kavallerie

Kavallerie-Schwadron 1972: Ehemalige Kavalleristen halten die Erinnerung an die Reitertruppen wach © Wikimedia Commons/cc

Zehn Armee-Pferde bleiben künftig im Stall

Hans Ulrich Jost /  Was haben Pferde und Flugzeuge gemeinsam? Sie werden zum Politikum, wenn sie der Armee gehören und der Bund dafür zahlen muss.

Im März dieses Jahres berieten die eidgenössischen Räte über die Zahl der Reitpferde, die der Bund dem Nationalen Pferdezentrum in Bern zur Verfügung stellen soll. Der Bundesrat wollte diesen Bestand von heute 65 auf 38 reduzieren. Die Räte einigten sich schliesslich auf 55 Armeepferde.
Man könnte diesen Beschluss wohl ohne Bedenken in der Rubrik «belanglose Geschäfte» abhaken – wenn nicht eine 150-jährige Geschichte an Probleme erinnern würde, die bis heute die eidgenössische Politik beschäftigen. Es geht um Subventions- und Beschaffungsprobleme des Bundes, im Fall der Armeepferde zudem auch um Prestige, Ideologie und nationalen Stolz.
Pferdezucht als Bundesaufgabe

Die Geschichte nahm 1868 ihren Anfang. Damals legte der Bundesrat dem eidgenössischen Parlament einen Antrag «betreffend Hebung der schweizerischen Pferdezucht» vor. Der Bundesrat wollte jedes Jahr 28 Hengste und 47 Stuten beschaffen und diese den kantonalen Züchtern oder Anstalten zu reduzierten Preisen abgeben. Dafür sollten jährlich 84’000 Franken (damals 1,4 Prozent der Ausgaben des Militärdepartements) aufgewendet werden. Die Räte stimmten dem Vorschlag zu, kürzten aber die Summe auf 60’000 Franken.

Es war eines der ersten Geschäfte der eidgenössischen Subventionspolitik und der Anfang einer emotionellen, über ein Jahrhundert dauernden Debatte. Es ging dabei nicht nur um die der Armee zugeteilten Zug- und Arbeitspferde, sondern vor allem um das Züchten von schweizerischen Rassepferden, die nicht zuletzt das Prestige der Offiziere heben sollten. Nicht zu übersehen ist in diesem Zusammenhang, dass seit Mitte des Jahrhunderts Rassentheorien, auch die Menschen betreffend, zunehmend die Öffentlichkeit beschäftigten.
Das mit der neuen Bundesverfassung von 1874 erlassene Militärgesetz übernahm die Pferdezucht als feste Bundesaufgabe. Mit der Aufzucht einer helvetischen Rasse haperte es allerdings bedenklich. Dem eidgenössischen Fohlenhof in Thun und dem Gestüt in Avenches gelang es nicht, die von der Armee geforderten Rassepferden zu liefern. Auch die Ratschläge der 1901 geschaffenen eidgenössische Pferdezuchtkommission brachten keine Fortschritte.
Oberst Markwalder schrieb 1910 in seinem Bericht «Die schweizerische Pferdezucht in ihrer Bedeutung für die Armee»: «Die Zucht eines für den Reit- und Cavalleriedienst tauglichen Pferdes ist in der Schweiz aussichtslos. Die inländische Zucht kann das Artilleriepferd und das Zugpferd für den Linientrain, niemals aber ein Cavalleriepferd liefern.»
Die Kavallerie – der Stolz des Landes

Das Versagen bei der Aufzucht eines einheimischen Rassepferdes hatte allerdings kaum Einfluss auf den Aufbau der Kavallerietruppen. 1874 waren es 24 Dragonerschwadronen und 6 Guidenkompanien. Die von den Bauern gepflegten Pferde, oft «Eidgenossen» genannt, konnten mit ihren Besitzern zum Dienst aufgeboten werden. Diese eidgenössische Kavallerie war der Stolz des Landes.
Als 1938 die motorisierten Leichten Truppen aufgebaut wurden, kam es zum ersten einschneidenden Abbau der Kavallerie. Obwohl Pferdetruppen in einer modernen Armee kaum noch einsetzbar waren, hielt die Schweizer Armee bis 1972 an diesem Militär-Relikt fest. Der Antrag zur Abschaffung der Kavallerietruppen löste 1972 eine uferlose Debatte in den Räten aus. Doch selbst eine Petition mit rund 430’000 Unterschriften vermochte das Parlament nicht umzustimmen.
Die Geschichte des eidgenössischen Rassepferdes für die Armee erinnert an die Beschaffungsprobleme in anderen Bereichen der Armee. 1914, beim Aufbau einer Fliegertruppe, versagten die für die Anschaffung der Flugzeuge verantwortlichen Stellen ebenfalls. Am Ende des Krieges stellte man resigniert fest, dass trotz beträchtlichem finanziellem Aufwand keine kriegstaugliche Fliegertruppe vorhanden war. Daran war auch die Armeeführung nicht ganz unschuldig. General Wille und viele der höheren Offiziere hatten mehr Vertrauen in Pferde als in Flugzeuge.
Der Vergleich zwischen Pferden und Flugzeugen kam auch 1972 wieder ins Spiel. Als der Nationalrat über die endgültige Abschaffung der Kavallerie debattierte, meinte der letzte Sprecher, James Schwarzenbach: «18 Schwadronen» der Kavallerie seien «immer noch besser als 60 Wunschträume von Milans oder Corsairs in der Luft». Ein letzter Versuch, die Pferdetruppe – und einen alten Mythos – zu retten.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

4 Meinungen

  • am 6.06.2018 um 12:48 Uhr
    Permalink

    Es ist bedenklich, wie Bundesrat und Parlament mit der Kultur «Pferd» umgehen! Alles was anscheinend sich nicht mehr «lohnt» wird einfach gekappt, oder verstümmelt!
    Die Schweiz ist ein Pferdeland, hat mittlerweile wieder über 100’000 Equiden, während der tiefste Stand, nach der Motorisierung von Landwirtschaft und Armee, ab Kriegsende bis Anfang der 80iger Jahre bei ca 42’000 lag! Nach Kriegsende war der Pferdebestand bei ca 160’000 Pferden, Mulis und Esel! Die Schweiz ist in pferdesportlichen Disziplinen, weltweit immer bei den Besten, was für unser Land eine positive Werbung ist. Natürlich ist der grösste Teil im Freizeitbereich aktiv. Die Armee hat noch einen Restbestand unserer einheimischen Rasse, um Transporte in unwegsamen Gelände zu machen! Das eidgenössische Gestüt in Avenches geniesst weltweit hohe Anerkennung in verschiedenen veterinärtechnischen Belangen. Diese gesamte Branche rund ums Pferd, generiert zahlreiche hochwertige Arbeitsplätze und markante Umsätze! Also durchaus eine schützenswerte Branche!

  • am 8.06.2018 um 00:37 Uhr
    Permalink

    Die Schweizer Armee hatte nur einen einzigen «erfolgreichen» Einsatz in Ihrer Geschichte; Im Landesstreik gegen die eigene Bevölkerung! Die Streikenden wollten unter anderem das Frauenstimmrecht, eine Rente und eine Arbeitslosenkasse.
    Der Armee hoch zu Pferde ist es gelungen diese komunistischen Forderungen niederzutrampeln! Welch ein Erfolg!
    Leider war und ist die Schweizer Armee aus eigener Erfahrung zu nichts anderem zu gebrauchen. Ihr Glück ist, dass der Landesstreik ihr einziger Ernstfall war.

    @Willy Brauen
    Wenn die subventionierten Arbeitsplätze und der Umsatz der Armeebestände noch das einzige Argument sind, können wir auch ein Grundeinkommen einführen und uns unserem Hobby z.B. dem Pferdezüchten widmen.

  • am 9.06.2018 um 08:45 Uhr
    Permalink

    Daniel Bertschi: Wenn Sie die Geschichte etwas genauer betrachten, werden Sie feststellen, dass das was Sie schreiben, der Wahrheit nicht entspricht. Die Schweiz ging fast schadlos aus dem 2. Weltkrieg heraus. Wer, oder was dafür verantwortlich war, wird unterschiedlich beurteilt. Dass die Verteidigungsbereitschaft, durch Volk und Armee, damals noch in grossem Ausmass vorhanden war, hatte zweifellos eine Wirkung.
    Wenn die Schweizerischen Behörden das Aufkommen von «kommunistischer» Tendenzen unterbanden, hatte für die Schweiz bis auf den heutigen Tag Vorteile gebracht.
    Die besten sozialen Einrichtungen wurden eingeführt – zweifellos auch durch das Wahrnehmen des Direktdemokratischen Rechtes durch das Volk (Streiks und Demos)! Die restlichen kommunistischen Staaten und Diktaturen existieren nur noch durch Repression und Mord, deren Ende hoffentlich bald kommen wird.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...