Krim die blaue Bucht.Davoyan

Bucht im Ferienparadies Krim © Davoyan/Depositphotos

Die so andere Geschichte der Halbinsel Krim

Urs P. Gasche /  Es war die Ukraine und nicht Russland, welche sich die Krim gegen den Willen der dortigen Bevölkerung angeeignet hatte.

Präsident Donald Trump wolle die Ukraine zum Abtreten von Gebieten zwingen, melden Medien. Was die Halbinsel Krim betrifft, lohnt sich ein historischer Rückblick.

Russland habe die Krim im Jahr 2014 «erobert» oder sei dort «einmarschiert», wird oft geschrieben. Viele verstehen dies so, dass Russland die Krim gewaltsam annektierte – gegen den Willen der dortigen Bevölkerung. Doch Vieles spricht dafür, dass die grosse Mehrheit der Bewohnerinnen und Bewohner der Krim den Anschluss an die Russische Föderation damals wie heute begrüsst. Ihr Selbstbestimmungsrecht wurde schon lange und wiederholt mit Füssen getreten.

Folgende Fakten ignorieren grosse Medien meistens oder stellen sie anders dar:

  1. Die meisten Krimbewohner wollten schon seit Jahrzehnten möglichst selbständig sein. Seit 1991 hat sich die Krim immer wieder vergeblich für einen autonomen Status eingesetzt.
  2. Anfang 1991 stimmten die Einwohner der Krim mit überwältigender Mehrheit für eine autonome Teilnahme an einer neuen sowjetischen föderalistischen Union. 
    Damals gehörte die Ukraine noch zur UdSSR.
  3. Die Ukraine verweigerte der Krim 1991 das vom sowjetischen Austrittsgesetz vorgesehene Recht, über einen Austritt aus der Ukraine abzustimmen. Damit hat sich die Ukraine die Krim gegen den Willen der dortigen Bevölkerung gesetzwidrig angeeignet.
  4. Die Bewohner der Krim haben seit 1991 mehrmals demokratisch mit überwältigenden Mehrheiten russlandfreundliche Kandidatinnen und Kandidaten gewählt – und nicht anti-russische, einseitig pro-westliche oder ukrainisch-nationale.
  5. Im Jahr 2014 – nach dem pro-westlichen Putsch gegen die Regierung in Kiew – organisierten Sezessionisten auf der Krim eine Abstimmung, damit die Bevölkerung über ihe Zukunft entscheiden kann. Mit ihrer Militärpräsenz auf der Krim wollte die Ukraine die Abstimmung verhindern, weil diese nach ukrainischem Recht illegal war. Bewaffnete russische Soldaten haben eingegriffen und hielten das ukrainische Militär in Schach.
  6. Die Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 erfolgte rechtswidrig, jedoch nicht gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung. Das haben mehrere westliche Meinungsumfragen auf der Krim bestätigt.

Die Analyse der Ereignisse ist anspruchsvoll, weil – wie in jedem Konflikt – ein Informationskrieg herrscht. Der Halbinsel Krim im Schwarzen Meer kommt eine geopolitisch strategische Rolle zu. Umso mehr versuchen viele Seiten, die Geschichte zurechtzubiegen. Auch auf Wikipedia, das unter dem Einfluss der US-Wikimedia-Foundation steht, ist bei politisch sensiblen Fragen wenig Verlass.

Krim_Karte_deutsch

Etwas Klarheit in die jüngste Vergangenheit der Ukraine kann ein akribisch chronologischer Ablauf bringen:

1783Von 1783 bis 1991 gehörte die Krim zu Russland bzw. zur Sowjetunion.
18.10.1921Seit 1921 verfügt die Krim über ein eigenes Parlament – als Autonome Sowjetrepublik Krim innerhalb der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR).
30.6.1945Die UdSSR stuft die Krim von einer Autonomen Republik zu einer Autonomen Region ab (mit weniger Rechten).
19.2.1954Chruschtschow und das Präsidium des Obersten Sowjet (Parlament) verschieben die Krim innerhalb der UdSSR von der «Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik» an die «Ukrainische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik». Die Krim behält den Status einer Autonomen Region.
6.3.1990Der Oberste Sowjet genehmigt einen Austrittsvertrag, der daraufhin an die Sowjets der einzelnen Unionsrepubliken zur Ratifizierung weitergeleitet wird.
3.4.1990Die UdSSR erlässt ein Austrittsgesetz, das den Sowjetrepubliken (wie der Ukraine) und autonomen Regionen (wie der Krim) das Recht gibt, sich von der UdSSR zu trennen oder sich einer neuen, lockeren sowjetischen Union anzuschliessen. Das Austrittsgesetz hält in Artikel 3 ausdrücklich fest, dass eine «Unionsrepublik, welche autonome Republiken oder autonome Gebiete umfasst», das «Referendum für jede Autonomie gesondert durchführen» muss. Siehe Fussnote 2.
Juli 1990Gorbatschow schlägt einen neuen Unionsvertrag vor, um die Sowjetunion in eine dezentralisierte, föderale Union umzuwandeln und damit den Zerfall aufzuhalten. 
20.1.1991Aufgrund des Austritttsgesetzes der UdSSR organisiert die Krim ein Referendum. Es sprechen sich 93 Prozent der Abstimmenden der Krim für die «Wiederherstellung der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik Krim als Subjekt der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und als Vertragspartei des Unionsvertrags» aus.1 Der Ja-Anteil entsprach 75 Prozent aller 1,8 Millionen Stimmberechtigten.

Die Krim will also im Falle einer Auflösung der Sowjetunion eine autonome Einheit der neuen sowjetischen Union werden – unabhängig von der Ukraine.

Doch die Ukraine vertritt die Ansicht, das Referendum auf der Krim sei rechtswidrig, weil die Ukrainische Sowjetrepublik laut Austrittsgesetz zuerst aus der UdSSR austreten müsse. Erst dann könne die Krim entscheiden, ob sie aus der Ukraine austreten möchte.
Ist jedoch die Ukraine einmal unabhängig von der UdSSR, ist sie nicht mehr dem sowjetischen Austrittsgesetz unterstellt. Es gibt bis heute keinen einzigen Professor des Internationalen Rechts, der die ukrainische Auslegung des Austrittsgesetzes vertritt.
13.2.1991Das Kiewer Parlament gewährt der Halbinsel lediglich den Status einer Autonomen Republik als Teil der Ukrainischen Sowjetrepublik und nicht – wie von den Krimbwohnern abgestimmt – als eigenständiger Teil der neuen angekündigten Union.
17.3.1991In der UdSSR spricht sich eine grosse Mehrheit der Stimmberechtigten für den Erhalt der Sowjetunion in der neuen förderativen Union aus.
12.6.1991Boris Jelzin wird zum Präsidenten der russischen Teilrepublik der UdSSR gewählt.
19.8.1991Putsch gegen den Präsidenten der UdSSR, Michail Gorbatschow – am Tag, bevor einige Republiken wie die Krim den neuen Unionsvertrag unterzeichnen wollen.
Der Putsch scheitert. 
20.8.1991Vorgesehenes Datum zur Unterzeichnung des neuen Unionsvertrags. Der Putsch vom Vortag hat die Unterzeichnung verhindert. Die neue Union kommt nicht zustande.
Weil die neue Union scheitert, kann die Krim nicht, wie von ihr beschlossen, als souveräne Republik – unabhängig von der Ukraine – an dieser Union teilnehmen.
24.8.1991Das Parlament der Ukraine erklärt das Land in den bestehenden Grenzen – einschliesslich der Krim – für unabhängig von der UdSSR.
4.9.1991Das Parlament auf der Krim widerspricht und erklärt die Krim als innerhalb der russischen Föderation für autonomalso nicht der Ukraine zugehörig.

Der Konflikt bleibt ungelöst. Kiew sitzt am längeren Hebel, weil die Krim weder über ein eigenes Militär verfügt noch von der zusammengebrochenen UdSSR unterstützt werden kann.
1.12.1991In der Ukraine sprechen sich nach dem Parlament auch 90 Prozent der Stimmberechtigten für die Unabhängigkeit des Landes von der UdSSR aus. 
Auf der Krim verweigern viele Stimmberechtigten die Beteiligung am ukrainischen Referendum, da sie sich nicht als Teil der Ukraine betrachten. Selbst von den 63 Prozent, die an der Abstimmung teilnehmen, stimmen nur 54 Prozent für die Unabhängigkeit der Ukraine von der UdSSR. Das entsprach einem Drittel aller Stimmberechtigten.
1.12.1991Die Abstimmung über die Unabhängigkeit der Ukraine vom 1.12.1991 fand auf Grundlage des sowjetischen «Gesetzes über das Verfahren zur Entscheidung von Fragen im Zusammenhang mit dem Austritt einer Unionsrepublik aus der UdSSR» vom 3. April 1990 statt. In diesem Austrittsgesetz der UdSSR heisst es in Artikel 3:

«In einer Unionsrepublik, die autonome Republiken, autonome Oblaste und autonome Bezirke umfasst, wird für jede Autonomie ein gesondertes Referendum durchgeführt. Die Völker der autonomen Republiken und autonomen Formationen behalten das Recht, selbständig über die Frage ihres Aufenthalts in der Unions-SSR oder in der ausscheidenden Unionsrepublik zu entscheiden sowie die Frage ihres staatsrechtlichen Status zu stellen.»2

Die Krim war eine autonome Republik und hatte deshalb das Recht, selbständig über ihren staatsrechtlichen Status abzustimmen.2a

Doch die Ukraine hat der Krim dieses Recht am 1.12.1991 und auch später – nach dem Austritt der Ukraine aus der UdSSR – gegen ihren Willen verweigert.

Damit hat sich die Ukraine die Halbinsel gesetzwidrig angeeignet.

Man kann davon ausgehen, dass eine Mehrheit der Krimbewohner für einen Verbleib in der russischen Föderation als autonome, nicht zur Ukraine gehörige Krim-Republik gestimmt hätte.
26.12.1991Auflösung der Sowjetunion. Das Oberhaus des Obersten Sowjets der UdSSR, der sogenannte Rat der Republiken, erklärt die Existenz der Union für beendet. Damit verliert das Austrittsgesetz seine Gültigkeit.
5.5.1992Die Krim verabschiedet ein «Gesetz über die Erklärung der staatlichen Unabhängigkeit der Republik Krim» und ordnet für den 2. August 1992 ein Referendum darüber an. Es sollte das am 1.12.1991 von Kiew verweigerte Referendum über die Zukunft der Krim nachholen.
Die Ukraine droht den Krim-Abgeordneten mit einer Strafverfolgung wegen Seperatismus. Die Ukraine werde niemals eine friedliche Trennung zulassen.
6.5.1992Das Krim-Parlament verabschiedet eine neue Verfassung[3a]. Sie sieht die Zugehörigkeit der Krim zur Ukraine vor, allerdings auf einer föderativen Grundlage. Artikel 9 sieht jedoch auch eine «Assoziierung mit anderen Staaten» vor.
Das Krim-Parlament will die Ukraine unter Druck setzen, um ihr eine grössere Autonomie zuzugestehen.
13.5.1992Das ukrainische Parlament in Kiew erklärt das geplante Unabhängigkeits-Gesetz der Krim als verfassungswidrig, verspricht der Krim aber eine grössere Autonomie. 
Die «New York Times» kommentiert: 

«Der ukrainische Präsident Leonid M. Krawtschuk nutzte Zuckerbrot und Peitsche – er versprach der Krim weitgehende Selbstbestimmung und drohte gleichzeitig, das Krim-Parlament aufzulösen und Gewalt anzuwenden, sollte die Halbinsel ihre Kampagne {für eine Unabhängigkeit) fortsetzen.»

Die ukrainische Zeitung «Lb.ua» schreibt: 

«Um zu überzeugen, erhöhte Kiew die Präsenz von Soldaten auf der Krim. Wie Mykola Melnyk, der damalige stellvertretende Kommandeur der ukrainischen Nationalgarde, sagte, wandten die Einheiten keine Gewalt an. Sie versuchten nur, notfalls prorussische Bewegungen zu blockieren. Der Generalleutnant glaubt, dass die Ukraine damals Glück hatte, dass Jelzin die Krim-Separatisten nicht offen unterstützte und nicht versuchte, russische Truppen auf die Krim zu schicken.»
21.5.1992Auf Druck von Kiew hebt das Parlament der Krim das Unabhängigkeits-Gesetz auf und annulliert das vorgesehene Referendum darüber. 
30.6.1992Kiew gewährt der Krim wie versprochen mehr Autonomie: Die Krim erhält Hoheitsrechte in Finanzen, Wirtschaft, Kultur, Verwaltung und Recht. Die Aussen-, Verteidigungs- und Währungspolitik verbleiben unter ukrainischer Hoheit.
14.10.1993Unter Ausnutzung der neuen Kompetenzen richtet das Krim-Parlament das Amt eines Präsidenten ein.
30.1.1994In einer eigenen, von Kiew nicht anerkannten Präsidentenwahl auf der Krim gewinnt Juri Meschkow vom Russischen Block mit 73 Prozent aller Stimmen. In seinem Wahlkampf trat Meschkow für einen Anschluss an die Russische Föderation ein.
10. 4. 1994Der Russische Block unter Juri Meschkow gewinnt bei Parlamentswahlen auf der Krim 54 der 98 Parlamentssitze. 
In einem gleichzeitigen Referendum stimmen 78 Prozent der 1,3 Millionen abgegebenen Stimmen für eine grössere Autonomie, 83 Prozent befürworten die Möglichkeit einer doppeltenn russisch-ukrainischen Staatsbürgerschaft und 78 Prozent sind dafür, Dekreten des Präsidenten der Krim Gesetzeskraft zu geben.
20.5.1994Das Krim-Parlament beschliesst in einer Resolution die Wiedereinführung der Krim-Verfassung von 1992. Mit dieser verbleibt die Krim zwar formal Teil der Ukraine, aber die Beziehungen der Krim zur Ukraine sollen «wie zwischen souveränen Staaten» geregelt werden. Ausserdem ermöglicht diese Verfassung der Krim, eigenständig Beziehungen zu anderen Staaten und internationalen Organisationen aufzunehmen.
19.7.1994Leonid Krawtschuk, bis 19. Juli 1994 Präsident der Ukraine, erklärte das Referendum vom 10. April 1994 auf der Krim für ungültig.
Sommer 94Das ukrainische Parlament in Kiew fordert wiederholt, dass sich die Krim der Gesetzgebung und dem ukrainischen Recht unterordne und droht, der Krim den Autonomiestatus zu entziehen. Die Krim verpflichtete sich daraufhin, keine Entscheidungen zu treffen, die im Widerspruch zur ukrainischen Verfassung stehen. Anschliessend kommt es auf der Krim zu Machtkämpfen zwischen dem Präsidenten und dem Parlament.
17.3.1995Das ukrainische Parlament annulliert die Krim-Verfassung von 1992 – als im Widerspruch zur ukrainischen Verfassung – und enthebt den Präsidenten der Krim, Juri Meschkow, seines Amtes – als Reaktion auf Bestrebungen der Krim-Regierung unter Meschkow, die Krim enger an Russland anzubinden und sich von der Ukraine zu lösen.
Am 19. März 1995 berichtet die «New York Times»: 

«Es trafen etwa 200 Soldaten des ukrainischen Innenministeriums in der Krim-Hauptstadt Simferopol ein und entwaffneten die Sicherheitsleute von Meschkow.»

Über Proteste des Krim-Parlaments berichtet die «taz» am 20. März:

«Nach den Entscheiden des ukrainischen Parlaments [zur gewaltsamen Intervention auf der Krim] trat das Krim-Parlament am Samstag zu einer Sondersitzung zusammen. Dort betonte der Vorsitzende des Krim-Parlaments Sergei Zekow, die Ukraine habe kein Recht, Krim-Präsident Meschkow seines Amtes zu entheben. ‹Der Präsident der Republik ist vom Volk gewählt, und nur das Volk kann über seine Zukunft entscheiden›, erklärte er. In ihrer Abschlusserklärung drohten die Parlamentarier Kiew mit der Durchführung eines [erneuten] Unabhängigkeitsreferendums. Im Falle eines solchen Referendums galt ein Ja zur Loslösung von der Ukraine als sicher.»

Das Krim-Parlament appelliert ausserdem an den russischen Präsidenten Boris Jelzin, der Krim zu helfen. Doch Jelzin reagiert nicht. 
Die Absetzung des Krim-Präsidenten war möglich, weil die Krim keine eigene Armee hat.
Der ukrainische Präsident Leonid Kutschma erklärt der Zeitung «Lb.ua»: 

«Es ist uns gelungen, den Streit zwischen dem Parlament und dem Präsidenten der Krim zu vertiefen. […] Als Meschkow im wahrsten Sinne des Wortes isoliert war, gab ich den Befehl zu einer Sonderoperation. […] Meschkows Leibwächter wurden entwaffnet, er selbst wurde nach Moskau deportiert.»

Die Vertreibung von Meschkow und die Aufhebung der Verfassung können als ein von Kiew organisierter Putsch betrachtet werden. Nach der juristischen Aneignung der Krim durch die Ukraine 1991 folgt 1995 eine militärische Aneignung.
31.3.1995Der ukrainische Präsident Leonid Kutschma unterstellt die Krim per Erlass direkt der Verwaltung durch die Kiewer Zentralregierung. Mit der föderativen Autonomie der Krim ist es vorbei.
Russland zeigt sich beunruhigt: Sewastopol auf der Krim ist der Heimathafen der russischen Schwarzmeerflotte.
18.5.1995Auch das Parlament der Ukraine erklärt die Resolution der Krim von 1994 für ungültig.
28.6.1996Eine neue ukrainische Verfassung gewährt der Krim eine Autonomie innerhalb der Ukraine. Die Krim kann sich eine eigene Verfassung geben, die allerdings die ukrainischen Gesetze respektieren muss. 
31.5.1997Der ukrainische Präsident Leonid Kutschma und der russische Präsident Boris Jelzin teilen in einem Vertrag die Buchten von Sewastopol auf für die Stationierung der Flotten beider Länder.
Ab 1997Die russische Regierung und russische Medien kritisieren die Zusammenarbeit der Ukraine mit der Nato, besonders als diese ab 2005 auch militärische Übungen im Schwarzen Meer durchführt.
21.11.2004Bei der Präsidentenwahl erhält der russlandfreundliche Wiktor Janukowitsch auf der Krim (und im Donbas) über 80 Prozent der Stimmen. Wegen landesweiter Unregelmässigkeiten wird die Wahl annulliert.
27.12.2004Bei den neu angesetzten Präsidentenwahlen erhält Wiktor Janukowytsch auf der Krim (und im Donbas) wiederum über 80 Prozent der Stimmen. Die Wahl gewinnt aber der vom Westen unterstützte Wiktor Juschtschenko mit 52 Prozent aller Stimmen der gesamten Ukraine. Die Beobachter der OSZE und das Ausland lobte die Ukraine für den Ablauf der Wiederholungswahl.
Die Ukraine ist politisch gespalten.
7.2.2010Stichwahl des Präsidenten der Ukraine. Der russlandfreundliche Wiktor Janukowitsch gewinnt die Wahl knapp gegen die prowestliche Julija Tymoschenko. Die OSZE-Beobachter bezeichnen die Wahl als im Wesentlichen frei und fair.
Auf der Krim (und im Donbas) stimmten rund 80 Prozent der Wählenden für den russlandfreundlichen Janukowtisch.
Wahlen Ukraine 2010
Der Osten und Süden der Ukraine war stets mehrheitlich Russland zugewandt, der Rest dem Westen. Das zeigte u.a. die Präsidenten-Stichwahl im Jahr 2010. Der vorwiegend russischsprachige Osten und Südosten wählte Wiktor Janukowitsch, der gegen die von der Westukraine favorisierte Julia Tymoschenko gewann und bis zu seiner Absetzung 2014 Präsident blieb.
[An den späteren Präsidenten- und Parlamentswahlen von 2019 konnten die von Russland kontrollierten Gebiete nicht teilnehmen. Es gewann Selensky gegen den amtierenden Präsidenten Petro Poroschenko. Bei den Parlamentswahlen im gleichen Jahr lag die Wahlbeteiligung unter 50 Prozent. Gewonnen hat die Wahl die von Präsident Selensky neu gegründete Partei Sluha narodu (zu Deutsch Diener des Volkes).]
21.4.2010Ukraines Präsident Janukowitsch und der russische Präsident Dmitri Medwedew verlängern den Pachtvertrag für russische Stützpunkte der Schwarzmeerflotte um weitere 25 Jahre (ab 2017), mit der Möglichkeit, den Vertrag nachher zu verlängern.
31.10.2010Parlamentwahlen in der Ukraine. Im Regionalparlament der Krim gehen 80 der 100 Sitze an die «Partei der Regionen» von Präsident Janukowitsch. Weitere drei Sitze bekommt die Partei «Russische Einheit», die sich offen für einen Beitritt der Krim zur Russischen Föderation aussprach. Die Kommunistische Partei, ebenfalls nicht pro-westlich, kommt auf fünf Sitze. Damit gehen 88 der 100 Sitze im Krim-Parlament an Parteien, die pro-russisch bzw. west-kritisch sind.
21./27.11.13Das Krim-Parlament positioniert sich Maidan-kritisch: In zwei Resolutionen verlangt es, dass ein EU-Assziierungsabkommem keine Abschottung gegen Russland bringen darf. 
2.12.2013Das Krim-Parlament fordert den ukrainischen Präsidenten Janukowitsch auf, die Ordnung auf dem Maidan notfalls durch das Ausrufen des Ausnahmezustands wiederherzustellen.
11.12.2013Die Regierung der Krim veröffentlicht folgende Erklärung:
«Heute steht die Krim vor der Wahl: Entweder eine gewaltsame Maidanisierung zu ertragen oder den staatsfeindlichen und krimfeindlichen Kräften eine entschiedene Antwort zu geben. Darum wenden wir uns an jeden einzelnen von Ihnen, unsere gemeinsame Position unabhängig von Ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Religion und politischen Ansichten deutlich zu demonstrieren. Niemand in Kiew soll sich der Illusion hingeben, dass die Krim sich einen fremden Willen aufzwingen lässt.»
Widerstand nach dem Putsch in Kiew
Jan/Feb 2014Die Maidan-Demonstrationen enden in einem Putsch (siehe hier und hier), der eine prowestliche Regierung an die Macht bringt.
4.2.2014Auf der Krim organisiert sich Widerstand. Das Parlamentspräsidium auf der Krim beschliesst eine Verfassungsänderung und fordert Russland auf, Garantien für die Rechte der Bewohner der Halbinsel zu prüfen.
Die autonome Republik Krim verfügt über kein eigenes Militär. Auf der Krim befinden sich mehrere tausend ukrainische Soldaten, die auf verschiedene Stützpunkte, Kasernen und Marinebasen verteilt sind. 
Ab Mitte Februar blockiert eine immer grössere Zahl von bewaffneten russischen Soldaten und Spezialkräften die ukrainischen Militärs, die sich auf der Krim befinden. Sie verhindern, dass ukrainische Soldaten ihre Stützpunkte, Kasernen und Militärbasen verlassen können.
Abstimmung auf der Krim
27.2.2014Laut westlichen Quellen kontrollierten bewaffnete Russen («grüne Männchen») das Regionalparlament. Dem regionalen Regierungschef Anatolij Mohyljow und einige Abgeordneten sei der Zugang versperrt worden. Ausländische Medien haben bei der Wahl keinen Zutritt.
Das Krim-Parlament setzt den Ministerpräsidenten Anatolij Mohiljow ab und wählt Sergei Aksjonow von der russlandfreundlichen Kleinpartei «Russische Einheit» zum neuen Regierungschef.
Die Regierung in Kiew anerkennt die neue Regierung nicht.
Gleichzeitig beschliesst das Krim-Parlament, am 25. Mai ein Referendum über den künftigen Status der Krim durchzuführen.
Ausländische Medien haben im Parlament keinen Zutritt. Russische Soldaten und Söldner in Zivil bewachen das Parlament.
1.3.2014Die Krim-Regierung unter Sergei Aksjonow bittet Russland um «Hilfe zur Sicherung von Frieden und Ruhe auf dem Gebiet der autonomen Republik Krim» und begründete dies mit seiner Verantwortung für das Leben und die Sicherheit der Bürger der Krim.
Das Oberhaus («Föderationsrat) des russischen Parlaments ermächtigt am gleichen Tag Präsident Putin, Soldaten auf die Krim zu schicken.
Am gleichen Tag ordnete Ukraines Übergangspräsident Oleksandr Turtschynow die Generalmobilmachung der ukrainischen Streitkräfte an und stellte Hilfegesuche an die EU, die USA und die Nato. 
6.3.2014Das Krim-Parlament beschliesst, das angekündigte Referendum über den Anschluss der Krim an die Russische Föderation bereits am 16. März durchzuführen.
10.3.2014Das Krim-Parlament lädt die OSZE ein, das Referendum zu beobachten.
11.3.2014Die OSZE lehnt die Einladung ab, weil das Referendum der ukrainischen Verfassung widerspreche und daher illegal sei.
Es stimmt nicht, wie häufig kolportiert, dass die Krim keine OSZE-Beobachter zuliess.
14.3.2014Das Parlament der Ukraine erklärt das geplante Referendum auf der Krim für verfassungwidrig und löst das Krim-Parlament offiziell auf.
Russische Soldaten und Spezialkräfte verhindern weiterhin, dass ukrainische Soldaten ihre Stützpunkte, Kasernen und Militärbasen auf der Krim verlassen können. Zu Kämpfen ist es nicht gekommen.
Nach eigenen Angaben wollen die russischen Soldaten die ukrainische Armee daran hindern, den Ablauf des Referendums zu stören. Die Russland-Kennerin Gabriele Krone-Schmalz hält diese Version für plausibel.
Den Angehörigen der ukrainischen Armee wird freigestellt, ob sie die Seiten wechseln (was viele auch tun) oder ob sie ohne Waffen die Kasernen verlassen und unbewaffnet in die Ukraine abrücken wollen.
16.3.2014Die Krim führt das Referendum über den Anschluss der Krim an die Russische Föderation gegen den Willen der Übergangsregierung in Kiew durch. Das Referendum findet ohne vom Ausland anerkannte Beobachter[3] statt. Die Stimmberechtigten konnten wählen zwischen zwei Alternativen:
«1. Sind Sie für eine Vereinigung der Krim mit Russland als Mitglied der Russischen Föderation?
2. Sind Sie für die Wiedereinführung der Verfassung der Republik Krim von 1992 und für den Status der Krim als Teil der Ukraine?»

Der «Status quo» stand nicht zur Wahl.
In der Verfassung von 1992[3a] war vorgesehen, dass die Krim alle Rechte einer unabhängigen Verwaltungseinheit im ukrainischen Staat hatte, mit vielen Vollmachten, ihr Schicksal selbst zu bestimmen und Beziehungen mit jedem anderen Land, einschliesslich Russland, aufzunehmen, soweit es um die Zusammenarbeit in Wirtschaft, Kultur, Gesundheitswesen, Bildung, Forschung und anderen Bereichen geht.
Das offizielle Endergebnis des Referendums lautet: 96,77 Prozent für den Anschluss an die Russische Föderation bei einer Wahlbeteiligung von 83,1 Prozent.
Die Ukraine und westliche Staaten bezeichnen das Referendum als eine Farce.
Im Westen wurde u.a. kritisiert, dass gläserne Wahlurnen und Stimmzettel ohne Umschläge benutzt wurden. Damit sei die Wahl nicht geheim gewesen. Doch gläserne Wahlurnen entsprachen den ukrainischen Vorschriften. In der Ukraine sind Wahlurnen immer gläsern und es gibt keine Umschläge für die Wahlzettel. Jeder kann seinen Wahlzettel vor dem Einwurf in die Urne so oft falten, wie er möchte. Wenn gläserne Urnen und fehlende Umschläge ein Kritikpunkt sind, dann gilt diese Kritik auch für sämtliche anderen Wahlen in der Ukraine vor und nach dem Referendum auf der Krim.

Es gibt kaum Krim-Experten, die behaupten, dass sich die Krim unter anderen Umständen anders entschieden hätte. Die Bevölkerungsmehrheit war pro-russisch und es gab auch für die nicht-russischen Bevölkerungsteile wirtschaftliche Gründe, die für eine Vereinigung mit Russland sprachen.
Der Lebensstandard in Russland war wesentlich höher als der in der Ukraine. Nach dem Anschluss der Krim an Russland werden dort die Gehälter der Staatsbediensteten und der Renten auf russisches Niveau angehoben. Für viele – nicht nur ethnische Russen – mag die Aussicht auf eine oft Verdreifachung der Gehälter und Renten ebenfalls ein Anreiz gewesen sein, für die Vereinigung mit Russland zu stimmen.[3c]
16.3.2014Unter der Überschrift «Jazenjuk eröffnet die Jagd auf Separatisten im ganzen Land» zitiert die ukrainische Zeitung «Vesti» Ukraines neuen Regierungschef Arsenij Jazenjuk. Diesem verhalf US-Staatsekretärin Victoria Nuland an die Macht:
«Wir bringen sie vor Gericht. Ukrainische und internationale Gerichte werden über sie richten. Die Erde unter ihren Füssen wird brennen. […] Wir tun alles, damit jeder, der sich heute unter dem Schutz russischer Maschinengewehre sicher fühlt, weiss, dass er seine Verantwortung … tragen muss.»
20.3.2014Das russische Parlament stimmt einem Beitritt der Krim zu.
28.3.2014Nachdem die ukrainische Regierung am 24. März den Rückzug der ukrainischen Truppen aus der Halbinsel Krim anordnete, verlassen die letzten ukrainischen Soldaten die Krim.
31.3.2014Die Ukraine protestiert gegen die russische Annexion der Krim.
Das Parlament in Kiew stimmt für das Aufheben aller Verträge mit Russland über die Schwarzmeerflotte, einschliesslich des Pachtvertrags von 2010, der den Verbleib der russischen Flotte auf der Krim bis 2042 garantierte.
Russland betrachtet den Flottenstützpunkt als geopolitisch unverzichtbar.
Drei Meinungsumfragen nach der Sezession oder Annexion durch Russland
Juni 2014Das Meinungsforschungsinstitut Gallup mit Sitz in Washington befragt die Krimbewohner, ob die beschlossene Abspaltung der Krim von der Ukraine und die Zugehörigkeit zur Russischen Föderation den Willen der Bevölkerung spiegeln würden. 83 Prozent der Befragten bestätigen dies.
Das US-Meinungsforschungsinstitut «Pew Research Center» kommt zum gleichen Resultat: 88 Prozent der Krim-Bewohner sind der Meinung, die Regierung in Kiew solle das Ergebnis des Referendums anerkennen. 91 Prozent sind der Meinung, das Referendum sei fair durchgeführt worden.
Februar 2015Nach einer repräsentativen Umfrage des deutschen Meinungsforschungsinstituts GfK hat sich die Einstellung der Krimbewohner nicht geändert. Auf die Frage «Befürworten Sie die Annexion der Krim durch Russland?» antworten insgesamt 82 Prozent der Befragten mit «Ja, auf jeden Fall» und weitere 11 Prozent mit «Ja, grösstenteils».
Nur zwei Prozent sagen, sie wüssten es nicht, und weitere zwei Prozent sagen nein. Drei Prozent machen keine Angaben zu ihrer Position. Die GfK fragt auch, ob die Medien in der Ukraine wahrheitsgetreu berichteten. Das Ergebnis: Nur ein sehr geringer Anteil der Befragten hält die ukrainischen Medien für glaubwürdig. Konkret geben lediglich 1 Prozent an, dass die ukrainischen Medien «vollständig wahrheitsgemässe Informationen» liefern, und nur 4 Prozent meinen, sie seien «meistens wahrheitsgetreu». Die grosse Mehrheit der Befragten betrachtet die Berichterstattung aus der Ukraine als nicht vertrauenswürdig.
Westliche Journalisten vor Ort
Später reisen nur ganz wenige westliche Journalisten auf die Krim, um die dortige Situation zu recherchieren.
Mai/Juni 2019Infosperber-Redaktor Christian Müller ist drei Wochen vor Ort und veröffentlicht einen 7-teiligen Bericht. Seine persönlichen Erfahrungen und Einschätzungen fasste er im Oktober 2019 zusammen: «Bei keinem einzigen Gespräch hatte ich das Gefühl, die Menschen würden nur das sagen, was sie sagen dürfen. Sie waren ganz einfach offen.»
Hebst 2019SRF-Redaktor David Nauer berichtet über seine Eindrücke auf der «Krim unter russischer Flagge». Sein Fazit: «Nicht alle Bewohner sind glücklich über die neuen Herren».
Präzedenzfälle einer Sezession
Kosovo: Der Internationale Gerichtshof in Den Haag stellte in einem völkerrechtlich nicht verbindlichen Rechtsgutachten fest, dass «die einseitige Unabhängigkeitserklärung durch die Provisorischen Institutionen der Selbstverwaltung des Kosovo» nicht gegen das Völkerrecht und gegen die Resolution 1244 des UNO-Sicherheitsrates verstosse.
Slowenien: Am 25. Juni 1991erklärt sich Slowenien einseitig für unabhängig von Jugoslawien – gegen den Willen der jugoslawischen Zentralregierung. Es gibt während zehn Tagen einige Kampfhandlungen. Nachdem Slowenien im Dezember 1991 eine eigene Verfassung verabschiedet, wird es innerhalb weniger Wochen von allen Staaten der damaligen EU anerkannt . Slowenien erklärt sich also einseitig für unabhängig und seine Unabhängigkeit wird anerkannt, sobald diese unabhängige Region eine eigene Verfassung hat. Die Krim hat schon lange ein eigenes Parlament, eine eigene Regierung und eine eigene Verfassung.
Das Gemeinsame im Fall von Slowenien und der Krim: Die Unabhängigkeit von Jugoslawien beziehungsweise von der Ukraine entspricht jeweils dem Willen der Mehrheit der Bevölkerung.
Der Unterschied:
In Slowenien ist kein Militär der jugoslawischen Zentralregierung stationiert. Die Slowenen stimmen im Dezember 1990 mit einer Zustimmung von 95 Prozent demokratisch für die Sezession von Jugoslawien.
Die Abstimmung auf der Krim dagegen hätte die ukrainische Zentralregierung ohne Eingreifen des russischen Militärs verhindert. Demokratische Standards wurden nicht eingehalten. Die Ukraine und Nato-nahe Institutionen sprechen von einer «Farce» und wecken den Eindruck, der Entscheid sei gegen den Willen der grossen Mehrheit der Bevölkerung gefallen.
Am 27. März 2014 erklärt die Uno-Generalversammlung die Abstimmung auf der Krim in einer nicht bindenden Resolution für ungültig.
Unverletzlichkeit der Grenzen vs Selbstbestimmung der Menschen
Neben allen Details der Abläufe stellt sich die grundsätzliche Frage: Ist die Unverletzbarkeit der Grenzen wichtiger als das Recht der Menschen innerhalb eines Staates auf Selbstbestimmung? 
Den Kurden beispielsweise wird die Selbstbestimmung schon seit vielen Jahren verweigert.
Die Ukraine hatte sich die Krim im Jahr 1991 rechtswidrig angeeignet und den dortigen Menschen seither das Recht mehrmals verweigert, über einen Verbleib bei der Ukraine oder über eine Trennung von der Ukraine selbst zu bestimmen.


Was die Ukraine auf der Krim vorhat

Alexey Danilow war von 2019 bis Mai 2025 als Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats und als Präsidentenberater einer der einflussreichsten Männer der Ukraine. Im April 2023 stellte Danilow auf Facebook wesentliche Punkte eines 12-Punkte-Plans zur «De-Okkupation» der Krim vor. Präsident Selensky hat sich von diesem Plan nie distanziert. Hier die wichtigsten Punkte:

  • Abriss der Krim-Brücke: Die Auto- und Eisenbahnverbindung zum russischen Kernland soll entfernt werden.
  • Strafverfahren gegen Kollaborateure: Personen, die mit den russischen Besatzern zusammengearbeitet haben, sollen strafrechtlich verfolgt werden. Ihnen droht der Verlust politischer Rechte und der Ausschluss von öffentlichen Ämtern.
  • Entfernung von Staatsdienern: Beamte, Richter, Staatsanwälte und Sicherheitskräfte, die nach 2014 für die russische Verwaltung tätig waren, sollen ihre Pensionsansprüche verlieren und lebenslang vom Staatsdienst ausgeschlossen werden.
  • Ausweisung russischer Zuzügler: Russen, die sich nach Februar 2014 auf der Krim niedergelassen haben, sollen das Gebiet verlassen müssen.
  • Annullierung von Verträgen: Nach 2014 abgeschlossene Verträge, insbesondere Grundstückskäufe, werden für nichtig erklärt. Enteignungen durch die Besatzer werden rückgängig gemacht.
  • Freilassung politischer Gefangener: Alle seit 2014 politisch verfolgten Ukrainer und Krimtataren sollen sofort freigelassen und entschädigt werden.
  • Filterung und Umerziehung: Ein umfassendes Programm soll die Bevölkerung von der Wirkung russischer Propaganda «entgiften». «Besonders belastete Gruppen» sollen öffentliche Arbeiten verrichten.
  • Verfolgung von Propagandisten: Journalisten und Medienleute, die zur Besatzung beigetragen haben, sollen strafrechtlich verfolgt und enteignet werden.
  • Auslieferung von Straftätern: Russland oder ein Nachfolgestaat soll alle Personen ausliefern, die sich aus ukrainischer Sicht strafbar gemacht haben, einschliesslich Kriegsverbrecher.
  • Dokumentation russischer Verbrechen: Eine Datenbank über Verbrechen an ukrainischen Bürgern auf der Krim soll erstellt werden.
  • Umbenennung von Städten: Sevastopol soll vorübergehend in „Objekt Nr. 6“ umbenannt werden; eine endgültige Namensgebung soll das ukrainische Parlament entscheiden.
  • Errichtung eines Denkmals: Es ist ein Denkmal mit der Aufschrift «Russian warship, go fuck yourself» geplant, das an den ukrainischen Widerstand erinnern soll.


Die strategische Rolle des Schwarzen Meeres

Sewastopol. Google Maps
Russischer Flottenstützpunkt auf der Krim. Die neue Regierung in der Ukraine hatte ihn vorzeitig per 2017 gekündigt.

Auszug aus Foreign Policy vom 19. April 2019

«Wer die Krim beherrscht, kontrolliert das Schwarze Meer und damit einen Grossteil der Frachtschiffe Russlands, die von dort ins Mittelmeer und über den Suezkanal oder die Strasse von Gibraltar ferne Destinationen erreichen. Russland hat die Aktivitäten der US-amerikanischen und der britischen Marine in der Schwarzmeerregion genau beobachtet. Über diplomatische Kanäle protestierte Russland, die Ausrichtung von ‹Sea Breeze› 2018, einer Schwarzmeerübung mit der Ukraine, sei antirussisch gewesen. Laut dem Russischen Institut für Strategische Forschung war es kein Zufall, dass die USA nach Sea Breeze 2017 Pläne für den Bau eines maritimen Operationszentrums in Otschakiw bekannt gaben, einer kleinen Stadt zwischen der Krim und Odessa an der Mündung des Dnjepr.[4]

Als die Nachricht auftauchte, dass die USA die Einrichtung für die ukrainische Schwarzmeerflotte auf dem Marinestützpunkt Otschakiw bauen wollten, war die russische Reaktion prompt.[5] Der russische Politiker Wladimir Schirinowski sagte öffentlich: ‹Wir werden euch dort, im Schwarzen Meer, ertränken! Und wir werden die Regierung in Kiew vernichten; das ist russisches Land – Otschakiw.›[6]

Trotz der offiziellen Antwort des Befehlshabers der ukrainischen Seestreitkräfte in Otschakiw, dass die Anlage lediglich der ukrainischen Marine zur Verfügung stehe und für die jährliche Übung Sea Breeze genutzt werde, hatte Russland offensichtlich den Eindruck, dass seine Präsenz auf der Halbinsel Krim beeinträchtigt werden soll. Admiral Igor Kasatonow, ehemaliger Befehlshaber der russischen Schwarzmeerflotte, sagte, das maritime Operationszentrum könne «als Aussenposten zur Überwachung der russischen Streitkräfte auf der Krim interpretiert werden» und eine Bedrohung für die russische Sicherheit darstellen.[7]

Im Jahr 2019 hatte Otschakiw  für die Ukraine und seine Flotte eine strategische Bedeutung. Alle Erklärungen US-amerikanischer und ukrainischer Offizieller, dass der Hauptnutzer der Einrichtungen die ukrainische Marine sein wird und ausländische Schiffe nur während des Sea Breeze eingesetzt werden, haben die Russische Föderation nicht zufrieden gestellt. Russland befürchtet, dass Otschakiw als strategischer Stützpunkt für ukrainische Sabotagemissionen auf der Krim, im Asowschen Meer und rund um die Kertsch-Brücke sowie für die Aufklärung in den westlichen Hoheitsgewässern genutzt werden wird. Künftig könnte Otschakiw als Ausgangspunkt für Aggressionen gegen Russland im Schwarzen Meer dienen.

Der Kreml betrachtet die Ereignisse in Otschakiw als Teil einer umfassenderen geopolitischen Rivalität zwischen Russland und der NATO im Schwarzen Meer und im östlichen Mittelmeerraum. Dies basiert auf mehreren Annahmen, darunter:

  1. Der Westen strebt die dauerhafte Kontrolle über das Schwarze Meer an; 
  2. ein entscheidendes Element davon ist die Etablierung einer ständigen Präsenz auf der Krimhalbinsel, insbesondere in Sewastopol, wo die russische Schwarzmeerflotte stationiert ist; 
  3. seit der Abspaltung der Krim fühlt sich der Westen überlistet und möchte den Status quo wiederherstellen oder zumindest die Fähigkeit Russlands testen, Herausforderungen zu bewältigen.

Igor Kassatanow, Stellvertreter des Oberkommandierenden der Russischen Seekriegsflotte, wies darauf hin, dass das schlimmste Szenario für Russland wäre, wenn die USA Otschakiw als Basis für die Stationierung von Komponenten des Raketenabwehrsystems nutzen würden, da diese nicht nur gegen russische strategische Raketen, sondern auch gegen russische Küstenraketensysteme wie Bastion gerichtet werden könnten.[8]

In den letzten Jahren hat die NATO in der Ukraine, in Moldau und in Georgien – also im «nahen Ausland» Russlands – entscheidende geopolitische Fortschritte gemacht. Russischen Medien zufolge werden nicht nur in der Ukraine, sondern auch in der Republik Moldau und in Georgien Einsatzzentralen aufgebaut und entwickelt. Wie der stellvertretende Ministerpräsident Dmitrij Ragozin kommentierte, «beginnen die Amerikaner in Moldawien mit der Ausbildung von Saboteuren und Spezialkräften für den Fall eines neuen bewaffneten Konflikts mit Transnistrien».[8] Auch der Fall Georgien ist für den Kreml besorgniserregend, vor allem weil die georgische Regierung die NATO eingeladen hat, in der Schwarzmeerstadt Poti einen Stützpunkt der Küstenwache zu errichten.[9]»


Für Putins Krieg gegen die Ukraine gibt es keine Entschuldigung

upg. Es kann durchaus sein, dass es ohne Osterweiterung der Nato und ohne Absicht, die Ukraine in die Nato aufzunehmen zu keinem Krieg gekommen wäre. Doch auch wenn sich Russland von der Nato eingeschnürt fühlte, war Russland existenziell nicht bedroht. Angegriffen wurde Russland schon gar nicht. Deshalb gibt es nichts, das den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine rechtfertigt.

Weiterführende Informationen


FUSSNOTEN
[1] «Вы за воссоздание Крымской Автономной Советской Социалистической Республики каксубъекта Союза ССР и участника Союзного договора?»
[2]  Die Ukraine und westliche Institutionen argumentieren, dass das Austrittsgesetz der UdSSR vom 3.4.1990 autonomen Republiken wie der Krim ein Entscheid über die völlige Unabhängigkeit von übergeordneten Unionsrepubliken (wie der Ukraine) erst zugestehe, nachdem die übergeordnete Republik einen Austritt aus der UdSSR beschlossen hat. Die Krim könne erst ein separates Referendum über ihre Unabhängigkeit durchführen, nachdem die Ukraine aus der UdSSR austritt. Das gehe aus den Artikeln 1 und 2 des Austrittsvertrags hervor. Diese Artikel regeln den «Austritt einer Unionsrepublik». Doch der Artikel 3 präzisiert: «In einer Unionsrepublik (Red.: Ukraine), die autonome Republiken (Red.:Krim), autonome Oblaste und autonome Bezirke umfasst, wird für jede Autonomie ein gesondertes Referendum durchgeführt. Die Völker der autonomen Republiken und autonomen Formationen behalten das Recht, selbständig über die Frage ihres Aufenthalts in der Unions-SSR oder in der ausscheidenden Unionsrepublik zu entscheiden sowie die Frage ihres staatsrechtlichen Status zu stellen.»2
Hier Artikel 1-3 des Austrittsgesetzes im russischen Original:
Статья 1, 2 и 3 Закона СССР от 3 апреля 1990 г. № 1409-I «О порядке решения вопросов, связанных с выходом союзной республики из СССР» (русский оригинал):
Статья 1.
Порядок решения вопросов, связанных с выходом союзной республики из СССР в соответствии со статьей 72 Конституции СССР, определяется настоящим Законом.
Статья 2.
Решение о выходе союзной республики из СССР принимается свободным волеизъявлением народов союзной республики путем референдума (народного голосования). Решение о проведении референдума принимается Верховным Советом союзной республики по собственной инициативе или по требованию, подписанному одной десятой частью граждан СССР, постоянно проживающих на территории республики и имеющих право голоса согласно законодательству Союза ССР. Референдум проводится в порядке, определяемом Законом СССР, Законом союзной, автономной республики о референдуме, если их положения не противоречат настоящему Закону.
Референдум проводится тайным голосованием не ранее чем через шесть и не позднее чем через девять месяцев после принятия решения о постановке вопроса о выходе союзной республики из СССР.
В референдуме участвуют граждане СССР, постоянно проживающие на территории республики к моменту постановки вопроса о ее выходе из СССР и имеющие право голоса согласно законодательству Союза ССР.
Во время проведения голосования какая-либо агитация по вопросу, вынесенному на референдум, не допускается.
Статья 3.
В союзной республике, имеющей в своем составе автономные республики, автономные области и автономные округа, референдум проводится отдельно по каждой автономии. За народами автономных республик и автономных образований сохраняется право на самостоятельное решение вопроса о пребывании в Союзе ССР или в выходящей союзной республике, а также на постановку вопроса о своем государственно-правовом статусе.
В союзной республике, на территории которой имеются места компактного проживания национальных групп, составляющих большинство населения данной местности, при определении итогов референдума результаты голосования по этим местностям учитываются отдельно.

[3] Trotz Einladung keine Beobachter auf der Krim
Der neue Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow lud die OSZE ein, das Referendum zu beobachten. Doch die OSZE lehnte ab, weil die Abstimmung illegal sei und die Einladung von der Regierung in Kiew kommen müsste. US-Aussenminister John Kerry meinte, das Recht der Bewohner der Krim sei zu respektieren, selbst über ihre Zukunft zu bestimmen. Doch es sei inakzeptabel, dass russische Kräfte auf der Krim Fakten schüfen.Trotzdem waren einige Parlamentarier (rechter und linker Parteien) aus west- und osteuropäischen Ländern beim Referendum als Beobachter anwesend.
Im Berliner Tagesspiegel vom 17. März 2014 erklärte der Landtagsabgeordneten der Linken, Torsten Koplin, der in Jalta zwölf Wahllokale besuchte und mit der städtischen Wahlleiterin sprach: «Alles ohne Beanstandungen», sagte er. Dass viele Wahlberechtigte die ungefalteten Zettel in gläserne Wahlurnen warfen, wertete er als Hinweis, dass die Krim-Bevölkerung «sehr offen und selbstbewusst» auftrete. (…)
Im Westen wurde kritisiert, dass gläserne Wahlurnen und Stimmzettel ohne Umschläge benutzt wurden. Damit sei die Wahl nicht geheim gewesen. Doch gläserne Wahlurnen entsprachen den ukrainischen Vorschriften. Dort sind Wahlurnen immer gläsern und es gibt keine Umschläge für die Wahlzettel. Es steht jedem frei, seinen Wahlzettel vor dem Einwurf in die Urne so oft wie man möchte zu falten. Wenn gläserne Urnen und fehlende Umschläge ein Kritikpunkt sind, dann gilt diese Kritik auch für sämtliche anderen Wahlen in der Ukraine vor und nach dem Referendum auf der Krim.

[3a] Die Verfassung wurde am 6. Mai 1992 vom Obersten Sowjet der Krim verabschiedet und bestand aus einer Präambel, 8 Abschnitten, 26 Kapiteln und 154 Artikeln.
Wichtige Bestimmungen:
Artikel 1:
Die Republik Krim ist ein rechtmäßiger, demokratischer Staat. Sie besitzt auf ihrem Territorium das höchste Recht in Bezug auf natürliche Ressourcen, materielle, kulturelle und geistige Werte und übt ihre souveränen Rechte und die volle Macht auf diesem Territorium aus.
Artikel 9:
Die Republik Krim ist Teil des Staates Ukraine und regelt ihre Beziehungen zur Ukraine auf Vertrags- und Vereinbarungsbasis.
Artikel 6:
Amtssprache und Sprache der Verwaltung ist Russisch. Staatssprachen der Republik Krim sind Krimtatatarisch, Russisch und Ukrainisch.
Artikel 3:
Teil der Republik Krim ist auch die Stadt Sewastopol, deren Beziehungen zur Republik auf vertraglicher Grundlage geregelt werden.
Weitere zentrale Punkte:
Die Verfassung wurde mehrfach geändert und am 17. März 1995 durch das ukrainische Parlament aufgehoben.
Die Verfassung sah weitgehende Autonomierechte für die Krim vor, insbesondere in wirtschaftlichen Angelegenheiten.
Sie regelte die Beziehungen zur Ukraine ausdrücklich auf konföderativer bzw. föderaler Grundlage.
Die Verfassung wurde mehrfach geändert und am 17. März 1995 durch das ukrainische Parlament aufgehoben.

[4] Riss.ru, August 2017, https://riss.ru/smi/43109/. “’Amusing Navy’ Ukraine Goes to NATO Standards,” Russian Institute for Strategic Studies, 18 August 2017.
[5] Construction is being done by Naval Mobile Construction Battalions with support from U.S. contractor KVG. The project, for which U.S. government allocated $750,000, was anticipated to be completed at the end of 2018 but now has been postponed until spring 2019. It likely will not be final such project in Ukraine.
[6] A translation of Zhirinovsky’s remarks on a Russian talk show. See “This is Russian land—Ochakov: Zhirinovsky commented on the construction of a U.S. military base,” http://timer-odessa.net/news/eto_russkaya_zemlya_ochakov_jirinovskiy_prokommentiroval_stroitelstvo_voennoy_bazi_ssha_482.html.
[7] “U.S. Starts Building ‘Maritime Operations Center’ in Ukraine. Here’s Why,” Sputniknews.com, 13 August 2017.
[8] “Rogozin on Shipbuilding in Ukraine: They Are Only ‘Service Coffee’ to American Marines,” in Russian news agency, https://ria.ru/20170820/1500711343.html.
[9] daJoshua Kucera, “Georgia Offers NATO to Build a Black Sea Base at Poti,” Eurasianet.org, 9 March 2017.

Die Verfassung sah weitgehende Autonomierechte für die Krim vor, insbesondere in wirtschaftlichen Angelegenheiten.

Sie regelte die Beziehungen zur Ukraine ausdrücklich auf konföderativer bzw. föderaler Grundlage.


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Zum Infosperber-Dossier:

Ukraine_Sprachen

Die Ukraine zwischen Ost und West: Jetzt von Russland angegriffen

Die Ukraine wird Opfer geopolitischer Interessen. Die Nato wollte näher an Russland. Seit dem 24.2.2022 führt Russland einen Angriffskrieg.

KrimSchwalbennest

KRIM Annexion oder Selbstbestimmung

Der Volkswille auf der Krim zählt nicht, weil die Ukraine an die Volksabstimmung nicht gebunden ist.

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3 Meinungen

  • am 18.08.2025 um 11:57 Uhr
    Permalink

    Danke das war mal ein historisch ausgezeichneter Artikel, der so einiges erklärt was viele nicht wahrhaben wollen.

  • am 18.08.2025 um 15:44 Uhr
    Permalink

    Einmal mehr gegen den Mainstream und trotzdem subjektiv objektiv

    > Verständlich geschrieben
    > Historisch gut hergeleitet
    > Wissenschaftlich bestens belegt
    > Meinung und Distanz einnehmend

    Einmal mehr gelingt es dem Infosperber in Persona von Urs Gasche, die vermeintlichen, westlichen Wahrheiten detailliert und gut lesbar auseinander zu nehmen und zu widerlegen.

    Journalismus, der zum Denken und Diskutieren anregt – bei einem Thema, dass auch «bei uns» zum Umdenken bzgl. Gebietsabtretungen im Tausch für eine Ende des Krieges mit seinem unglaublichen, unsinnigen Leid beitragen könnte.

    Weiter so, Infosperber! Ich komme immer wieder hier auf deiner Webseite vorbei, um mein Wissen zu differenzieren – und so nicht zu verzweifeln in diesen Kriegslüsternen Zeiten.

    Mfg Georg R. Rettenbacher, Bern

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