Dok-Film: Israels systematische Attacken auf Gaza-Spitäler
«Mum, forgive me, mum. This is the path I chose, to help people. Forgive me mum. I swear I only chose this path to help others.»
Das ist die letzte Botschaft an die Mutter eines der fünfzehn Ambulanz-Sanitäter, die in einer Nacht von israelischen Soldaten beschossen, getötet und dann mit einem Bulldozer in ein Massengrab gekippt wurde. Vor seinem Tod entschuldigte er sich bei seiner Mutter. Er habe anderen helfen wollen. Man fand das Handy mit diesem Zeugnis bei den Leichen. Es beweist auch, dass die Ambulanzen mit blinkenden Blaulichtern unterwegs waren und nicht – wie die israelische Armee (IDF) behauptet – mit ausgeschalteten Scheinwerfern.

«Gaza: Doctors Under Attack»
Mit dieser Sequenz beginnt der Dokumentarfilm «Doctors under Attack». Je länger der Film gestern im Zürcher Kino Riffraff dauerte, umso lauter tönte das Schluchzen im dunklen Saal. Es war nicht leicht, die Szenen in und um die Spitäler in Gaza auszuhalten, hinzuschauen, den Blick nicht abzuwenden.
Zerstörung medizinischer Infrastruktur
Die Dokumentation belegt, wie die israelische Armee systematisch alle Spitäler und medizinischen Zentren im Gaza-Streifen angreift und zerstört. Konkret begann es im Norden mit dem grössten Spital, dem Al-Shifa Hospital in Gaza City. Im militärischen, systematischen Vorgehen lässt sich ein Muster ablesen:

Die Blaupause des Horrors
Es beginnt mit Bomben. Dann folgt die Belagerung. Schliesslich greifen Panzer und Bulldozer an. Nachher stürmen Bodentruppen der IDF das Spital und verhaften medizinisches Personal, Patienten und Zivilisten. Schliesslich wird das Spital verwüstet, zerstört, ausser Betrieb gesetzt. Nach diesem Schema frisst sich diese zerstörerische Gewalt von Spital zu Spital, von Gesundheitszentrum zu Gesundheitszentrum – durch ganz Gaza.
Währenddessen versuchen die Ärzte und das Gesundheitspersonal ihr Bestes zu geben. Sie arbeiten oft ohne Wasser, Elektrizität und ohne genügend Medikamente. Sie operieren im Licht von Taschenlampen. Es herrschen chaotische Zustände. In den Gängen liegen Verletzte, die schreien oder wimmern. Ein «Ocean of Horror», wie eine Stimme sagt.
Ärzte werden aussortiert
Stürmen die IDF-Soldaten ein Spital, müssen sich Zivilisten, Patienten und Personal bis auf die Unterwäsche ausziehen. Allen werden die Hände gefesselt, auch den Patienten in den Betten, die Augen verbunden und dann werden sie in sogenannte «black sites» überführt. Das medizinische Personal findet sich aussortiert – vor allem die Ärzte, die Chirurgen, die Spezialisten. Auf die haben es die Israelis besonders abgesehen.

Der Dokfilm zeichnet das Schicksal von einzelnen Ärzten detailliert nach. Zum Beispiel Khaled Hanouda. Die Armee zerstört sein Privathaus. Zehn Familienmitglieder verlieren so ihr Leben. Die zweite Attacke tötet seine Frau und seine Tochter auf der Strasse neben dem Haus. Oder Adnan al-Bursh: Er zieht von einem Spital zum nächsten. Sie erwischen ihn trotzdem. Er wird verhaftet, verhört und verschwindet – und stirbt in einem Gefängnis.
Die Filmemacher haben wiederholt die Verantwortlichen der IDF gebeten, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Meist haben diese abgelehnt oder, ohne auf den konkreten Vorfall genau einzugehen, geantwortet, dass das israelische Vorgehen gegen keine internationalen Regeln verstosse. Die Hamas würden Spitäler als Operationsbasen benutzen, weshalb ihre Angriffe gemäss internationalem Kriegsvölkerrecht legitim seien. Diese generellen Hinweise sind in Texttafeln mehrfach im Film zitiert. Vor die Kameras wollte aber keiner und keine treten, um zum Beispiel auf die Verhältnismässigkeit der Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen und deren Patienten und Personal einzugehen.
Terror der Hamas
Der Film erinnert aber auch an den Terror-Anschlag der Hamas vom 7. Oktober. Diese Bilder sind und bleiben verstörend.
«BBC» macht Rückzieher
Eigentlich war der Dok-Film schon im Frühjahr 2025 bereit für die Ausstrahlung in einem der «BBC»-Programme, aber die Verantwortlichen hielten die Dokumentation zurück. Wegen eines anderen Dok-Films – «Gaza: How to survive a War Zone» – sah sich «BBC» mit dem Vorwurf der Parteilichkeit konfrontiert. Es stellte sich nämlich heraus, dass der 14-jährige Abdullah, der in diesem Film die Erzähler-Rolle innehatte, der Sohn eines Hamas-Funktionärs war. Die «BBC» musste zu Recht massive Kritik einstecken, weil sie diesen Fakt unterschlagen hatte. Jetzt wollte die TV-Anstalt wegen eines neuen Films nicht schon wieder auf der Anklagebank sitzen und sich Einseitigkeit – «a perception of partiality» – vorwerfen lassen.
Erst im Sommer konnte sich die «BBC» durchringen, den Film wenigstens der Produktionsgesellschaft «Basement Films» zurückzugeben. Für die Ausstrahlung im Juli sorgten dann «Channel 4» und «Zeteo».
Für die englische Tageszeitung «The Guardian» ist dieser Dokumentarfilm eine «Arbeit, die gesehen werden muss».
Schweizer Premiere
Drei Partner haben die Schweizer Filmvorführungen organisiert: Swiss Healthcare Workers Against Genocide, The Hanoon Foundation und Health Workers 4 Palestine. Sie konnten für die Präsentation des Films den Gründer der Produktionsgesellschaft «Basement Films», den früheren Chefredaktor von «Channel 4» Ben de Pear gewinnen und von der Hanoon Foundation Dr. Khaled Dawas. Eine Aussage der anschliessenden Diskussion ist sicher vielen hängen geblieben: Zerstörte Gebäude lassen sich relativ schnell wieder aufbauen. Es braucht aber viele, viele Jahre neue Generationen von Ärzten und Gesundheitspersonal auszubilden.

Der Dokumentarfilm «Doctors under Attack» kann bei «Channel 4» oder «Zeteo» abgerufen werden.
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Keine
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