Parlament-innen

Welche Interessen sind im Nationalratssaal vertreten? Viele Parlamentsmitglieder geben immer noch wenig Auskunft über ihre Mandate. © Parlamentsdienste/Rob Lewis

Korruption: Es fehlt vor allem an Kontrolle

Balz Oertli /  Über 200 Versäumnisse: Ein beträchtlicher Teil der Parlamentsmitglieder kneift weiterhin bei der Transparenz ihrer Mandate.

psi. Dies ist ein Gastbeitrag. Balz Oertli ist Journalist beim Recherchekollektiv WAV und Vorstandsmitglied bei Lobbywatch.

Im aktuellen Bericht prüfte die Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (GRECO), inwiefern die Schweiz frühere Empfehlungen zur Korruptionsbekämpfung bei Parlamentarier:innen umgesetzt hat. Es geht dabei auch um die Frage, wie weit die Mitglieder eines demokratisch gewählten Parlaments ihre Mandate offenlegen müssen. Die Umsetzung der Empfehlungen bleibe in der Schweiz «eher zurückhaltend», resümiert die GRECO trocken. Ein Blick in die Datenbank von Lobbywatch zeigt aber: Die Schweiz täte gut daran, genauer auf die GRECO zu hören.

Mangelnde Kontrolle

Die GRECO beanstandet dreierlei: Kontrolle, Schulung und Entlöhnung. Am stärksten kritisiert die GRECO die fehlende Kontrolle. Es seien «keine Massnahmen ergriffen» worden, «um ein System zur Kontrolle durch das Parlament einzuführen». Die Parlamentarier:innen würden zwar darauf hingewiesen, ihre Interessenbindungen selbstständig zu aktualisieren. «Allfällige vorsätzliche Fehler oder Unterlassungen können dadurch jedoch nicht aufgedeckt werden», so die GRECO. Das stimmt nicht ganz: In Abwesenheit einer offiziellen Regelung kontrolliert Lobbywatch bereits seit 10 Jahren, ob National- und Ständeräte ihre Interessenbindungen vollständig offenlegen. Und die Arbeit zeigt: Es ist nötig.

Mehr Kontrolle

Allein im Jahr 2024 fanden wir über zweihundert nicht deklarierte, aber deklarationspflichtige Mandate von Mitgliedern des National- und Ständerats. Das ist viel. Mit 13 nicht deklarierten (aber deklarationspflichtigen) Interessenbindungen steht Nationalrätin Veronika Thalmann-Bieri (SVP LU) auf der diesjährigen Spitzenposition. Darunter ist ihre Vorstandsmitgliedschaft im Verein Entlebucher Kaffeeschnapswanderungen – kein Mandat von politischer Wichtigkeit.

Nationalrätin Thalmann-Bieri ist Mitglied der SGK, der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit. Es ist daher schon interessanter, dass sie sowohl Vorstandsmitglied von «Pro Spital Wolhusen» als auch Mitglied der «Spitex Region Entlebuch». Beide Mitgliedschaften sind nicht im offiziellen Register deklariert. Im Register des Parlaments führt Nationalrätin Thalmann-Bieri nur zwei VR-Mandate auf. Auf Nachfrage verweist Thalmann-Bieri auf ihre persönliche Webseite, auf der sie alle ihre Interessenbindungen vollständig ausweise. NR Thalmann-Bieri steht hier beispielhaft für diverse Parlamentarier:innen. Bei mehr als 40 Prozent hat Lobbywatch mehr Mandate (wenn auch oft Kleinigkeiten) gefunden, als deklariert sind. Mehr Kontrolle wäre also eine Möglichkeit.

Keine Beratung

Doch welche Mandate müssen offengelegt werden? Die GRECO schreibt in ihrem Bericht: die Parlamentarier:innen seien beim Deklarieren allein gelassen. Es mangle an Schulung und Beratung. Es werde lediglich allen Parlamentarier:innen ein «Leitfaden für die Ratsmitglieder zur Annahme von Vorteilen, zu Transparenz- und Offenlegungspflichten und zum Umgang mit Informationen» ausgeteilt. Zudem würden alle jährlich an ihre Pflicht, ihre Interessenbindungen zu melden, erinnert. «Die GRECO erachtete diese Massnahmen […] als unzureichend», schreibt sie knapp. Lobbywatch ist in dieser Frage eher streng. Wir listen alle Interessenbindungen, die wir finden – auch jene, die gemäss Parlamentsgesetz nicht deklarationspflichtig sind.

Transparenz wirkt

Dass Spielraum zur Verbesserung vorhanden wäre, zeigt der letzte Kritikpunkt: die Mandatsvergütungen. Die GRECO kritisiert, dass National- und Ständeräte in der Schweiz noch immer nicht angeben müssten, wie viel sie mit ihren Mandaten verdienen. Erst im Mai hat das Parlament die Motion Mazzone verworfen, welche verlangt hatte, dass Parlamentarier:innen die Spannbreite ihrer Verdienste angeben. Die GRECO nahm das «mit Bedauern zur Kenntnis».

Auch hier versucht Lobbywatch Transparenz zu schaffen. Bereits dreimal haben wir nach den Wahlen alle Parlamentarier:innen angefragt, ihre Einkünfte aus Mandaten freiwillig offenzulegen, um auf der Basis dieser Daten eine Transparenzliste zu veröffentlichen. Bei der letzten Liste – nach den Wahlen vom letzten Herbst – haben 58 Prozent der Stände- und Nationalrät:innen ihre Einkünfte gegenüber Lobbywatch transparent gemacht.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Balz Oertli ist Vorstandsmitglied von Lobbywatch. Als Journalist beim Recherchekollektiv WAV arbeitet er auch am Transparenzprojekt «Das Geld und die Politik».
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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4 Meinungen

  • am 19.11.2024 um 12:26 Uhr
    Permalink

    Wäre es dann nicht angebracht, dass auch die Korruption im Europarat bekämpft würde? Ich sehe, dass es genug Stellen in der CH gibt, die unseren ParlamentarierInnen auf die Finger schaut.

  • am 19.11.2024 um 18:08 Uhr
    Permalink

    Interessante Aussage und Titel: «Korruption: Es fehlt vor allem an Kontrolle» Möglich, dass erkannt wurde, dass zu viel Kontrolle das schmieren erschweren könnte und so wird dafür gesorgt, dass es keine Transparenz gibt. Das Fazit: «Es seien «keine Massnahmen ergriffen» worden, «um ein System zur Kontrolle durch das Parlament einzuführen».» Die Frage ist wohl: Wem dienen die Volksvertreter der Kohle oder dem Souverän?
    Gunther Kropp, Basel

  • am 20.11.2024 um 10:45 Uhr
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    Das Hauptproblem sehe ich bei einer gleichgeschalteten und naiven Gesellschaft. Eine Mehrheit glaubt denen immer wieder und wählt sie. Woher kommt so ein Irrglauben ?

  • am 24.11.2024 um 14:00 Uhr
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    Jede Demokratie verdient seine Politiker die sie gewählt hat. Spiegelbild.

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