesetzt», heisst es im Brief vom 25. Juli, den führende Rabbiner verschiedener Glaubensrichtungen unterschrieben haben. Die Unterzeichner, so heisst es im Text, «setzen sich nachdrücklich für das Wohlergehen Israels und des jüdischen Volkes ein». Sie könnten jedoch angesichts der steigenden Zahl der Todesopfer und der zunehmenden Unterernährung in Gaza «nicht schweigen».

«Wir können die Massenmorde an Zivilisten, darunter viele Frauen, Kinder und ältere Menschen, oder den Einsatz von Hunger als Kriegswaffe nicht gutheissen», heisst es im Brief weiter. «Die starken Einschränkungen der humanitären Hilfe in Gaza und die Politik, der bedürftigen Zivilbevölkerung Lebensmittel, Wasser und medizinische Hilfsgüter vorzuenthalten, widersprechen den grundlegenden Werten des Judentums, wie wir sie verstehen.»

Zu den prominenten Unterzeichnern des Briefes gehören Rabbinerin Sharon Brous, welche die nichtkonfessionelle Synagoge IKAR in Los Angeles leitet, Rabbi und Schriftsteller Irwin KulaChaim Seidler-Feller, ein langjähriger Hillel-Rabbi, der heute am Shalom Hartman Institute lehrt, Rachel Timoner, eine reformierte Rabbinerin aus New York, und Marc D. Angel, ein liberaler orthodoxer Rabbi.

Der National Council of Jewish Women verbreitete auf «X» und «Facebook»: «Wenn Kinder hungern und Familien durch Krieg auseinandergerissen werden, dürfen wir nicht wegsehen.» 

Vorläufiges Fazit der NGO J Street: «Wir müssen weiterhin Druck ausüben, damit sich noch mehr Stimmen lautstark zu Wort melden. Es müssten konkrete Massnahmen ergriffen werden, um diesen Krieg zu beenden, die Geiseln nach Hause zu holen und die Hilfslieferungen nach Gaza zu verstärken.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.

Mit Twint oder Bank-App auch gleich hier:



_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Bildschirmfoto20120226um12_51_13

Atommacht Israel und ihre Feinde

Teufelskreis: Aggressive Politik auf allen Seiten festigt die Macht der Hardliner bei den jeweiligen Gegnern.

Bildschirmfoto20120807um11_24_46

Menschenrechte

Genügend zu essen. Gut schlafen. Gesundheit. Grundschule. Keine Diskriminierung. Bewegungsfreiheit. Bürgerrechte

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

5 Meinungen

  • am 30.07.2025 um 13:55 Uhr
    Permalink

    Aufschlussreiche Hauptzeile des Artikel: «Jüdische Organisationen fordern ein Ende der Massenhungersnot» Es wurde wohl mittlerweile erkannt, dass die Premier Netanjahu und seine Minister nicht das alleinige Monopolrecht haben für das gesamte jüdische Volk zu sprechen und zu handeln. Möglicherweise könnte US-Präsident Trump und Netanjahu-Unterstützer noch nicht erkannt haben wie eine Demokratie funktioniert: ohne Opposition wird der Nährboden für den Totalitarismus geschaffen und das ist nicht gut für Israel.
    Gunther Kropp, Basel

  • am 31.07.2025 um 09:32 Uhr
    Permalink

    Endlich kommt Bewegung in die Sache.

    Bin so froh, dass sich diese gewichtigen jüdischen Kreise melden, welche gut argumentieren und vielleicht auch Gehör finden in dieser so wichtigen Angelegenheit.

    Es wäre schön, wenn die humanitären jüdischen Werte zum Tragen kommen, in all dem Bombenhagel, von dem wir täglich hören.
    Die Hoffnung stirbt zuletzt.

  • am 31.07.2025 um 16:39 Uhr
    Permalink

    Die Gräuel des Massenmordens sind mittlerweile derart offensichtlich, dass zu erwarten war, dass ein Teil der jüdischen Gemeinden im Westen, nicht mehr schweigen wollen. Das ist zu begrüssen. Nur, wie der Text eingangs erwähnt, ein «Staat Israel als demokratische Heimat für das jüdische Volk …» würde bedingen, dass das Existenzrecht des palästinensischen Volkes auf seinem Territorium in genau dem selben Masse respektiert würde. Das wiederum ist unrealistisch, solange demokratische Rechte praktisch ausschliesslich Jüdinnen und Juden zugestanden werden, die Palästinenserinnen auf 20% ihres ursprünglichen Heimatlandes in Enklaven schutzlos zusammengepfercht bleiben und ihren zu früheren Zeiten vertriebenen Familienmitglieder die Rückkehr zu ihrem Eigentum verwehrt wird. Bis zum Bekenntnis dass alle Menschen die selben Rechte beanspruchen dürfen, wird es wohl noch ein wenig mehr Einsicht benötigen.

  • am 1.08.2025 um 01:27 Uhr
    Permalink

    Ich glaube leider nicht, dass sich mit diesem Aufruf etwas ändern wird. Netanyahu und seine beiden Minister Smotrich und Ben Gvir haben absolut kein Gehör für andere Meinungen. Wenn man die israelische Zeitung Haaretz liest, inklusive Leserkommentaren, merkt man, dass viele Leser entsetzt sind und sogar von israelischem Holocaust sprechen. Aber Worte haben absolut keine Wirkung. Diese Regierung lebt in einem psychopathischen Blut- und Mordrausch. Das Einzige, was etwas bringen würde, wären internationale Sanktionen und Waffenlieferungs – Stop. Aber die zionistischen USAund Deutschland bleiben blind und die EU fürchtet sich vor US-Sanktionen… Eine feige und scheinheilige Welt, die einmal behaupten wird, dass sie alles Mögliche getan hat, um diesem Massenmord ein Ende zu setzen!

  • Heinrich Frei
    am 1.08.2025 um 19:20 Uhr
    Permalink

    Hunderte Rabbiner weltweit haben einen Brief unterzeichnet, in dem sie Israel auffordern, den Hunger nicht länger als «Kriegswaffe» einzusetzen und die Kämpfe im Gazastreifen zu beenden.
    Auch viele Politiker Europas nehmen Stellung gegen den Krieg Israels. Aber konkrete Sanktionen gegen Israels, wie sie im Falle Russland ergriffen wurden, haben Nato-Staaten Israel nicht angedroht. Die Waffenlieferungen von Nato-Staaten für den Völkermord Israels gehen weiter. Ohne die Versorgung Israels mit Kriegsmaterial, mit Bomben, Granaten und Munition durch internationale Rüstungskonzerne hätte Israel im Gazastreifen, in Syrien, im Libanon, im Iran und im Jemen nicht so viele Menschen töten können.
    Die Schweiz setzt die Zusammenarbeit der Schweizer Armee mit Israel fort und es wird immer noch Kriegsmaterial in Israel gekauft. Die Schweizer Banken investieren immer noch in Rüstungskonzerne die Israel mit Rüstungsgüter beliefern. – Grüezi! Bei welchen Verbrechen dürfen wir behilflich sein?

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...