Strompreis

Kleinverbraucher zahlen hohe Monopoltarife – Grosskunden profitieren vom tiefen Marktpreis für Strom © bj/IS

Wie Stromlieferanten Kleinverbraucher schröpfen

Hanspeter Guggenbühl /  Die tiefen Marktpreise bringen vielen Stromproduzenten Verluste. Einen Teil davon müssen Kleinverbraucher kompensieren.

Die Stromversorgung in der Schweiz ist seit 2009 teilweise liberalisiert. So können Unternehmen und Elektrizitätswerke, die pro Jahr mehr als 100’000 Kilowattstunden (kWh) Strom verbrauchen oder verteilen, diesen Strom auf dem Markt kaufen. Der Preis auf dem Schweizer Markt ist in den letzten Jahren gesunken. Er liegt heute bei durchschnittlich 5 Rappen pro kWh (siehe Tabelle: «Ausgewählte Strompreise»). Dabei handelt es sich um den reinen Strompreis; nicht darin enthalten sind die Kosten respektive Tarife für die Nutzung des Stromnetzes sowie öffentliche Abgaben. Der folgende Text widmet sich dem reinen Strompreis.
Gleiche Haushalte – andere Tarife
Haushalte und Firmen, deren Stromkonsum unter der Schwelle von 100’000 kWh liegt, zahlen weiterhin den Monopoltarif ihres Lieferanten. Nach Gesetz muss sich dieser Tarif an den sogenannten «Gestehungskosten» orientieren, also den Produktions- und Einkaufskosten des Lieferanten. Das ist ein dehnbarer Begriff. Als Beispiel nehmen wir den typischen, nicht sehr sparsamen Haushalt, der pro Jahr 4500 kWh Elektrizität verbraucht. Für den Strom allein bezahlt dieser Haushalt folgende, regional höchst unterschiedliche Tarife (Stand 2016):

  • 6,5 Rappen pro kWh im Verteilgebiet des Elektrizitätswerks des Kantons Zürich (EKZ) und 6,1 Rappen im Verteilgebiet der St.Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke (SAK). EKZ und SAK sowie weitere Nordostschweizer Kantonswerke beziehen ihren Strom mehrheitlich vom Stromproduzenten und Grossverteiler Axpo.
  • 8,4 Rappen/kWh in den meisten Luzerner Gemeinden, in denen der Stromproduzent CKW die Endverbraucher direkt beliefert.
  • 9,4 Rappen in den meisten Berner Gemeinden, die von der Stromfirma BKW versorgt werden.

Abweichungen von den genannten Tarifen – mehrheitlich nach unten – gibt es in Gemeinden, die über ein kommunales Elektrizitätswerk verfügen. Beispiele: In Zollikon bei Zürich zahlt der erwähnte Haushalt 20 Prozent weniger als im Verteilgebiet des EKZ. In Herzogenbuchsee (BE) ist der Haushalttarif für Strom ab 2016 sogar 30 Prozent tiefer als im direkt belieferten Berner BKW-Gebiet. Grund: Die kommunalen Verteilwerke machen zunehmend von ihrem Recht Gebrauch, den Strom auf dem Markt zu beziehen und lassen auch ihre Kleinverbraucher vom tieferen Marktpreis profitieren. Den tiefen, ab 2016 stark sinkenden Tarif in Herzogenbuchsee begründet der Leiter des kommunalen Elektrizitätswerks wie folgt: «Wir haben eine Mehrlieferanten-Strategie und auf dem Markt zum günstigsten Zeitpunkt eingekauft.»

Monopoltarife höher als Marktpreise

Politisch von Belang sind die Unterschiede zwischen den mittleren (Haushalt-)Tarifen in den Kantonen (siehe Karte «Kantonale Strompreise im Vergleich»).

Mittlere kantonale Stromtarife für Haushalte mit 4500 kWh Jahresverbrauch, in Rappen pro Kilowattstunde (Rp./kWh), für das Jahr 2016 Quelle: www.elcom.admin.ch
Dabei fällt das Gefälle zwischen Osten und Westen auf: In den Nordostschweizer Kantonen, die von der Axpo via Kantonswerke beliefert werden, ist das Preisniveau heute viel tiefer als etwa im CKW-Kanton Luzern oder im BKW-Kanton Bern sowie in der Romandie.
Dazu liefert die Axpo-Medienstelle folgende Begründung: Die Axpo beliefere die Nordostschweizer Kantonswerke seit 2014 «zu marktüblichen Preisen». Diese lägen heute «oft unterhalb der Gestehungskosten». Das heisst: Weil die Axpo keine Kleinverbraucher, die im Monopol verbleiben, direkt beliefert, kann sie tiefe Erlöse im Markt nur bedingt (der Begriff «marktüblich» lässt sich ebenfalls etwas dehnen) durch höhere Erlöse im Monopol ausgleichen. Auch die Alpiq, nach Axpo der zweitgrösste Schweizer Stromkonzern, verkauft über 98 Prozent ihres Stroms auf dem Markt und profitiert damit kaum vom Teil-Monopol.
Anders verhält es sich bei Stromproduzenten oder Stromhändlern, die über ein eigenes Versorgungsgebiet verfügen und gleichzeitig als Endverteiler tätig sind. Dazu gehören etwa die Stadtwerke von Zürich (EWZ), Basel-Stadt (IWB) und Bern (EWB) oder eben die erwähnten Überlandwerke CKW und die BKW. Sie beliefern neben Grossverbrauchern und kommunalen Verteilwerken auch kleine, im Monopol gefangene Stromverbraucher direkt. Ihre Monopoltarife liegen heute und im Jahr 2016 deutlich über dem eingangs erwähnten Marktpreis von 5 Rappen/kWh. Bei den aktuell tiefen Marktpreisen lässt sich damit folgende grobe Regel ableiten: Je grösser der Anteil an gebundenen Kunden an ihrem Stromabsatz ist, desto stärker können Stromlieferanten allfällige Verluste im Markt durch höhere Monopoltarife kompensieren.

Monopolrenten in Millionenhöhe

Aus der Abweichung zwischen Markt- und Monopolpreisen lässt sich die Monopolrente der Stromlieferanten ausrechnen. Dazu zwei Beispiele:

  • Die Berner BKW liefert nach eigenen Angaben rund 1800 Millionen kWh oder 26 Prozent ihres gesamten Stromabsatzes an nicht marktzutrittsberechtigte Kleinverbraucher; dies zu einem mittleren Tarif von 9 Rappen pro kWh (immer exklusive Netztarife und Abgaben). Dieser Tarif liegt um 4 Rappen über dem mittleren Schweizer Marktpreis von 5 Rappen. Multipliziert man die Preisdifferenz von 4 Rappen mit den 1800 Millionen kWh Strom, so resultiert für die BKW eine Monopolrente von 72 Millionen Franken pro Jahr.
  • Die CKW (die mehrheitlich der Axpo gehört) liefert knapp 1000 Millionen kWh oder 17 Prozent ihres Stromabsatzes direkt an Verbraucher ohne Marktzutritt; dies zu einem mittleren Tarif von 8 Rappen oder 3 Rappen über dem Marktpreis. Damit erzielt sie eine Monopolrente von 30 Millionen Franken.

Vertreter befragter Elektrizitätsfirmen meiden allerdings den Begriff «Monopolrente». Ihre hohen Tarife rechtfertigen sie mit dem Hinweis, diese orientierten sich an ihren Gestehungskosten. Gleichzeitig aber offerieren sie marktzutrittsberechtigten Kunden den Strom zu Preisen, die bis zu 50 Prozent unter ihren Monopoltarifen liegen. Die BKW etwa, die ihren Kleinverbrauchern im Kanton Bern 9 Rappen pro kWh Strom abknöpft, bot kürzlich Walliser Hoteliers Strom zu einem Marktpreis von 4,2 Rappen an. Berner Haushalte, so lässt sich damit zugespitzt folgern, subventionieren unfreiwillig Walliser Fremdenbett-Vermieter, die den Tourismus im Berner Oberland konkurrenzieren.
Um nicht missverstanden zu werden: Grundsätzlich ist ein hoher Stromtarif nicht zu kritisieren. Eine deutliche Verteuerung aller Strompreise mittels Lenkungsabgaben wäre durchaus erwünscht, um die Stromverschwendung zu vermindern. Unschön aber ist die von BKW, CKW, EWZ und andern Stromverteilern praktizierte Quersubventionierung von Gross- durch Kleinverbraucher in einem völlig verzerrten und nur partiell geöffneten Markt.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

Stromleitungd

Die Politik der Stromkonzerne

Elektrizitätsgesellschaften verdienen am Verkaufen von möglichst viel Strom. Es braucht endlich andere Anreize.

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Eine Meinung zu

  • am 9.10.2015 um 19:44 Uhr
    Permalink

    Vielen Dank für den Artikel. Ich setze mich gerade mit den Entscheiden der Räte bezüglich der Energieffizienz auseinander. Das Modell des Bundesrates wollte die Energieversorger (EVU) via «weisses Zertifikate» Modell in die Pflicht nehmen, der Nationalrat die Verteilnetzbetreiber (VNB) via Bonus-Malus System (Ständerat will gar nichts). Wie in diesem Artikel beschrieben ist es nun so, dass ein EVU überwiegend gleichzeitig auch VNB ist. Ich verstehe nicht, weshalb der VSE eher für die Verpflichtung der VNB ist (wie Sie in einem vorerigen Artikel beschrieben haben). Welche Interessen/Überlegungen stehen dahinter? Weshalb ist ein solches Bonus-Malus System für VNB für die Stromlobby weniger schmerzlich als Zertifikate, es trifft ja im Grunde die gleichen Akteure?

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