Die streng geheimen Jobs des neuen FDP-Präsidenten
Ein weiteres einflussreiches Amt: Vor wenigen Tagen wurde der Glarner FDP-Ständerat Benjamin Mühlemann zusammen mit der St. Galler Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher ins FDP-Präsidium gewählt. Zahlreiche Medien porträtierten die beiden in den vergangenen Tagen und machten Sport- oder People-Berichterstattung im Politikressort.
Werden die beiden das Steuer rumreissen können? Werden sie die Wogen innerhalb der Partei glätten? Wie gut kann Mühlemann kochen? Weshalb reitet Vincenz-Stauffacher so gern? Sogar die SRF-Sendung «Rundschau» vergass, die relevanteste Frage zu stellen. Für wen arbeitet Mühlemann eigentlich?
Welche Interessen Milizparlamentarier Mühlemann in Bern vertritt, will er nämlich weiterhin höchstens teilweise offenlegen.
Seit Mai ist zwar bekannt, dass Mühlemann das lukrative Präsidium des Privatkliniken-Verbands Ospita bekleidet. Seit Anfang Jahr arbeitet Mühlemann aber auch als Lobbyist für die Zürcher Agentur IRF (Infosperber berichtete). Diese unterstützt potente internationale Grossunternehmen. Zu Kunden der Agentur gehören Firmen wie Goldman Sachs, Saxo oder Swiss Life. Mühlemanns offizieller Titel lautet da: «Senior Advisor Public Affairs».
«Mit Politikexpertise Handlungsspielraum erweitern»
Damit verkauft FDP-Co-Präsident Mühlemann seinen politischen Einfluss an seine Kunden. Die Agentur beschreibt ihr «Public-Affairs-Angebot» nämlich so: «Der regulatorische Druck nimmt weltweit zu. Das Management politischer Risiken und Prozesse wird für Unternehmen immer wichtiger. IRF kombiniert Politik-, Kapitalmarkt- und Branchenexpertise für Kunden, die an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Regierung tätig sind, und erweitert deren Handlungsspielraum.»
Mühlemann ist bei weitem nicht der einzige Parlamentarier, der Geld mit vertraulichen Dienstleistungen für unbekannte Kundschaft verdient. Dies ist grundsätzlich heikel. Denn Parlamentsmitglieder haben Zugang zu Informationen über die Arbeit aller Kommissionen. Diese Informationen sind geheim und für die Öffentlichkeit und Medien nicht zugänglich. Gegenüber der «Republik» sagte Rechtswissenschaftlerin Odile Ammann von der Uni Lausanne denn auch: «Solche Abhängigkeiten widersprechen dem verfassungsrechtlichen Auftrag des Parlaments, im öffentlichen Interesse zu handeln.»
Auch aus diesem Grund hat sich das Parlament vergleichsweise lockere Transparenzregeln gegeben. So müssen die Parlamentarierinnen und Parlamentarier ihre Nebenmandate und Interessenbindungen laufend in den entsprechenden Interessenregistern (aktuelle Liste Nationalrat, aktuelle Liste Ständerat) öffentlich angeben.
Anstellung angeben, Kundschaft verschweigen
Besonders an Mühlemanns Job ist einerseits, dass er mit seiner Arbeit im Vergleich zu den zahlreichen Anwälten und Kommunikationsberatern im Parlament offen politische Einflussnahme verkauft. Und andererseits, dass die Anstellung ihm gleichzeitig erlaubt, seine Kundschaft zu verschleiern, indem er nur seinen Arbeitgeber angibt.
Der Verein Lobbywatch, der sich für Transparenz in der Schweizer Politik einsetzt, sieht Mühlemanns Nebenjob deshalb kritisch. «Falls Ständerat Benjamin Mühlemann für Kunden der Agentur IRF im Bundeshaus lobbyiert, ist das problematisch. Anders als bei seinen Ämtern ist dann nämlich für die Wählerschaft nicht ersichtlich, welche privaten Interessen er im Bundeshaus vertritt», sagte Co-Präsidentin Priscilla Imboden Infosperber im Januar.
Infosperber wollte von Mühlemann bereits kurz nach Stellenantritt Anfang Jahr wissen: Für welche Kunden werden Sie tätig sein?
Der Ständerat sagte damals dazu: «Das ist noch offen.»
Mühlemann könnte sich zwar, wie viele andere Lobbyistinnen und Lobbyisten, der Schweizerischen Public-Affairs-Gesellschaft anschliessen. Diese führt ein eigenes Transparenzregister und hat Standesregeln. Gemäss diesen gibt ein für eine Agentur arbeitender Berater die Namen aller Auftraggeber, die er direkt betreut, an. Doch derzeit sind keine IRF-Angestellten auf dieser Liste aufgeführt.
Nach seiner Wahl zum FDP-Co-Präsidenten fragte Infosperber deshalb nochmals nach.
Diesmal lautete seine Antwort: «Zu den Kunden gibt IRF keine Auskunft.»
_____________
Korrektur: In einer früheren Version des Artikels stand fälschlicherweise, dass Mühlemann und Vincenz-Stauffacher vor knapp zwei Wochen gewählt wurden. Richtig ist: Sie wurden am 18. Oktober gewählt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Pascal Sigg ist Mitglied von Lobbywatch.
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.
Mit Twint oder Bank-App auch gleich hier:
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.










Interessanter Bericht. Danke Herr Sigg.
Bleiben sie weiter am Ball – auch bei anderen Politiker/innen.
Eine Regierungsform aus Leuten mit Sachkompetenz, vom Beruf wie auch der Fähigkeit ausgesucht, und ein viel kleineres Parlament mit (nur- Berufs-) Politikern die zur Verantwortung gezogen werden können (natürlich mit Ihrem heutigen Parteienpolitischen Ideenwelten ausgestattete) könnten für uns viel bessere Grundlagen für ein zukünftiges Leben gestalten. Es wäre eine Grundlage aus diesen unerträglichen Politik-Filz Geschichten von Nebenberufs- Politikern im jetzigen System weg zu kommen. Abgeordnete sind viel zu idealistisch/ narzistisch und oft auch auf Eigennutz geprägt. Weniger, ausgesuchter wäre mehr
Wie konnte SR Mühlemann die Schlüssel-Frage für die Legitimität seiner Aktivitäten im Ständerat nur derart plump beantworten: ‚Zu den Kunden gibt IRF keine Auskunft.‘?
Ständerat Benjamin Mühlemann hat bald mehr Zeit, sich mit seinen streng geheimen Jobs und deren Offenlegung zu beschäftigen. Als Co-Präsident der FDP zieht er zwar am gleichen Strick wie seine Co-Präsidentin, aber in die umgekehrte Richtung, und die ist für den neuen FDP-Übervater Simon Michel falsch. Mühlemann ist sein neues Amt faktisch los, selbst wenn das noch nicht offiziell ist.
Es gibt eigentlich nur eine vernünftige Lösung: Solche Menschen, mit derartigen Haltungen und Intransparenzen im Gepäck nicht wählen.
Und wenn die Wählerinnen und Wähler zu blind, taub und ungebildet, um den Sachverhalt zu verstehen und logisch zu kombinieren, haben sie nichts Besseres verdient.