Sperberauge

Emmanuel Macron: «Europa muss wieder souverän werden»

Sperber Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsKeine © Bénédicte Sambo

Red. /  Die Corona-Krise müsse zu einer Zäsur in der Politik Frankreichs und Europas führen, erklärte Präsident Macron am Fernsehen.

In seiner Ansprache am französischen Fernsehen kündigte Präsident Macron am 12. März nicht nur drastische Massnahmen an, damit sich Covid-19 weniger rasch ausbreitet. Er forderte auch eine Zäsur im globalen Entwicklungsmodell. Weil grosse Medien darüber hinweggingen, sei hier diese Passage seiner Rede im Wortlaut zitiert:

    «Morgen müssen wir die Lehren ziehen aus dem, was wir gegenwärtig durchmachen. Wir müssen das Entwicklungsmodell hinterfragen, in das sich unsere Welt seit Jahrzehnten verwickelt hat und dessen Mängel nun ans Licht kommen. Wir müssen die Schwächen unserer Demokratien hinterfragen. Was diese Pandemie bereits enthüllt hat, ist, dass die kostenlose Gesundheitsfürsorge, unabhängig von Einkommen, Herkunft oder Beruf, und unser Sozialstaat nicht einfach nur Kosten oder Belastungen sind, sondern kostbare Güter, sogar unverzichtbare Güter sind, wenn das Schicksal zuschlägt.
    Diese Pandemie hat jetzt schon deutlich gemacht, dass es Güter und Dienstleistungen gibt, die ausserhalb der Marktgesetze gestellt werden müssen. Es ist verrückt, unsere Ernährung, unseren Schutz, die Gestaltungsfähigkeiten unseres Lebensrahmens im Grunde an andere zu delegieren. Wir müssen die Kontrolle darüber zurückgewinnen, mehr noch als bisher ein souveränes Frankreich und Europa errichten, ein Frankreich und Europa, die ihr Schicksal fest in die Hand nehmen.
    Die kommenden Wochen und Monate werden Entscheidungen erfordern, die in diesem Sinne eine Zäsur darstellen. Ich werde die Sache an die Hand nehmen.»

Im Folgenden der Originalwortlaut auf französisch. Die ganze Rede ist auf der Webseite des Elisée-Palastes zu finden:
«Il nous faudra demain tirer les leçons du moment que nous traversons, interroger le modèle de développement dans lequel s’est engagé notre monde depuis des décennies et qui dévoile ses failles au grand jour, interroger les faiblesses de nos démocraties. Ce que révèle d’ores et déjà cette pandémie, c’est que la santé gratuite sans condition de revenu, de parcours ou de profession, notre Etat-providence ne sont pas des coûts ou des charges mais des biens précieux, des atouts indispensables quand le destin frappe. Ce que révèle cette pandémie, c’est qu’il est des biens et des services qui doivent être placés en dehors des lois du marché. Déléguer notre alimentation, notre protection, notre capacité à soigner notre cadre de vie au fond à d’autres est une folie. Nous devons en reprendre le contrôle, construire plus encore que nous ne le faisons déjà une France, une Europe souveraine, une France et une Europe qui tiennent fermement leur destin en main. Les prochaines semaines et les prochains mois nécessiteront des décisions de rupture en ce sens. Je les assumerai.»
____________
Deutsche Übersetzung von Reinhardt Gutsche.


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5 Meinungen

  • am 14.03.2020 um 16:16 Uhr
    Permalink

    Dann gehen wir mal Jahrzehnte zurück !
    In die Dreißiger Jahre zum Ökonom und Pragmatiker Lord William Beveridge.

    "William Henry Beveridge

    Beveridge wollte damit ein Existenzminimum für alle sichern. Er empfahl, die Regierung sollte sich vor allem der Bekämpfung der „fünf großen Übel“ Not, Krankheit, Unwissen, Elend und Untätigkeit widmen. Dies führte zum Aufbau eines modernen Wohlfahrtsstaates mit einem staatlichen Gesundheitsdienst, dem National Health Service (NHS).
    .
    .
    ass die vorgeschlagenen Wohlfahrtseinrichtungen die Wettbewerbsfähigkeit der britischen Industrie in der Nachkriegszeit verbessern würden, denn nicht nur würden dadurch die Kosten für Gesundheitsfürsorge und Renten auf die Schultern der Allgemeinheit verlagert, sondern es stünden auch gesündere, wohlhabendere und damit motiviertere Arbeitskräfte zur Verfügung, die zugleich die Nachfrage nach britischen Produkten erhöhen würden. Der National Health Service wurde in den späten 1940er Jahren unter Premierminister Clement Attlee (Labour Party) eingerichtet.
    .
    .
    Antrieb seines Denkens war die Idee sozialer Gerechtigkeit und die Schaffung einer idealen neuen Gesellschaft nach dem Krieg. Er war überzeugt, dass gesellschaftliche Probleme sich mit Hilfe objektiver sozio-ökonomischer Gesetzmäßigkeiten erklären und lösen ließen. «

    https://de.wikipedia.org/wiki/William_Henry_Beveridge

  • am 14.03.2020 um 17:38 Uhr
    Permalink

    Was Macron entweder immer noch nicht begriffen hat oder nicht zugeben will, ist dass was er richtigerweise sagt ("Nous devons en reprendre le contrôle, construire plus encore que nous ne le faisons déjà une France, une Europe souveraine…") nur für Nationalstaaten möglich ist. In Frankreich kann er das machen, was er sagt, so wie es die Briten tun ("Take back control"). Aber für die EU funktioniert dies nicht. Die jetzige Pandemie und die Finanzkrise zeigen klar die Untauglichkeit von supranationalen Konstrukten und die Notwendigkeit von funktionsfähigen Nationalstaaten auf.

  • Portrait_Rainer_M_Kaelin
    am 14.03.2020 um 22:14 Uhr
    Permalink

    Worte, die verdienen, auch in der Schweiz beachtet zu werden : Ein starkes Europa, das seine Verantwortung für sich selbst und die Weltgemeinschaft wahrnimmt, ist ein stabilisierender Faktor für den Frieden und die internationale Zusammenarbeit, die mehr denn je zu einer planetären Ueberlebensfrage wird (das Paradigma der Corona-virus-pandemie wird sich als Epidose erweisen angesichts anderer planetärer Probleme). Dieser Forderung für eine sicherere Zukunft kann auch unser Land sich nicht entziehen, was auch immer Brexiter und Trumpisten und ihre Sympathisanten uns glauben machen wollen. Rainer Kaelin, Etoy.

  • am 15.03.2020 um 14:02 Uhr
    Permalink

    @Pedro Reiser
    Was erforderlich ist sind pragmatische Verantwortliche, die das Ziel haben Probleme zu lösen und die Wirtschaft auf stabile Beine zu stellen.
    Neoliberale Extremisten sind da fehl am Platz, genauso wie der Islamische Staat.
    Daher sagte auch der Finanzguru George Soros, das Festhalten am Marktfundamentalismus seit Thatcher und Reagan, führte zu einer Superblase, die nun zu platzen droht.
    Der WirtschaftsliberaleProfessor Sinn spricht von Zockerei und Kasinokapitalismus.
    Der Unternehmer Wolfgang Grupp spricht von Abzockern und Hazadeuren.
    Gebraucht werden Pragmatiker vom Stile Ludwig Erhard, Lord William Beveridge oder Franklin Delano Roosevelt.

    Das Problem an der EU ist, das es keine Regierung gibt, die gültige Gesetze verabschiedet, die Gesetze überwacht und Verstöße sanktioniert.
    Das wäre so als wenn die USA die Regierung auflöst und jeder Bundesstaat seine Sache macht.

    Der einzige Treiber der EU, sind Profite der großen Exportunternehmen, der Banken und der Versicherungen !

    siehe auch
    https://www.taublog.de/seiten/links_als-gysi-vor-dem-euro-warnte

    "Gregor Gysi: »Man kann einen Kontinent nicht über Geld einen«"

    siehe auch
    https://www.youtube.com/watch?v=aIIMyCOBPg8

    Trigema Chef Wolfgang Grupp redet Klartext zur Finanzkrise

    siehe
    https://www.youtube.com/watch?v=usiVEn1inSQ

    Heiner Flassbeck: Der Staat ist keine schwäbische Hausfrau

  • am 16.03.2020 um 12:16 Uhr
    Permalink

    «Il nous faudra demain tirer les leçons du moment …sagt Macron. Wer ist «nous?», Frankreich, Europa oder die Welt? Die Europa Vorstellung Frankreichs ist 1815 im Wienerkongress, nach erheblichen Wirren, ad acta gelegt worden. Nur wenn in Macrons «Wir» die Menschheit gemeint ist und Frankreich als Atommacht in die Reihen tritt, sind seine Visionen Ernst zu nehmen. Ansonsten: Napoléon le Xième?

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