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Der Drache bringt Glück, Wohlstand und Zufriedenheit © flickr

Chinesisches Neujahr im Zeichen des Drachen

Peter G. Achten /  Zum chinesischen Neujahr sind zurzeit Abermillionen ChinesInnen unterwegs. Die grösste, friedliche Migration der Weltgeschichte.

Das Neujahr im chinesischen Kalender – von den Vietnamesen als ehemalige chinesische Besitzung im ersten Jahrtausend unserer Zeitrechnung übernommen – fällt jeweils auf den zweiten, manchmal den dritten Neumond nach der Wintersonnenwende zwischen dem 21. Januar und 21. Februar. Im laufenden Jahr ist es der 23. Januar, also sehr früh. Das Frühlingsfest ist das Familien- und Clanfest par excellence.

Im Reich der Mitte geht einen Monat fast nichts mehr

Millionen und Abermillionen ChinesInnen und VietnamesInnen sind derzeit unterwegs. Im Bus, im Flugzeug, in der Eisenbahn. Es ist die grösste friedliche Migration der Weltgeschichte. Jeder und jede will nach Hause ins Dorf der Sippe, und sei das mehrere tausend Kilometer entfernt. Selbst Überseechinesen und Vietnamesen aus Amerika, Europa oder Australien lassen es sich oft nicht nehmen, an den Ursprungsort der Ahnen zu pilgern, um mit Freunden und Verwandten das Neue Jahr zu begrüssen.

Während fast einem Monat geht fast nichts mehr im Reich der Mitte und in Vietnam. Es gilt, alte Schulden zu bezahlen, das grosse Fest vorzubereiten, die sehr oft lange und umständliche Heimreise anzutreten. Und natürlich muss der Küchengott besänftigt werden. Vor den Hausaltar werden Früchte und süsse Leckereien gelegt, um den Küchengott gütig zu stimmen.

Das Jahr des Drachen bringt noch grösseres Reise-Chaos

Denn einmal pro Jahr wird ihm Bericht übers vergangene Jahr erstattet, also über Gutes, aber auch Schlechtes in der Familie und im Clan. Ein Bekannter aus Hanoi (Vietnam) brachte als Gabe keine Früchte oder Süssigkeiten dar, sondern scharfen Sorghum-Schnaps (50% plus Alkoholgehalt). Ein leicht beschwipster Küchengott, so das Argument, sehe alles etwas weniger scharf und sei deshalb milder gestimmt.

Dieses Jahr ist die das Reise-Chaos noch etwas grösser als üblich. Das Jahr des Drachen (Lóng) steht nämlich bevor. Der Drache hat im Westen eine eher negative Bedeutung. Als feuerspeiendes Fabelwesen ist der Drache aus Mythen und Sagen bekannt. In den überlieferten Mythen der westlichen Kultur versinnbildlich das furchterregende Phantasietier und Ungeheur Chaos.

Der Drache bringt Glück, Wohlstand und Zufriedenheit

In Ostasien freilich werden dem in westlichen Sprachen nur unzulänglich als Drachen übersetzten Lóng vor allem positive Eigenschaften zugeschrieben. Er verkörpert kaiserliche Macht und Durchsetzungskraft. Der Drache bringt Glück, Wohlstand und Zufriedenheit. Er symbolisiert Frühling, Wasser, Regen und Fruchtbarkeit.

Darüber hinaus besitzt er magische Kräfte und ist extrem langlebig. Seit dem 10. Jahrhundert unserer Zeitrechnung wurde Lóng durch den Buddhismus bis nach Südostasien, vor allem aber in ganz Ostasien bis nach Korea und Japan verbreitet. Kein Wunder, dass zu jedem Fest – vornehmlich dem jetzigen Frühlingsfest – Drachentänze gehören.

Wichtige Weichenstellungen im Jahr des Drachen

Die Zeichen stehen deshalb gut. Für die Welt, insbesondere aber für China und Asien. Chinesische Politologen zum Beispiel weisen auf wichtige Weichenstellungen im Jahr des Drachen hin: Wahlen in den USA, Frankreich oder Russland, aber auch im chinesischen Raum wie in Hongkong, Taiwan und im Herbst dann die Machtablösung am 18. Parteitag an der Spitze der allmächtigen Kommunistischen Partei Chinas.

Dass sich Lóng derzeit wieder im Zentrum der Welt befindet, ist seit gut zwei Jahrzehnten bekannt. Der wirtschaftliche und politische Schwerpunkt der Welt hat sich unaufhaltsam vom atlantischen zum asiatisch-pazifischen Raum hin verschoben. Doch der chinesische Drache Lóng weiss, dass Amerika als pazifische Macht noch lange nicht Geschichte ist. Auch Europa ist dem chinesischen Drachen als Macht-Balance teuer und lieb.

Junge ChinesInnen wünschen sich ein Drachen-Baby

Das Drachenjahr 2012 jedenfalls wird nach Ansicht chinesischer Historiker, Ökonomen, Geomantiker und Astrologen positiv in die Geschichte eingehen. Bevölkerungswissenschafter prognostizieren unterdessen einen Bevölkerungsboom. Wer unter jungen ChinesInnen wollte denn nicht ein Drachen-Baby sein eigen nennen. Besonders privilegiert sind jene, die im Drachenjahr heiraten.

In der Presse Chinas und Vietnams werden unterdessen ratgebende Ärzte nicht müde zu betonen, dass man im Drachenjahr nicht einfach zuwarten kann. Nein, spätestens anfangs Mai – so die Empfehlung – sollte zur Tat geschritten werden, denn das Jahr des Lóng endet am 9. Februar 2013.


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