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Wandelhalle im Bundeshaus: Freie Bahn für Einflüsterer © www.parlament.ch/cc

Viel Arbeit für Lobby-Wächter im Bundesparlament

Otto Hostettler /  Die geltenden Transparenzregeln im Bundeshaus sind völlig ungenügend. Das zeigt der Jahresrückblick von Lobbywatch.

Eine neu aufgetauchte Lobby-Gruppierung zog bereits im Januar 2015 die Aufmerksamkeit von Lobbywatch auf sich: die IG Biomedizinische Forschung und Innovation. Auffallend war, dass sie im Parlament damals mit 17 National- und Ständeräten vertreten war. In der 25-köpfigen Kommission für Gesundheit und soziale Sicherheit des Nationalrats war die Gruppe mit neun Mitgliedern zu einer gewichtigen Stimme geworden.
Der Fall zeigt exemplarisch, wie halbherzig die geltenden Transparenz-Regelungen im Bundeshaus sind. Eigentlich müssten parlamentarische Gruppen den Parlamentsdiensten gemeldet werden, doch in diesem Fall war nicht klar, ob eine «IG» (Interessensgruppe) auch eine «Parlamentarische Gruppe» ist. Jedenfalls war die Organisation nirgendwo gemeldet, und nur dank Lobbywatch wurde klar, wer überhaupt dahinter steht: Die IG Biomedizinische Forschung ist eine klassische Lobby-Organisation. Ihren Sitz hat sie bei Interpharma, dem Lobbyzentrum der Pharmaindustrie.

Undurchsichtiges Consulting und PR

Im März konnte Lobbywatch die Interessensverflechtungen der National- und Ständeräte der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) veröffentlichen. Auffallend hier: Die Zahl der PR- und Consultingfirmen, die mit Parlamentariern verbunden sind, wächst ständig.
Im Mai dominierte das Thema Lobbyismus landesweit die Medien. Die heutige Nationalratspräsidentin Christa Markwalder musste eingestehen, dass sie im Parlament einen Vorstoss eingereicht hatte, der im Auftrag einer regierungsnahen kasachischen Partei von der PR-Firma Burson-Marsteller verfasst worden war. Markwalder kroch zu Kreuze und bezeichnete sich als «naiv». Die Parlamentarier gingen sachte mit ihr um, wohl weil etliche von ihnen selber eng mit Lobbyisten verstrickt sind. Doch auch dieser Fall zeigt: Die Transparenzregeln des Bundeshauses sind ungenügend.
Die von Kasachstan beauftragte Lobbyistin Marie-Louise Baumann musste nirgendwo angeben, dass sie im Namen des Despotenregimes unterwegs war. Sie entschlüpfte auch den Standesregeln der Schweizerischen Public Affairs-Gesellschaft (SPAG), die ihren Mitgliedern neuerdings ein bisschen mehr Transparenz abverlangen als bisher. Baumann, einst Verwaltungsratspräsidentin von Burson-Marsteller, trat darauf kurzerhand aus der Lobbyisten-Vereinigung SPAG aus.

Neue Parlamentarier durchleuchten

Im Herbst hatten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Lobbywatch die Interessenbindungen der Hälfte der Parlamentarier recherchiert. Damit war aber auch klar: Um das neu gewählte Parlament nach den National- und Ständeratswahlen transparenzmässig in nützlicher Frist durchleuchten zu können, musste Lobbywatch neue Geldmittel erschliessen. Innerhalb von 45 Tagen sammelte die Transparenzplattform mit einem Crowdfunding über 17’000 Franken. Mehrere freie Journalistinnen und Journalisten arbeiten nun daran, das Parlament bis im Frühling zu durchleuchten.

Dass Lobbywatch nicht nur den Parlamentariern, sondern gelegentlich auch den Parlamentsdiensten auf die Finger schauen muss, zeigte sich im Vorfeld der Bundesratswahlen vom 9. Dezember. Während der Recherchen zu den SVP-Favoriten wurde klar: Auf Anfrage von Lobbywatch erklärten die Parlamentsdienste, die gesetzliche Regelung sei so zu interpretieren, dass Parlamentsmitglieder lediglich ihre Berufsbezeichnung angeben müssen, nicht aber ihren Arbeitgeber. So brauchte es die Medien, die der Öffentlichkeit erklärten, SVP-Kandidat Thomas Aeschi arbeite seit 2008 für Booz&Company GmbH (heute unter dem Namen PWC Strategy& ein Teil von PWC) – jene Firma, die in den USA für den Geheimdienst NSA arbeitete – und einen Mitarbeiter namens Edward Snowden hatte.
Insbesondere die Kasachstan-Affäre um Nationalratspräsidentin Christa Markwalder sorgte bereits im abgelaufenen Jahr dafür, dass das Thema Lobbyismus auch 2016 auf der Traktandenliste stehen wird. Im Parlament wurden nicht weniger als 16 Vorstösse eingereicht, mit denen den Einflüsteren in der Wandelhalle Grenzen gesetzt werden sollen – ein wenig jedenfalls. Lobbywatch wird dranbleiben.

Dieser Beitrag erschien auf der Transparenzplattform lobbywatch.ch


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der «Beobachter»-Redaktor Otto Hostettler ist Co-Präsident von «Lobbywatch.ch», einer Plattform, welche Transparenz in die Lobby-Tätigkeiten bringen will.

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