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Das internationale ITER-Projekt im südfranzösischen Cadarache © iter

Eine Milliarde für den Glauben an die Kernfusion

Kurt Marti /  Die Schweiz hat in den letzten 40 Jahren eine Milliarde in die Kernfusion investiert. Von Stromproduktion keine Spur.

Alle vier Jahre erarbeitet die Eidgenössische Energieforschungskommission CORE das «Konzept der Energieforschung des Bundes». Das neuste Konzept 2013 – 2016 schickte Bundesrätin Doris Leuthard von Dezember 2011 bis Februar 2012 in die Vernehmlassung. Im Konzept werden die Schwerpunkte der Energieforschung genannt. Die finanziellen Mittel für die einzelnen Bereiche werden erst später festgelegt.

Ein Jahr nach Fukushima soll die Schweiz «urteilsfähig» bleiben

Was sofort ins Auge fällt: Ein Jahr nach der Fukushima-Katastrophe will die CORE an der Erforschung der Kernspaltung und der Kernfusion festhalten. Trotz erklärter Energiewende. Im Konzept heisst es dazu: «Die Schweiz soll bei der Entwicklung von Technologien für sichere und effizientere Reaktoren bis hin zur Kernfusion in dem Masse mitwirken, dass sie urteilsfähig bleibt.»

In den vergangenen Jahren gab der Bund jährlich rund 150 Millionen Franken für die Energieforschung aus. Davon erhielten die Atomenergie, die erneuerbaren Energien und die effiziente Energienutzung je rund einen Drittel. Allein in die Erforschung der Kernfusion flossen jährlich rund 25 Millionen. Zum Vergleich: Die Photovoltaik musste sich in den letzten Jahren mit zwölf Millionen Franken begnügen, die Solarwärme mit acht Millionen und die Wasserkraft mit zwei Millionen.

Der Fusionsprozess gleicht jenem einer Wasserstoffbombe

Hochgerechnet über die letzten 40 Jahre hat der Bund also rund eine Milliarde Franken in die Fusionsforschung investiert, ohne dass damit netto eine einzige Kilowattstunde Strom produziert worden wäre. Im Gegenteil, die Aufheizung des 200 Millionen Grad heissen Plasmas verbraucht grosse Mengen Energie.

Anders als in den herkömmlichen Atomkraftwerken werden in Fusionsreaktoren leichte Atome miteinander verschmolzen. Meistens Deuterium und Tritium, die beiden schwereren Geschwister des Wasserstoffatoms. Letzteres wird durch ein Proton im Kern und ein Elektron in der Hülle gebildet. Beim Deuterium sitzt im Kern neben dem Proton noch ein Neutron, beim Tritium sind es zwei Neutronen. Der Fusionsprozess gleicht jenem einer Wasserstoffbombe oder dem Reaktionsprozess auf der Sonne.

CORE ist hauptsächlich eine Kommission von Lobbyisten

Gemäss dem Forschungskonzept 2008 – 2011 nimmt die Schweiz bis ins Jahr 2020 am internationalen Projekt ITER teil und danach am Projekt DEMO, das «bis spätestens Mitte des Jahrhunderts die kommerzielle Nutzbarkeit belegen soll». Im Klartext: Der Fusionreaktor, der nun schon über ein halbes Jahrhundert angekündigt wurde, lässt weitere 40 Jahre auf sich warten. Und auch dann steht die Realisierung in den Sternen. So viel Geduld und Protektion braucht wirksame Fürsprecher. Mit der CORE ist die grosszügige Alimentierung der Fusionsforschung aus der Bundeskasse garantiert.

Die CORE ist hauptsächlich eine Kommission von Interessenvertretern der Industrie, der Stromwirtschaft und der Hochschulen. In der fünfzehnköpfigen Lobbytruppe sitzen unter anderen Tony Kaiser, der Direktor von Alstom Power, als Präsident, Manfred Thumann, Mitglied der Axpo-Konzernleitung, Professor Alexander Wokaun vom Paul Scherrer Institut sowie Professor Hans-Björn Püttgen, Direktor des Energy Centers der ETH Lausanne, welche an der Fusionforschung direkt beteiligt ist.

Der internationale ITER-Reaktor kostet 16 Milliarden Franken

Über die Geldsummen, welche in das internationale Projekt ITER in Südfrankreich fliessen, kann man nur ehrfürchtig staunen. Der ITER-Reaktor wird insgesamt 16 Milliarden Euro kosten, welche sich die Euratom (EU-Staaten und die Schweiz), China, Indien, Japan, Korea, Russland und die USA teilen. Nota bene für ein Forschungsprojekt, das seit einem halben Jahrhundert vom Prinzip Hoffnung lebt und für die nächsten Jahrzehnte weiterhin davon leben wird.


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Eine Meinung zu

  • am 2.03.2012 um 21:03 Uhr
    Permalink

    Dazu aus dem Gedichtband «Öko-Balance":

    Atomkraft

    Gar mancher denkt beim Lösung suchen:
    „Man soll die Kernkraft nicht verfluchen.“

    Doch die Atomkraft muss man sehn,
    Bringt grosses Sicherheitsproblem.
    Zudem muss man sich ehrlich fragen:
    „Wer will denn Langzeitlager haben?“

    Bei der Gewinnung von Uran
    Fällt viel aktiver Abfall an.
    Die Umwelt muss dort wirklich leiden
    Und wer dort wohnt – nicht zu beneiden.

    Erreicht man s’ Ökogleichgewicht,
    So braucht es die Atomkraft nicht. *

    * Z.B. in der Schweiz würde man im Ökogleichgewicht nach Büro INFRAS 5,6 mal weniger Energie brauchen.

    Markus Zimmermann-Scheifele
    6047 Kastanienbaum, 17. 3. 2009

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