Wer hat den Teleprompter operiert?
Schweizer Zeitungsleser waren schon immer gefordert. Wenn von der US-Administration die Rede war, mussten sie stets selber herausfinden, ob der US-Korrespondent tatsächlich die Verwaltung meinte oder nicht doch die Regierung.
Schwierig war es auch immer, wenn Zeitungen über die Zustände im Hexagon berichteten. Hierzulande wissen nicht alle, dass die Franzosen ihr Land gerne «hexagone» nennen, weil die Umrisse des Landes entfernt an ein Sechseck erinnern. Doch manch einem Frankreich-Korrespondenten gefällt der Ausdruck so gut, dass er ihn gerne verwendet.

Doch das sind Kinkerlitzchen im Vergleich zu dem, was neuerdings passiert. Ohne Frühenglisch, Frühfranzösisch und – ja, Sie lesen richtig – Frühesperanto ist das Nahdeutsch in unseren Zeitungen kaum mehr zu verstehen.
Das «Heimatschutz-Ministerium»
Kürzlich wollte US-Präsident Donald Trump vor der Uno eine Rede von einem Bildschirm ablesen. Doch der Bildschirm streikte. Deshalb sagte Trump gemäss dem «Tages-Anzeiger»: «Wer diesen Teleprompter operiert, hat jetzt grosse Probleme.»
Wer Englisch gelernt hat, ist beim Lesen im Vorteil. Er wird merken, dass der Bildschirm nicht aus Fleisch und Blut war. Und dass auch kein Chirurg operierte. Trump dürfte «operated» gesagt haben, und der USA-Korrespondent hat daraus «operiert» statt «bedient» gemacht.

Anderes Beispiel: Das US-Department of Homeland-Security gibt es zwar schon seit 2002. Doch unter Donald Trump hat es an Bedeutung gewonnen. So kommt es, dass Schweizer Zeitungen häufiger über das Heimatschutz-Departement berichten.
Doch es geht nicht um Heimatschutz, wie wir ihn verstehen. Nicht um erhaltenswerte Bauten. Auch nicht um denkmalgeschützte. Und schon gar nicht um Orte wie Ballenberg. Es geht vielmehr um die Innere Sicherheit. Das US-Department of Homeland-Security ist das Ministerium für Innere Sicherheit.
Die «famose Klausel»
Als der ehemalige französische Präsident Nicolas Sarkozy letzthin zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde, war die Frage strittig, ob er seine Strafe sofort antreten müsse oder erst später. Gestritten wurde über einen Gesetzespassus. Die «Berner Zeitung» sprach von einer «nunmehr famosen Klausel».
Wer im Französischen einigermassen sattelfest ist und über ein bisschen Fantasie verfügt, wird merken, dass es sich um eine «clause fameuse» handelt. Das ist keine «famose» Klausel, auch keine «fabelhafte» oder sogar «grossartige», sondern bloss eine «berühmte» oder eine «bekannte».
Kommen wir vom ehemaligen zum amtierenden französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Die «Basler Zeitung» berichtete kürzlich, «wie Macron die Seine entlangspaziert, das Handy am Ohr – ein bukolisches Sujet».
In Frankreich ist der Ausdruck «bucolique» durchaus geläufig. Im deutschsprachigen Raum nicht. Wer ihn verstehen will, muss schon über ausserordentliche Französisch-Kenntnisse oder – noch besser – über Latein- und Griechisch-Kenntnisse verfügen.
«Bukolisch» bedeutet «idyllisch», «malerisch» oder «romantisch». Das Wort hat lateinische und griechische Ursprünge und wurde einst in der Hirten- und der Schäferdichtung verwendet. Das Wort «bukolisch» mag zeigen, wie gebildet der Frankreich-Korrespondent ist. Es zeigt aber auch, wie sehr er sich um die Bedürfnisse seiner Leser foutiert.
«Vorgehen Aktivisten»
Ein bisschen in Vergessenheit geraten ist die Kunstsprache Esperanto. Zu Unrecht. Denn auch sie könnte bei der Zeitungslektüre helfen. Zum Beispiel bei einem Titel in der «Berner Zeitung» vom letzten Freitag: «Von Graffenried bedauert Vorgehen Aktivisten.» Aber das ist nun wieder eine andere Geschichte.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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