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«Kuppelkids»: Auf einer Dating-Plattform suchen sie eine Frau für ihren Vater. © SRF

«Wir suchen eine neue Freundin für unseren Papa»

Marco Diener /  Will SRF der Initiative «200 Franken sind genug» zum Durchbruch verhelfen? Man könnte es meinen. Zum Beispiel mit «Kuppelkids».

«In Burgdorf, im Emmental, lebt Stephan. Er ist 51, seit ein paar Jahren geschieden und alleine. Seine drei Kinder wollen das ändern. Ihr Plan ist einfach: Auf einer Dating-Plattform ein Profil vom Papi hinaufladen. Kandidatinnen suchen und treffen. Dann die Beste auswählen und mit dem Papi verkuppeln.»

«In den Händen der Kinder»

So beginnt die erste Folge von «Kuppelkids», einer Serie die bis Ende März jeden Freitagabend ausgestrahlt wird. Die Idee laut Fernsehen SRF: «Vier Elternteile wagen in ‹Kuppelkids› das Experiment und legen ihr Liebesglück in die Hände ihrer Kinder. Mit ihrem unverstellten Blick wollen die Kinder versuchen, für ihre alleinerziehenden Eltern einen neuen Partner oder eine neue Partnerin zu finden.»

Man muss sich das mal vorstellen! Primarschüler gehen auf Dating-Plattformen, wo sie Partner für ihre Eltern suchen. Und das alles auf Geheiss des Fernsehens. Doch weiter zu Stephans Familie.

«Ein Kinderspiel»

Laut dem Kommentator sind die Kinder überzeugt, «dass mit ihrer Hilfe die Suche nach der Traumfrau für ihren Vater bald ein Ende hat. Ein Kinderspiel müsste das doch sein.»

Und genau so zieht SRF die Sendung auf – als ob es die Sache von Kindern wäre, einen Partner für den Vater oder die Mutter zu suchen. Stephans Kinder im Alter von 9 bis 14 Jahren dürfen denn auch altkluge Kommentare abgeben. Zum Beispiel, dass sich der Vater viel zu schnell auf eine Frau eingelassen habe und sie ihn um den Finger gewickelt habe.

«Nicht die Richtige»

Sie analysieren auch: «Die Augenkrankheit unseres Papas ist nicht der Grund dafür, dass er nicht die Richtige findet. Es gibt sicher ganz viele andere Punkte.» Oder: «Mit einer Frau ist er ziemlich schnell zusammengezogen. Und dann ist es nicht gut gegangen.»

Stephan selber sagt zwar: «Ich suche nicht eine Frau, die mir kocht.» Deshalb fragen die Kinder: «Papa, wie stellst du dir deine Frau vor?» Und er antwortet: «Wenn sie kochen könnte, wäre das schon toll.» Und sonst: «Sie muss nicht eine reine Schweizerin sein. Ich habe da kein Problem. Hauptsache eine liebe, herzige und verschmuste.»

«Eine 20-Jährige»

Die Kinder werweissen untereinander, wie alt die neue Partnerin sein müsste: «Unser Papa hat lieber jüngere Frauen. Manchmal sagt er, dass er gerne eine 20-Jährige hätte.» Sie sollte eher grösser sein. Braune Haare wären auch noch gut. Sie sollte gerne in der Natur sein. Fazit: «Wir haben das Gefühl, dass wir für unseren Papa eine gute Frau finden können.»

Die Regie springt in «Bauer, ledig, sucht»-Manier ständig zwischen Stephans Familie und drei weiteren hin und her. Immer untermalt von fröhlicher Musik. Dann stellt der Kommentator fest: «Die Kinder von Stephan wissen, was für eine Frau ihr Vater sucht.» Deshalb erstellen sie ein Profil auf einer Dating-Plattform. Die Zuschriften der Frauen prüft nicht etwa Stephan, sondern seine Kinder.

In der nächsten Folge

Die drei Frauen, die sich melden, müssen denn auch nicht bei Stephan antraben. Sie müssen sich den Kindern vorstellen und sich von ihnen ausfragen lassen. Zum Beispiel darüber, was in ihren letzten Beziehungen schiefgelaufen ist. Die Kinder entscheiden dann, welche Frau sich ihrem Vater vorstellen darf. Aber erst in der nächsten Folge.

Es ist SRF!

Wer sich «Kuppelkids» ansieht, fragt sich unversehens. Bin ich auf einem privaten Schmuddelsender gelandet? Oder ist das wirklich SRF? Die ernüchternde Antwort lautet: Ja, es ist SRF!

Weniger leicht sind die nächsten Fragen zu beantworten: Wie, um alles in der Welt, kommt jemand auf die Idee, eine solche Sendung zu produzieren? Und dann auch noch auszustrahlen! Gibt es bei SRF niemanden, der interveniert?

Warum nur?

Warum spannt SRF die Kinder für die Partnersuche ein? Warum suchen die Eltern nicht selber? Warum lässt SRF die Kinder über Haarfarben debattieren? Über das ideale Alter? Über die Körpergrösse? Warum lässt man sie in bester Shopping-Manier auf Dating-Portalen suchen? Was haben Neunjährige dort verloren? Und warum ist nur ein einziges Mal die Rede vom abwesenden Elternteil?

Schliesslich: Wie wird es den Kindern auf dem Pausenplatz ergehen, wenn die Schulkameraden die Sendung gesehen haben? Wie werden sie in ein paar Jahren über die Sendung denken, wenn sie im Internet immer noch verfügbar ist?

«Fassungslosigkeit und Bestürzung»

Ein Infosperber-Leser beschwerte sich bei SRF. Er habe die Sendung «mit Fassungslosigkeit und Bestürzung» angeschaut. «Aus einer der intimsten und schwierigsten Familiensituationen – der Trennung der Eltern», mache SRF einfach «eine Einkaufssituation». Er stört sich daran, dass SRF «auf perverse Weise die Rollen vertauscht: Kinder werden zu Erwachsenen, die endlich etwas unternehmen wollen, um die überforderten Mamis und Papis sofort wieder glücklich zu machen. Sie mischen sich in Angelegenheiten, die sie nichts angehen.» Deshalb fragt er: «Können Sie wirklich verantworten, was Sie da senden?»

SRF ging nicht auf die Kritik ein, sondern antwortete dem Leser: «‹Kuppelkids› stellt bewusst alleinerziehende Eltern in den Fokus. Es gibt in der Schweiz gut 200’000 alleinerziehende Haushalte; das bedeutet jede sechste Familie.» SRF dokumentiere die Partnersuche «mit einem neuen Ansatz». Und: «Die Kinder und Jugendlichen werden in diesem Prozess von einer erwachsenen Vertrauensperson begleitet.»

«Höchste publizistische Standards»

Ganz allgemein schreibt der Sender auf seiner Website über sich: «SRF orientiert sich an höchsten publizistischen Standards.» Und: «Wir gewichten Relevanz höher als kurzfristige Aufmerksamkeit.» Schön wär’s.

Mit «Kuppelkids» leistet SRF keinen Beitrag zum Service public, sondern hilft den Initianten von «200 Franken sind genug» bei der laufenden Unterschriftensammlung.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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6 Meinungen

  • am 17.03.2023 um 15:57 Uhr
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    Na ja – ganz einfach: Ankündigung gesehen, Kopf geschüttelt über so viel dumme Idee, TV nicht eingeschaltet…

  • am 17.03.2023 um 17:05 Uhr
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    Dieser Arikel hat mich dazu bewegt mich zu registrieren, damit ich Ihnen, Herr Diener für diesen Artikel Danke sagen kann!
    Ich teile Ihre Fassungslosigkeit über eine solche Sendung vollkommen und finde es beängstigend, dass SRF nur schon auf die Idee kommt, so etwas zu machen.

  • am 17.03.2023 um 23:08 Uhr
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    Falls der Initiative «200 Franken sind genug» dereinst der Durchbruch gelingen sollte, so wird SRF mit «Kuppelkids» dazu einen nicht unerheblichen Anteil dabei geleistet haben. Ich habe mir die Sendung auch zu Gemüte geführt und war einigermassen fassungslos. Marco Diener ist vollauf beizupflichten: Unterschichtenfernsehen à la RTL vom Übelsten. Und dass hiefür auch noch Kinder eingespannt werden setzt dem Ganzen noch die Krone auf. Völlig verantwortungslos. Jenseits von Gut und Böse. Eine Stellungnahme aus der SRF-Chefetage ist fällig.

  • am 18.03.2023 um 04:20 Uhr
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    SRG muss sparen. Für wenig Geld gibt’s viel Aufmerksamkeit. Die SVP will das so. Und sie ist die grösste Partei der Schweiz. Sie will die SRG zerschlagen, damit ihre Kritikfähigkeit der Politik (gegenüber der SVP) verloren geht. Falls davon überhaupt noch was vorhanden ist.

  • am 18.03.2023 um 09:48 Uhr
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    SRF schafft sich selbst ab. Das ist unangenehm mit anzusehen, weil es so unwürdig ist. Eigentlich harmlos, sollen sie das machen, ich brauche es nicht anzusehen. Habe dieses Jahr noch nie SRF konsumiert, nicht mal im Internet. Es verdichtet sich aber gleichzeitig das Gefühl, es gäbe einen grossen Plan zur Erosion unserer Urteilsfähigkeit.

  • am 18.03.2023 um 10:24 Uhr
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    » … alleinerziehende Haushalte …»

    Was um alles in der Welt sind «alleinerziehende Haushalte»?

    Hat diese zitierte Antwort von srf die KI geschrieben, oder ist gar das ganze Sendenungs-Konzept vom ChatBot?

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