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Wohlhabende Ausländer kommen in die Schweiz, um ihr Geld während der Pandemie sicher aufzubewahren © © Gina Sanders/Fotolia.com_Banknoten

Corona-Pandemie: Milliarden-Zufluss für Schweizer Finanzplatz

Tobias Tscherrig /  Die Pandemie motiviert Reiche, ihre Vermögen in die Schweiz zu transferieren. Die Kontrollstellen waren bereits zuvor überfordert.

In der ersten Hälfte des Jahres 2020 landeten zusätzlich mehr als 80 Milliarden Schweizer Franken in den Tresoren der Schweizer Banken. Aufgrund der Gesundheitskrise transferieren wohlhabende Personen vermehrt Gelder in die Schweiz, um es im diskreten, stabilen und deshalb als sicher empfundenen Finanzplatz Schweiz zu schützen.

Wie «RTS» in einer Recherche herausfand, vermelden sechs von acht der grossen einheimischen Banken starke Neugeldzuflüsse. Geld, das aufgrund der Marktturbulenzen im Frühjahr, die häufig zu Verlusten geführt haben, bei den hiesigen Institutionen mehr als willkommen ist. Allerdings war die Meldestelle für Geldwäscherei bereits vor diesen neuen Geldzuflüssen überfordert.

Mehr als 80 Milliarden Franken an Netto-Neugeldern
Erst kürzlich entging ein prominenter und schwerreicher britischer Lord der Diskretion, die dem Finanzplatz Schweiz so wichtig ist. Gemäss Angaben der Agentur Bloomberg hat der wohlhabende Lord Anthony Bamford, Chef des Baumaschinengiganten JCB, das Vermögen seines multinationalen Unternehmens in den Kanton Waadt zurückgeführt. Seit 1976 schlummerten die über 4,5 Milliarden Franken in der Steueroase Curacao auf den Niederländischen Antillen.

Bamford, der unter anderem für seine pompöse und 62 Meter lange Yacht bekannt ist, ist nicht der einzige, der seine Gelder in die Schweiz überweist. Die Ankünfte von neuen Geldern lassen sich an den Ergebnissen der grossen Banken in der Schweiz ablesen. Gemäss Recherchen von «RTS» haben acht der grössten Banken des Landes in der ersten Hälfte des Jahres 2020 insgesamt mehr als 80 Milliarden Franken an Netto-Neugeldern erhalten. Alle Institutionen melden positive Zahlen – und sechs von acht berichten von höheren Kapitalzuflüssen als in der ersten Hälfte des Jahres 2019.

Darunter zum Beispiel UBS (+1 Prozent), die Kantonalbank Zürich (+444 Prozent), Raiffeisen (+73 Prozent), Vontobel (+40 Prozent), Lombard Odier (+50 Prozent) und UBP (+3.7 Prozent). Auch J. Safra Sarasin und Pictet gehören zu den grössten Vermögensverwaltern der Schweiz, veröffentlichen aber keine Halbjahreszahlen. Die Pictet Bank meldet lediglich «signifikante zweistellige Nettozuflüsse in Milliarden Schweizer Franken.»

«Internationale, durch Covid-19 motivierte Kundschaft»
Der Steueranwalt Philippe Kenel, der auf den Umzug von vermögenden Privatpersonen spezialisiert ist, bestätigt gegenüber «RTS» auch die Zunahme der Zuzüge von vermögenden Personen in die Schweiz: «In den Jahren 2018 und 2019 war ein Rückgang zu verzeichnen, und es stimmt, dass im Jahr 2020 nicht nur die Nachfrage, sondern auch die Zahl der Personen, die sich in der Schweiz niederlassen wollen, zunimmt.»

Die Finanzinstitute der Schweiz liefern in ihren Finanzberichten einige wenige Informationen, woher der grosse Geldzufluss in die Schweiz stammt. Demnach transferieren vor allem vermögende Privatpersonen und Unternehmen aus Lateinamerika, Europa und dem Nahen Osten ihr Geld in die Schweiz. Die Auflistung der Banken bleibt aber vage.

Der Direktor des Genfer Finanzplatzes, Edouard Cuendet, sagt gegenüber «RTS», dass es sich bei den in die Schweiz fliessenden Geldern «hauptsächlich um eine internationale Kundschaft» handle, die «durch Covid-19 motiviert» sei. «Für internationale Kunden, die mit einer globalen Gesundheits- und Wirtschaftskrise konfrontiert sind, ist die Schweiz ein Hort der Stabilität und Sicherheit. In diesen turbulenten Zeiten sind dies äusserst wertvolle Werte.» Oder anders ausgedrückt: Wohlhabende Ausländerinnen und Ausländer kommen in die Schweiz, um ihr Geld sicher aufzubewahren.

Diskretion macht Schweiz «sehr attraktiv»
Auch Steueranwalt Philippe Kenel erklärt gegenüber «RTS» die Gründe, weshalb der Schweizer Finanzplatz während der Corona-Pandemie so attraktiv für vermögende Personen und Unternehmen sei. Demnach biete die Schweiz das Bild eines Landes, das die Krise gut meistere und zudem über eine gute Spitalinfrastruktur verfüge. Ausserdem würden diverse andere Länder wie zum Beispiel Frankreich für die Bewältigung der Krise viel Geld brauchen. Bei reichen Unternehmen und Privatpersonen gehe die Angst um, dass man sich dieses Geld bei ihnen holen werde.

Für schwerreiche Personen und Unternehmen sei auch das Schweizer Steuersystem noch immer attraktiv, auch wenn dessen Preis mit der Umsetzung der Steuerreform gestiegen sei. Andere Beobachterinnen und Beobachter des Finanzplatzes Schweiz weisen auf die Solidität der Schweizer Banken hin, die dank ihrer starken Kapitalisierung in der Lage sei, Krisen zu überstehen.

Cuendet, der Direktor des Genfer Finanzplatzes, sieht zudem die Diskretion der Schweizer Bankiers als grossen Vorteil. «Das Bankgeheimnis für Steuerzwecke existiert nicht mehr, aber die Geheimhaltungspflicht bleibt voll und ganz bestehen. Im Hinblick auf das Vertrauen der internationalen Kundschaft ist dies nach wie vor von grösster Bedeutung. Und es ist attraktiv.»

Geldwäscherei: Schweiz ist bereits heute überfordert
Aber das gute Image des Schweizer Finanzplatzes ist in letzter Zeit – einmal mehr – getrübt worden. So ist zum Beispiel der ehemalige Anti-Geldwäsche-Chef Daniel Thelesklaf mit einem Paukenschlag aus der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) ausgetreten. In einem Interview mit «24 Heures» und der «Tribune de Genève» kritisierte er Verzögerungen und die Ineffektivität im Kampf gegen Geldwäscherei in der Schweiz.

Gemäss den Aussagen von Thelesklaf werde die Meldestelle durch die Meldungen und Berichte der Banken überwältigt, nur ein winziger Bruchteil der gewaschenen Gelder werde abgefangen. «Ende 2019 sind mehr als 6000 Bankberichte noch nicht bearbeitet worden. Das entspricht einem potentiell illegalen Vermögen von mehreren Milliarden Franken», liess sich der ehemalige Leiter der Anti-Geldwäsche-Einheit zitieren.

Lord Bamford und die «Panama Papers»
Derartige Aussagen – und der neuste krisenbedingte und milliardenschwere Geldzufluss in die Schweiz – werfen erneut Zweifel an der Sauberkeit der Gelder im Schweizer Finanzplatz auf. Auch im Fall von Lord Anthony Bamford, bei dem nun zumindest öffentlich bekannt ist, dass er Gelder in die Schweiz transferiert hat, ist Vorsicht geboten.

Der wichtige Mäzen der britischen Konservativen Partei erregte bereits 2016 Aufmerksamkeit: In den «Panama Papers» erschien sein Name als alleiniger Aktionär eines Unternehmens, das zwischen 1994 und 2012 auf den Britischen Jungferninseln registriert war.

Um die Gründe für den Umzug aus der Karibik herauszufinden, besuchten Journalisten der «RTS»-Sendung «Toutes taxes comprises» (T.T.C.) den Hauptsitz der Ende 2019 gegründeten Holdinggesellschaft JCB Group Holdings Sàrl, der sich in einem Mietgebäude in Lausanne befindet. Wie «RTS» berichtet, beschäftigt der Konzern, bei dem weltweit 15’000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angestellt sind, in Lausanne aber gar keine Angestellten. Die einzige in der Wohnung anwesende Person habe keine Fragen beantworten wollen.


«Toutes taxes comprises», Sendung vom 28.09.2020

Also kontaktierte «RTS» den Rechtsanwalt Lucien Masmejan von der Anwaltskanzlei Lenz&Staehelin, der die JCB-Gruppe in der Schweiz vertritt. Er sollte den Journalistinnen und Journalisten die Gründe für den Umzug erklären und ihnen unter anderem mitteilen, ob und wie sich Covid-19 auf die Sicherheit von in Steueroasen geparkten Vermögen auswirke. Masmejan weigerte sich jedoch, die Fragen zu beantworten, «wodurch die Ursachen für die Gründung von JCB in Lausanne ein Rätsel blieben», wie «RTS» schreibt.

Sicher ist nur, dass die Schweiz vor allem in Krisenzeiten ein beliebtes Ziel für grosse Vermögen bleibt. Mit einem Marktanteil von 27 Prozent ist die Schweiz bereits weltweit führend in der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung.
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Eine Meinung zu

  • am 8.10.2020 um 11:42 Uhr
    Permalink

    Dass Reiche ihr Vermögen in der Schweiz reinwaschen ist ja seit dem 2. Weltkrieg bekannt. Der «Finanzplatz agiert global, und das geld wird hier ja nicht nur aufbewahrt, sondern von den Banken in Aktien oder Immobilien «reinvestiert». Da gibt es keine «Diskretion». Ausser die FINMA und das Steueramt schauen grosszügig weg.Dann kommen «Partner» wie E&Y, Deloitte, PwC oder KPMG zum Zug).(ebenfalls gewinnorientierte) Auch geht es wohl eher darum, dass man teure Liegenschaften weiter an zwielichtige Vermögensbesitzer verkaufen kann und grössen wie Blackrock diese dann verwalten können.
    Behalten und Verwalten statt «Geben und Nehmen». Das rennen um die «Verwaltungskosten» hat tradition. Eine Finanztransaktionssteuer würde dem finanziellen schwarz/graumarkt Schweiz wohl einen Riegel schieben, oder die AHV innert einem Jahr sanieren. Gründe sind wohl eher Datenleaks, denn Corona. FinCEN files (aus USA) Geld wird ja nicht krank. Und überweisen kann jeder, der ein Guthaben hat.Aber es soll auf der Welt tatsächlich noch Steuerämter geben, die Ihrer Pflicht nachkommen. Die mag man als vermögender nicht. Da ist ein «Überfordertes» Steueramt wie in der Schweiz natürlich ein Segen.

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