Kommentar

Trumps Zollchaos – ein Zeichen der Schwäche

Rudolf Strahm ©

Rudolf Strahm /  Die amerikanische Industrie ist nicht konkurrenzfähig. Was dem absteigenden Hegemon bleibt, ist Abschottung.

Red. – Dies ist ein Gastbeitrag von Rudolf Strahm. Er war Preisüberwacher und SP-Nationalrat. Sein Artikel erschien zuerst in der «Handelszeitung». Infosperber veröffentlicht eine aktualisierte Fassung.

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Täglich beklagen hiesige Medien, angeregt durch jammernde Verbandsfunktionäre, das Trump’sche Zollchaos. Man verhöhnt Trumps Schocktherapie mit seinen Drohungen, Anklagen und präsidialen Deal-Offerten. Doch man muss diese Kraftmeierei nicht als Stärke, sondern vielmehr als Anzeichen der Schwäche des absteigenden Hegemons USA erkennen.

Industrielle Schwächen mittels Schutzzöllen abzuwehren ist ein rationaler Reflex aus der Vulgärökonomie. Ich erinnere mich an die harten Fragen hierzulande von Gewerkschaftern des Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeiterverbands (Smuv) in Fortbildungskursen, als nacheinander die Eisenwerke in der Klus, in Choindez, Rondez, Monteforno und Gerlafingen wegen billiger Stahlimporte zunehmend in Nöte gerieten: «Warum, Kollege Strahm, erhöht der Bundesrat nicht einfach die Zölle gegen den billigen lothringischen und russischen Stahl? Warum rettet niemand unsere soliden Giessereien?»

Die eigene Industrie schützen und die Importe mit Zöllen verteuern. Diese Logik zieht sich durch die Wirtschaftsgeschichte bis hinein in die heutige US-Regierung. Diese protektionistische Rückzugsstrategie von «Make America great again» (Maga) kann man nur einordnen, wenn man die Geschichte der industriellen Zerstörung in den USA nach 1995 und vor allem die sozialen Folgen zur Kenntnis nimmt. 

Innert eines Jahrzehnts sind die nördlichen Industriegebiete der USA durch chinesische und asiatische Billigimporte regelrecht zerstört, vernichtet worden und zu Industriewüsten verelendet. Und das ohne Umstrukturierungshilfe, ohne Arbeitslosenversicherung, ohne Umschulungen. Spätfolge ist der politische Umschwung zu Trump in den Swing States. 

Der heute in den Rechtspopulismus abgedriftete US-Vizepräsident J.D.Vance hatte 2016 in seiner traurigen sozialkritischen Autobiografie «Hillbilly Elegie» die durch den Freihandel bedingte Zerstörung der amerikanischen Eisen-, Verhüttungs-, Maschinen- und Autoindustrie im heutigen Rust Belt anhand des Armutsdramas in seiner Jugend eindrücklich beschrieben.

Bethlehem USA
Sinnbild für die industrielle Zerstörung in den USA: Verlassene Fabrik in Bethlehem, Pennsylvania.

Eine industrielle Wüste, geflutet von Importwaren

Dreissig Jahre nach jenem WTO-Abkommen von 1995, ohne soziale Leitplanken konzipiert, ist Amerika – mit Ausnahmen bei Rüstung, Raumfahrt und technologischen Nischen – zu einer industriellen Wüste geworden, die mit Importen aus Asien und aus einzelnen Ländern Europas geflutet wird.

Die amerikanische Industrie ist nicht konkurrenzfähig und produziert schlechte Qualität. Wer kauft schon amerikanische Autos? Wer kauft Waschmaschinen, Küchengeräte, die nach zwei, drei Jahren den Geist aufgeben? Jetzt kurzfristig in den USA ein Fachkräftepotential für eine Reindustrialisierung auszubilden, ist eine Illusion. Mein ins Englische übersetztes Buch «Akademisierungsfalle» zur Berufsbildung wurde mit einem Vorwort von Bundesrat Johann Schneider-Ammann in den USA verbreitet. Der Bundesrat war stolz auf die Einladung bei Obama. Doch in den USA wirken hundert Hürden gegen ein öffentliches Berufsbildungssystem. Amerikanische Firmen bilden nicht aus für den Arbeitsmarkt, sondern bestenfalls für eigenen Gebrauch! 

Die Folgen sind Handelsbilanz- und Zahlungsbilanz-Defizite in astronomischen Dimensionen. Sie werden mit Treasury Bills (kurzfristig) und Treasury Bonds (längerfristig), auch durch ausländische Investoren, auf Pump finanziert. 

Heute übersteigt der Zinsendienst der USA die Höhe der Militärausgaben. Nun haben Ratingagenturen den US-Schuldtiteln die Bestnote AAA entzogen. Die Investoren verlangen höhere Risikoprämien. Die amerikanische Grossmacht kann die Krankheitssymptome ihrer Schuldenwirtschaft nicht länger verbergen. 

Die möglichen Massnahmen des Präsidenten

Was kann eine amerikanische Regierung tun, um diesen langfristigen säkularen Abwärtstrend zu brechen? Konrad Hummler und Ivan Adamovich haben in ihrer Schrift «Vom Umgang mit Amerika» (Progress Foundation) den mutigen Schritt unternommen, einmal die nationalistische Rationalität des provokativen US-Verhaltens aus der Optik des amerikanischen Make-Amerika-great-Verhaltens zu erklären.

Donald Trump will die US-Wirtschaft mit hohen Zöllen schützen – mit den Folgen von Inflation und Wachstumsbremsen. Man könnte gemäss «Heritage Foundation» den Dollar als Weltwährung abwerten – mit der Folge von Kritik am Dollar-Währungsverlust an der Wallstreet. Trump versucht ferner, die überdehnte globale Truppenpräsenz als Weltpolizei mit 750 Militärstützpunkten in 80 Ländern abzubauen – mit der Folge, dass Macht und Vertrauen verloren gehen. 

Die logische Ausflucht aus diesem Dilemma ist Trumps manifeste Feindschaft gegen die liberale, regelbasierte Weltordnung des Multilateralismus, die von den USA einst geschaffen worden ist. Was dem absteigenden Hegemon bleibt, ist Rückzug und teilweise Selbstisolation. 

Er rechtfertigt dies mit der neuen tripolaren Weltordnung mit USA, China, Russland. Den Europäern bleibt (nutzloser) Ärger mit dem Trump’schen Protektionismus. Wir werden noch viele Eskapaden der Maga-Logik erleben.

Weiterführende Informationen


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Keine
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