DOJ_Google

Jonathan Kanter gibt bekannt, dass das US-Justizdepartment Google verklagt. Links: Justizminister Merrick Garland, rechts: Lina Khan, Vorsitzende der Wettbewerbskommission FTC © The Justice Department

Wegen Online-Werbung: USA ziehen Google vor Gericht

Pascal Sigg /  Auch andere Länder haben Google mit Milliardenklagen eingedeckt. In der Schweiz hofiert man den Internet-Riesen.

Ende Januar reichte das US-Justizdepartement zusammen mit einer Gruppe von acht Bundesstaaten Klage gegen Google ein. Es ist die insgesamt fünfte Klage von US-Behörden gegen das Unternehmen.

Das Justizdepartement unter Leitung des Anklägers Jonathan Kanter sagte: Google missbrauche sein Monopol, um die Betreiber von Websites und Werbetreibende, welche andere Tech-Produkte benutzten, zu benachteiligen. Google unterhalte eine systematische Kampagne, um die Kontrolle über eine breite Palette von High-Tech-Tools zur vereinfachten Benutzung von Online-Werbung zu erhalten.

«Kapitalismus ohne Wettbewerb ist Ausbeutung»

Google wird schon lange für die dominierende Intransparenz seiner Online-Werbeinfrastruktur kritisiert (Infosperber berichtete). Letzten Herbst wurde bekannt, dass Google deshalb in England und den Niederlanden verklagt wird. Die EU hat das Unternehmen auch für andere Geschäftspraktiken bereits harsch gebüsst. Unter Präsident Joe Biden gehen nun auch die USA aggressiver gegen die systematisch aufgebaute Marktdominanz vor. Biden sagte beispielsweise letztes Jahr: «Kapitalismus ohne Wettbewerb ist Ausbeutung».

Die Klage könnte gewichtige Folgen für Medienlandschaften weltweit haben. Werbebudgets würden viel breiter verteilt, es gäbe mehr Geld für Journalismus oder Kunst, eine reichere und diversere Kultur und Debatte, kommentierte Barry Lynn, Direktor des  «Open Markets Institute»  die Klage in einem Podcast-Interview des US-Hintergrundmagazins «Harper’s». «Dies ist ein Killer-Case gegen Google. Wenn diese Klage erfolgreich ist, werden die schlechten Teile Googles zerbrochen sein. Und die guten Teile Googles werden besser werden. Die Suche wird besser, wenn man die Werbung entfernt. Die Karte wird besser, wenn man die Werbung rausnimmt. Denn sie werden uns nicht mehr manipulieren, um all die hunderten Milliarden Dollars einzustreichen. Dieses Geld wird dafür an andere Orte hingehen, wo es hingehört.»

Kaum Steuern, keine Bussen in der Schweiz

Die Klagen in den USA könnten auch Folgen für die Schweiz haben. In Zürich unterhält Google mit über 5000 Angestellten den grössten Standort ausserhalb der USA. Doch trotz der heftig umstrittenen Geschäftspraktiken des Unternehmens fehlt hierzulande jegliche Kritik. Aufwändige Recherchen des Online-Magazins «Republik» zeigten kürzlich: Die Behörden rollten Google in Zürich den roten Teppich aus und erlauben dem Unternehmen die Anwendung umstrittener Steuertricks.

Gemäss «Republik» nehmen SteuerexpertInnen an, «dass es sich bei der Google Switzerland GmbH um eine Konzern­hilfsgesellschaft handeln könnte, die mit dem Kanton ein sogenanntes «Cost-plus-Steuerruling» vereinbart hat. In einem solchen Setting meldet der Konzern den Steuer­behörden seinen Aufwand (cost). Von diesem gilt dann ein fix abgemachter, verhältnismässig niedriger Prozentsatz als Gewinn (plus), und dieser wird besteuert. Mit anderen Worten: Die Steuer­behörden besteuern nicht die Einnahmen (in Form der Gewinnsteuer), sondern die Ausgaben (in Form eines fixen Prozentsatzes des Aufwands).»

Damit würde Google deutlich tiefere Steuern zahlen, als wenn es den Gewinn versteuern müsste. Offiziell dürfte Google hierzulande ohnehin kaum etwas verdienen. Die «Republik» schreibt: «Wer in der Schweiz Google-Services benutzt, nutzt juristisch betrachtet einen irischen Dienst. Der Umsatz dieser Dienste fällt also weiterhin in Irland an. Diese Praxis wäre demnach eine Fortführung der altbekannten Gewinn­verschiebungs­strategie.»

Die Schweizer Behörden schützten das Unternehmen auch vor Bussen – wie im Fall von Google Shopping. Da wurde Google wegen Markt­beherrschung von der EU zu Straf­zahlungen in der Höhe von 2,4 Milliarden Euro verurteilt. In der «Republik» heisst es: «Die Schweizer Wettbewerbs­kommission traf dazu Vorabklärungen, worauf Google sich bereit erklärte, die Anpassungen seines Geschäfts in der EU auch in der Schweiz umzusetzen. Eine Busse gegen Google wurde in der Schweiz jedoch nicht ausgesprochen. Die Weko begründete dies mit fehlenden Ressourcen. Zudem sei der Zweck der Weko ‹die Sicher­stellung von Wettbewerb und nicht die Bestrafung›». Derartige Ausreden dürften zunehmend schlechter ankommen.

Die Google-Serie der «Republik»

Die «Republik» publizierte in den letzten Wochen eine grosse Serie zu Google. Infosperber holt sie hinter der Paywall hervor:

  • Als Google einen Staatstreich versuchte: Ein Projekt in Toronto offenbart, wie Google sich die Welt vorstellt: als privatisierten Staat, mit Steuern, die der Konzern selbst erhebt.
  • Vom ungehinderten Aufstieg zum Monopol: Wie Google schon aus Klassen­zimmern Daten abschöpft und eine Plattform-Monokultur geschaffen hat. Und warum das trotz Kartell­recht möglich war.
  • Die Entzauberung von Google: «Am Ende dieser Revolution sind die Reichen weiter reich und die Mächtigen weiter mächtig»: Stanford-Professor Adrian Daub über den Mythos Big Tech und was davon übrig bleibt.
  • Wenn ethische Werte nur ein Feigenblatt sind: «Rassismus und Sexismus sind bei Google allgegen­wärtig», sagt AI-Forscherin Timnit Gebru. Sie wollte dies ändern – und wurde entlassen, weil sie vor Diskriminierung durch Algorithmen gewarnt hat.
  • Half Google, einen Schweizer auszuspionieren? Ein Einzelfall, der ein riesiges Demokratie­problem offenlegt: Landeten Google-Daten eines wissenschaftlichen Mitarbeiters der Universität Fribourg bei einem US-Geheimdienst, obwohl gegen den Mann kein Straf­verfahren läuft? 
  • Auf dem Roboterpferd in die Schlacht: Die beiden Internet-Koryphäen Andy Müller-Maguhn und Bruce Schneier erklären, was sie sahen, als sie die Snowden-Dokumente auswerteten. Und wie das Internet heute von Google und US-Geheim­diensten kontrolliert wird.
  • Gewinne maximieren, bis sie weg sind: Milliarden verdienen und in Steuer­paradiese trans­ferieren: die britische Labour-Abgeordnete Margaret Hodge, der EU-Abgeordnete Paul Tang und ihr Versuch, das Geschäfts­modell von Big Tech zu zerschlagen.
  • Google und die Schweiz – eine Liebesgeschichte: Wie sich Google in der Schweizer Politik eingenistet hat und auf der Klaviatur des Lobbyings spielt, damit der Konzern bekommt, was der Konzern will.
  • Google im rot-grünen Steuerparadies: Wer mit der Bahn in Zürich ankommt, fährt entlang der Europa­allee fast ununter­brochen an Google-Büros vorbei. Was macht die Dominanz des Tech-Giganten mit der Stadt?
  • Inside Google Schweiz: Der Standort Zürich hat grosse Bedeutung für den amerikanischen Big-Tech-Konzern. Doch was genau in der Schweiz entwickelt wird, behalten die Beteiligten lieber für sich.
  • Podcast: Warum sind alle so verschwiegen? Im Podcast erzählen die Autoren, wie sie bei der Recherche vorgegangen sind.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Business_News_Ausgeschnitten

Medien: Trends und Abhängigkeiten

Konzerne und Milliardäre mischen immer mehr mit. – Die Rolle, die Facebook, Twitter, Google+ spielen können

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.
Portrait Pascal.Sigg.X

Pascal Sigg

Pascal Sigg ist Redaktor beim Infosperber und freier Reporter.

Eine Meinung zu

  • am 13.02.2023 um 14:07 Uhr
    Permalink

    Google, aber auch alle anderen «kostenlosen» Onlinedienste verdienen ihr Geld nicht nur über gezielte Werbung. Gemäss Aussagen von Fachexperten aus der psychologischen Informatik, auch über gezielte Suchergebnisse und Beiträge.
    Diese sollen gemäss der Wissenschaftler langfristig zur Veränderung der Persönlichkeit und Meinungsbildung, im Interesse zahlender Kunden, missbraucht werden.
    Dies ist eine viel grössere Gefahr für unsere Demokratie und Gesellschaft und müsste verboten werden.
    Ich bin ebenfalls der Überzeugung das unser Umgang mit der Umwelt und unsere Probleme im Zusammenleben der Weltgemeinschaft ohne den Einfluss sozialer Netzwerke unter Nutzung dieser Technik, ein ganz anderer wäre.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...