Wie Trumps Gesetze den Journalismus verändern
Kiley Bense berichtet seit 2021 als Umweltreporterin für «Inside Climate News» aus Pennsylvania. Bense tut in erster Linie das, was jeder Lokal- und Regionalreporter versucht: Lokale Nachrichten zu ihren Schwerpunkten Umwelt, Klima und Gesundheit recherchieren und Themen von nationaler Bedeutung so gut wie möglich für die Bevölkerung vor Ort übersetzen.
«Wir haben [hier in Pennsylvania] eine so lange Geschichte fossiler Brennstoffe», sagt sie in einem Interview mit der «Columbia Journalism Review». Sie beschreibt, wie sich ihre Arbeit seit Trumps Amtsantritt verändert hat.
Ein US-Staat mit ausgeprägter fossiler Vergangenheit
Ihr Heimatstaat sei ein Mikrokosmos nationaler Spannungen, schon aus historischen Gründen. Das stimmt – die erste Ölquelle in den USA wurde beispielsweise in Pennsylvania gebohrt. Es gibt Eisenerz und Kohleminen, Stahl- und Zementindustrie. Seit 1999 gingen im herstellenden Gewerbe mehr als ein Drittel der Arbeitsplätze verloren. In Pennsylvania finden sich viele lebensmittelverarbeitende Betriebe, aber auch Merck, Boeing, SAP, Sanofi und U.S. Steel.
Die Abfälle dieser Industrien sind eines von Benses Themen. 2020 stellte ein Forschenden-Team fest, dass es erhebliche Unterschiede gibt zwischen den Angaben der Öl- und Gasindustrie darüber, wie viel Sondermüll sie an Deponien abgegeben hatten und den Daten der Deponien über die erhaltene Menge. Von hunderttausenden Tonnen giftiger oder radioaktiver Abfälle ist unklar, wo sie geblieben sind.
Pennsylvania ist ausserdem bekannt für Kohlebrände – unterirdische Schwelbrände in ehemaligen Kohleminen, die sich jedes Jahr ein paar Meter weiterfressen, vermutlich noch jahrzehntelang. Die nicht-fossile Geschichte des Bundesstaats ist ebenfalls geläufig: 1979 ereignete sich das bisher schlimmste Reaktorunglück der USA auf Three Mile Island in der Nähe der Hauptstadt Harrisburg.
Zu berichten gibt es jede Menge
Pennsylvania ist ein Swing State. Der Westen rund um Pittsburg gehört zum Rust Belt, der Osten ist landwirtschaftlich geprägt, die Kirchen haben dort grossen Einfluss. US-Vizepräsident J.D. Vance ist dort aufgewachsen, Ex-Präsident Joe Biden in Pennsylvania geboren. Eines der wichtigeren Themen im Präsidentschaftswahlkampf war das umweltschädliche Fracking.
Im Januar kam ein Präsident mit dem Wahlspruch «Drill, Baby, Drill!» dazu, der die Öl- und Gasförderung ankurbeln, Industrien mit hohen Zöllen zurück in die USA bringen will und zahlreiche Umwelt- und Klimagesetze zurückrollt. Zu berichten gibt es für Bense also jede Menge.
Die Kommunikation mit den Behörden harzt
In den vergangenen Monaten habe sich für sie einiges geändert, vor allem, wenn sie mit nationalen Stellen zu tun habe, sagt Bense. «Es ist schwieriger, zu kommunizieren», fasst die Reporterin zusammen. Ansprechpartner bei den Bundesbehörden seien nicht mehr da oder antworteten nicht mehr. Websites der Umweltbehörde EPA, auf denen sie früher nach Informationen gesucht habe, gebe es nicht mehr.
Egal, ob sie über eine Mülldeponie oder die Sicherheit von Eisenbahnbrücken schreibe, oft habe sie das Gefühl, dass jede Geschichte, die sie schreibe, einen Zusatz enthalte, der mit Trump zu tun habe, sagt die Klima- und Umweltreporterin.
Die Kürzungen und Streichungen der Regierung Trump liefern nicht nur Diskussionsstoff, sie machen Umweltjournalismus auch zu einer grösseren Herausforderung. Fast täglich streicht die US-Regierung Umwelt- und Klimagesetze zusammen. Die Columbia University führt unter Climate Backtracker eine Liste, die bereits 186 Einträge hat. Zahlreiche Forschungsprojekte wurden eingestellt, viele Webpages mit Klima- und Umweltdaten gingen vom Netz.
Die Quellen werden rarer
Einer ausführlichen Arbeit über eine Sondermülldeponie, an der Bense länger gearbeitet hatte, fehle beispielsweise jetzt ein Teil der Quellen. «Es gab das Tool EJScreen der EPA, in das man eine Adresse oder eine Stadt eingeben konnte. Man bekam dann einen Bericht über Umweltgerechtigkeits-Indikatoren für diese Gemeinde», erklärt sie. Das sei sehr hilfreich, wenn man wissen wolle, wer an einem Ort lebe, wie die Bevölkerungsstruktur dort aussehe und wie der Gesundheitszustand der Leute sei.
Sie habe zwar alle Berichte heruntergeladen, verlinken kann sie diese aber nicht mehr, denn die Website ist nicht mehr online. Wahrscheinlich werde sie noch weitere Artikel dieser Art schreiben. «Dann könnte ich aber keinen Bericht erstellen und hätte keine Regierungsquelle, die die Daten zusammenfassen kann», verdeutlicht die Journalistin.
Damit ist Bense nicht allein. Auf der Jahreskonferenz des Verbands der Gesundheitsjournalisten (AHCJ) am 30. Mai in Los Angeles tauschten sich Journalisten und Datenwissenschaftler über Strategien zur Aufdeckung, Sicherung und Überprüfung wichtiger Daten aus. «Ich mache mir wirklich Sorgen, dass wir jetzt in eine Ära der Datenknappheit eintreten», sagte einer der Vortragenden. Er präsentierte zahlreiche Tipps, wie Journalistinnen und Journalisten in den USA dennoch an Gesundheitsdaten kommen können. Der Titel des Panels: «Daten finden, wenn andere sie vor dir verstecken».
Weniger Regionales, mehr Nationales
«Wegen der Masse an Eilmeldungen», die die Redaktionen zunehmend beschäftigten, hat sich Benses Fokus seit Jahresanfang mehr auf nationale Themen verschoben. Sie versuche, Schritt zu halten und die lokalen Auswirkungen oder die lokale Perspektive zu zeigen, sagt sie.
Bei der Verwendung von Mitteln für einkommensschwache Haushalte zum Beispiel. Durch eine Massenentlassung im Gesundheitsministerium kam es zu Engpässen, Bundesgelder wurden teilweise nicht überwiesen. Zahlreiche Haushalte in Pennsylvania konnten ihre Stromrechnungen ohne die Hilfsgelder nicht mehr bezahlen, was weitreichende Folgen haben kann.
«Eine Masterclass der Doppelzüngigkeit»
Viel Zeit verbringt das Klimareporter-Team damit, die Regierungskommunikation zu dechiffrieren. «Wenn man über Politik berichtet, muss man damit rechnen, dass Politiker Tatsachen verdrehen. Die derzeitige Kommunikation geht darüber aber weit hinaus», sagt Bense. «Wenn [Politiker oder Ämter] Erklärungen abgeben und Dinge sagen, von denen wir wissen, dass sie genau das Gegenteil bedeuten, wird es kompliziert.»
Berichterstattung über die Regierung werde zur «Masterclass der Doppelzüngigkeit», schrieb «Inside Climate News» in einem Artikel über die ersten 100 Tage der Trump-Regierung, an dem Bense beteiligt war. Eine Pressemeldung über den Earth Day, die behauptete, Trumps Politik folge aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, widerlegte sie Punkt für Punkt.
Das Misstrauen wächst
Insgesamt seien es schwierige Zeiten für ein Medium, das «Klima» im Namen trägt wie «Inside Climate News», so Bense. Für ihre Kolleginnen und Kollegen in Bundesstaaten wie Texas und Alabama sei es schon vor der Wahl schwierig gewesen, über Klimaanliegen zu berichten.
In Pennsylvania sei das Misstrauen den Medien gegenüber nicht ganz so ausgeprägt, dennoch werde es schwerer, die Menschen zu erreichen. Sie gebe sich besondere Mühe, ausgewogen zu berichten und verbringe viel Zeit damit, mit ihren Leserinnen und Lesern zu sprechen, erklärt sie. «Wenn sie sehen, dass [meine Berichte] ausgewogen und fair sind, führt das dazu, dass die Leute eher mit mir reden.»
Bense: «Jetzt ganz besonders!»
Aber einfach sei es noch nie gewesen. Journalismus sei jetzt wichtiger als je zuvor, das treibe sie an, sagt Bense. Es gebe jetzt noch weniger Journalistinnen und Journalisten, das bedeute Lücken in der Lokalberichterstattung. Umso dringender sei es, dass jemand berichte. «Ich versuche meine Langzeitprojekte nicht aus dem Blick zu verlieren und meine Agenda beizubehalten», sagt die Journalistin. Es sei wichtig, an Prioritäten festzuhalten.
Vor allem das Klimathema gerate unter die Räder. Die Leute fragten sie oft: «Wo soll ich hinziehen, wenn ich sicher vor der Klimakrise sein will?». «Es gibt keinen sicheren Ort», sagt sie dann. Die Verschiebung des Klimas sei eine globale Krise, die jeden und jede betreffe, immer schlimmer werde und alle anderen Themen berühre. «Denkt an die Klimaperspektive! Auch bei anderen Themen», rät sie anderen Journalistinnen und Journalisten.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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