Kommentar

Parlament verwässert Forderung nach öffentlichem Lobby-Register

Thomas Angeli © zvg

Thomas Angeli /  Die unendliche Geschichte um ein Lobbyistenregister geht in eine neue Runde. Besser wird es damit nicht, im Gegenteil.

Jeder Vorstoss in den eidgenössischen Räten trägt eine Nummer, die mit der zweistelligen Zahl des Jahres beginnt, in welchem der Vorstoss eingereicht wurde. Bei der Parlamentarischen Initiative von alt Ständerat Didier Berberat für «Eine Regelung für transparentes Lobbying im eidgenössischen Parlament» ist das die 15. Seit nunmehr fünf Jahren schieben National- und Ständerat das unangenehme Geschäft hin und her.

Das ursprüngliche Anliegen Berberats war es, endlich das intransparente System abzuschaffen, wonach jedes Ratsmitglied nach eigenem Gutdünken zwei Zutrittsausweise an x-beliebige Personen vergeben darf: Familienangehörige, Verbandsvertreterinnen oder Lobbyisten – und dies de facto ohne Kontrolle. Berberat verlangte in seiner Initiative die Abschaffung dieser Regelung und die Einführung eines offiziellen Akkreditierungssystems für Lobbyisten. Sprich: Wer gewisse Kriterien erfüllt, erhält Zutritt zum Bundeshaus. Ein solches System ist seit Jahren für Medienschaffende im Einsatz und funktioniert problemlos.

Im Fall der Lobbyisten würde das heissen: Weg vom Göttisystem, hin zu einem öffentlichen Register, in dem verzeichnet ist, wer in wessen Auftrag im Bundeshaus unterwegs ist. Das war nach dem Geschmack der Mehrheiten in National- und Ständerat bisher zu viel Transparenz – und wird es auch bleiben. Denn was am 30. Oktober im Nationalrat debattiert wird, hat nur noch entfernt damit zu tun, was Initiant Berberat einst verlangt hatte – und damals eine Mehrheit des Ständerats hinter sich vereinte.

So schlägt die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-N) nun vor, dass jedes Ratsmitglied nur noch je einen Badge an ein Familienmitglied, respektive an einen persönlichen Mitarbeiter vergeben darf. Lobbyistinnen und Vertreter von Firmen, Verbänden oder anderen Interessengruppen kämen nur noch als Tagesbesucher von Ratsmitgliedern ins Bundeshaus. Dazu müssten sie jedoch angeben, für welches Thema und in wessen Auftrag sie unterwegs sind. Diese Angaben würden in einem öffentlich einsehbaren Register verzeichnet. Persönliche Mitarbeiter, die als Lobbyisten tätig sind, müssten sich ebenfalls in dieses Register eintragen, nicht aber Familienangehörige.

Es fällt schwer, bei diesem Vorschlag nur die allerwichtigsten Schwachstellen aufzuzeigen, so zahlreich sind sie:

  1. Damit werden weiterhin Parlamentarierinnen und Parlamentarier darüber bestimmen, welche Interessen im Bundeshaus vertreten werden dürfen und welche nicht.
  2. Laut geltendem Parlamentsrecht müssen Ratsmitglieder ihre Gäste zu jedem Zeitpunkt begleiten. Diese Regelung wird schon heute mehr schlecht als recht umgesetzt. Wenn Parlamentarier künftig ihren lobbyierenden Gästen auf Schritt und Tritt folgen müssen, stört das den Ratsbetrieb erheblich. Anders gesagt: Diese Regelung ist in der Praxis eine Illusion.
  3. Ein Lobbyistenregister über Tagesakkreditierungen verursacht einen nicht abschätzbaren bürokratischen Aufwand. Andri Silberschmidt (FDP, ZH), einer der Urheber des Vorschlags, erklärt zwar, dies wäre über ein einfaches Online-Formular zu bewerkstelligen. Eine stichprobenartige Kontrolle obliege den Parlamentsdiensten: «Organisationen der Zivilgesellschaft und Medienschaffende könnten dann anhand der neu gewonnenen Transparenz weitergehende Analysen und Einordnungen vornehmen.» Ob das praxistauglich ist, bleibt offen.
  4. Auch Familienangehörige können als Lobbyistinnen und Lobbyisten unterwegs sein oder Interessen von bestimmten Verbänden oder Unternehmen vertreten. Entsprechende Beispiele gibt es. Warum sie Auftraggeber und Thema nicht angeben müssen, ist nicht nachvollziehbar.

Einen Punkt, der die Lobbyistinnen und Lobbyisten besonders stört, haben sie sich vermutlich auch zu einem Teil selber zuzuschreiben: Sie sind im Bundeshaus omnipräsent und werden nicht selten als aufsässig empfunden. Nach dem Vorschlag der Staatspolitischen Kommission wären die Wandelhalle und die Vorzimmer der Räte für sie künftig tabu. «Dann müssen wir Gespräche im Treppenhaus oder im Café Valloton im Bundeshaus führen», sagt Reto Wiesli, Präsident der Schweizerischen Public Affairs Gesellschaft (SPAG): «Stellen Sie sich das Gedränge dort vor! Das dauert zwei Tage, und dann wird auch das Café Valloton wegen Überlastung für Lobbyisten gesperrt.»

Für die linken und grünen Ratsmitglieder ist der Vorschlag der Kommission so etwas wie der Spatz in der Hand, weil die Taube auf dem Dach – ein Lobbyistenregister, das den Namen verdient – unerreichbar scheint. Für die Bürgerlichen ist es eine elegante Lösung, um das leidige Thema ein weiteres Mal vom Tisch zu haben. Und für Lobbyisten wie Reto Wiesli ist der Vorschlag «ein Riesengebastel, völlig untauglich». Die SPAG hat denn auch in bester Standesmanier reagiert: mit Gesprächen, mit einem Brief an alle Ratsmitglieder und mit einem Brief an alle Gäste der Ratsmitglieder.

Der Text erschien zuerst auf lobbywatch.ch


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Thomas Angeli ist Co-Präsident von lobbywatch.ch

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