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Susanne Ruoff geht "unbelastet und unvoreingenommen" an ihre Aufgabe als Post-Chefin heran. © Die Schweizerische Post

Die Post soll Mitglied von Economiesuisse werden

Oswald Sigg /  Das Bundesunternehmen Post strebt in den Dachverband der privaten Wirtschaft. Das jedenfalls erwägt die Post-Chefin Susanne Ruoff.

«Ich kenne die Post nur von aussen», vertraute die frisch gewählte Post-Chefin Susanne Ruoff vor gut einem Jahr den Medien an. Wohl darum erkannte sie erst vor kurzem, dass ihre neue Aufgabe unverträglich ist mit einem Verwaltungsratsmandat des weltweit operierenden Sanitärtechnik-Konzerns Geberit. Sie wird auf dessen Ge­neralversammlung im April 2013 hin als Verwaltungsrätin zurücktreten.

Zur Post kam Ruoff ausgerüstet mit einem pädagogischen Grundstudium (MBA Uni­versität Fribourg) und einem Client Executive Program-Diplom (INSEAD Fontainebleau/Paris) und Karriere-Stationen als Chefin der Bereiche Marketing, Vertrieb und Service sowie als Verantwortliche des Bereichs Global Technology Services bei IBM Switzerland und als CEO der British Telecom Switzerland.

«Mein Onkel war Postautochauffeur im Prättigau», sagte sie dann noch zur Frage nach ihren persönlichen Verbindungen zur Post. Sie hat Erfahrungen im öffentlichen Verkehr: «Der Klang des Postautohorns hat sich mir dabei wie bei vielen Schweizerinnen und Schweizern tief eingeprägt», enthüllte sie dem transfair-Magazin. Dort gestand Frau Ruoff auch ein, über keinerlei politische Erfahrungen zu verfügen. Das ist ein Umstand, dem sie auch Positives abgewinnt: «Es erscheint mir aber oft auch vorteilhaft, unbelastet und unvoreingenommen an etwas heranzugehen.»

Das Hauptquartier der GSoP

Unbeschwerten Sinnes erwägt jetzt Susanne Ruoff eine Mitgliedschaft der Post bei Economiesuisse. Sie überschreitet damit eine bis anhin sakrosankte Grenze und landet direkt im politischen Hauptquartier der GSoP (Gesellschaft Schweiz ohne Post). Denn die Strategen der Economiesuisse denken lauthals vor, was mit dem einstmals stolzen und populären Bundesregiebetrieb Post zu geschehen hat. Er soll voll privatisiert werden.

Der Bundesrat hat noch vor sechs Jahren im Bericht «Grundversorgung in der Infrastruktur» festgehalten, was in der Schweiz Service public bedeuten und leisten soll: »Service public umfasst eine politisch definierte Grundversorgung mit Infrastrukturgütern und Infrastrukturdienstleistungen, welche für alle Bevölkerungsschichten und Regionen des Landes nach gleichen Grundsätzen in guter Qualität und zu angemessenen Preisen zur Verfügung stehen sollen.» Diese Definition gilt für die Infrastrukturbereiche Post, Telekommunikation, elektroni­sche Medien, öffentlicher Verkehr sowie Strassen.

Das Gegenteil von Service public

Economiesuisse hingegen, der Dachverband der Privatwirtschaft, spricht schon gar nicht mehr vom Service public, sondern nur noch davon, dass Güter und Dienstleistungen der Grundversorgung in allen Landesgegenden und für die gesamte Bevölkerung in hoher Qualität zugänglich sein müssen. Dabei – das ist die wichtige Differenz – stehe «Aufbau und Wahrung des Wettbewerbs im Vordergrund. Staatliche Eingriffe dürfen den Wettbewerb nicht verzerren». Das ist das Gegenteil eines politisch definierten Service public. Die Grundversorgung wird allein über den Markt gewährleistet und der Bund soll selbst beim öffentlichen Unternehmen Post nicht mehr dreinreden.

Ist auch nicht nötig, denn das neue Postgesetz ist der Garant, damit die Post jetzt unter der Führung von Susanne Ruoff den begonnenen Abbau gezielt fortsetzen kann. Das neue Postgesetz und vor allem die Verordnung sind die Grundlagen für die Fortsetzung dieses Prozesses. Seit dem Jahr 2000 sind über die Hälfte aller Poststellen abgebaut worden. Die Postverordnung schreibt vor, dass «in jeder bewohnten Raumplanungsregion mindestens eine Poststelle vorhanden sein» soll.

In kleinen Kantonen wie Uri oder Schaffhausen, die je eine Raumplanungsregion bilden, wäre die gesetzlich vorgeschriebene Grundversorgung der Bevölkerung mit je einer Poststelle pro Kanton bereits erfüllt. Ein ähnliches Schicksal haben die Briefkästen zu gewärtigen. Heute gibt es davon noch 15‘000 in der Schweiz. Die Verordnung schreibt mindestens einen gelben Kasten in jeder der 4‘309 Ortschaften vor. Demgegenüber findet auf Mallorca und den Kanarischen Inseln ein Service-Ausbau mit 500 gelben Briefkästen der Schweizer Post statt, wie letzten Sommer in der Sendung «Espresso» von Radio DRS1 berichtet wurde. Ein Postsprecher dazu: «Das ist ein Geschäft, das rentiert.»

Profit und Rendite führen zu Preissteigerungen

Profit und Rendite sind die Leitplanken der Post, was auch zu massiven Preis­steigerungen führt: Eingeschriebene Briefe kosten 25 Prozent mehr, Zustellnachweise kosten 66 bis 100 Prozent mehr, eine Nachnahme kostet 53 Prozent mehr, ein Nachsendeauftrag für die Ferien verrechnet die Post mit einer um 120 Prozent erhöhten Gebühr und so weiter – gemäss Angaben der Zeitschrift saldo.

Eigentlich dürfte selbst jemand, der die Post nur von aussen kennt, diesen Weg nicht weiter gehen. Aber indem man den Service public nach dem Gusto der Economiesuisse umsetzt, wird derselbe wegrationalisiert wie die Briefkästen und die Poststellen. Und der Bundesrat muss dann irgendwann einmal hinsichtlich der Post festhalten: Exit Service public – der Markt hat es so gewollt.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine. Der Beitrag erschien zuerst in "Hälfte/Moitié", dem unabhängigen Mediendienst zur Arbeit und zur Erwerbslosigkeit.

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Eine Meinung zu

  • am 12.12.2012 um 22:55 Uhr
    Permalink

    Es fragt sich nun, wo kann man heute noch Geld elektronisch verwalten ohne dass ein Teil davon in die neoliberale Finanzlobby abfliesst?

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