Steuerabzüge dienen Reichen und Schlauen

Dominique Strebel /  99 Steuerabzüge machen das Schweizer Steuersystem zum undurchsichtigen Dickicht. Mit Gerechtigkeit hat das nichts mehr zu tun.

50’000 Franken mehr Lohn kassieren als andere und trotzdem nicht mehr Steuern zahlen – das geht ganz legal. Man muss nur Chef sein und einer Kaderversicherung angehören. Beiträge an diese Altersvorsorge der Luxusklasse tauchen gar nicht erst in der Steuererklärung auf. Das Geld verschwindet in einem Steuerschlupfloch.
21 Milliarden Abzüge
99 Stück davon hat die Eidgenössische Steuerverwaltung in einer Studie letztes Jahr geortet. Erstmals hat sie die Steuerabzüge systematisch erhoben und darüber gestaunt, dass dem Bund so 21 Milliarden Franken Einnahmen entgehen. Jetzt haben die Steuerbeamten des Bundes die Liste aktualisiert und stellen sie erstmals ins ­Internet. Die Zahl der Abzüge ist geblieben, die Gesamtsumme um 200 Millionen Franken gestiegen.
Staat hat Kontrolle über die Finanzen verloren
Die Bilanz des durchlöcherten Steuersystems fällt vernichtend aus: Die Steuergerechtigkeit bleibt auf der Strecke, die Schlauen werden belohnt, und der Staat hat die Kontrolle über die Finanzen verloren, weil er nur noch knapp abschätzen kann, wie viel Steuern ihm pro Abzug entgehen – auch das sagt die Studie der Eidgenössischen Steuerverwaltung.
«Je weniger Abzugsmöglichkeiten desto gerechter»
Experten wie der Freiburger Wirtschaftsprofessor Reiner Eichenberger, die Sankt Galler Wirtschaftsprofessorin Monika Bütler und der ehemalige Preisüberwacher und SP-Nationalrat Rudolf Strahm kritisieren das System bereits seit Jahren. «Nur noch ein paar Bundesbeamte zahlen den Maximalsteuersatz», meint Strahm. «Alle anderen nutzen die Schlupf­löcher so gut wie möglich für sich aus. Je mehr Ausnahmen, desto unfairer; ?je weniger Abzugsmöglichkeiten, desto ­gerechter.»

Eichenberger ortet das Problem im Klientelsystem der Politik – jeder schaut für die Steuerabzüge seiner Wähler, niemand betrachtet die Auswirkungen der einzelnen Abzüge im Ganzen. «Gewinner sind meist die Schlaumeier. Das nervt», bringt es Monika Bütler auf den Punkt.
Alle drei fordern eine drastische Reduktion der Steuerabzüge, einen Rechnungshof, der unabhängig von der Politik Stellung zu Finanz- und Steuervorlagen nehmen könnte, und eine Expertenkommission, die das aktuelle Steuersystem schonungslos durchleuchtet – nach dem Vorbild Englands.

Welche Politikerin, welcher Politiker packt das heisse Eisen an?

Dieser Beitrag stammt von Dominique Strebels Blog.

Total der Abzüge bei der Direkten Bundessteuer: 8,7 Milliarden Franken
Darunter

    BVG-Abzüge

  • 3,5 Mrd
    • Einkauf in die 2. Säule (Arbeitgeber)

    • 165 Mio
      • BVG-Abzüge

      • 830 Mio

Zum Infosperber-Dossier:

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Reich, arm, ungleich

Grösser werdende soziale Kluften gefährden demokratische Rechtsstaaten.

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Eine Meinung zu

  • am 12.03.2012 um 13:17 Uhr
    Permalink

    Ja, alle Abzüge streichen und im Gegenzug ebenfalls die Mio.-Subventionen an alle möglichen Partikularinteressen massiv herunterfahren. Dann bezahlen wir am Ende alle deutlich weniger Steuern, damit mehr bleibt zum Leben. Aber nur, wenn auch auf der Ausgabenseite deutlich zusammengestrichen wird, von den Bauern über die Armee bis hin zu Kunst und Kultur.

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